In zehn Tagen an zehn Seen, Teil 2/3
Thomas Adamczak
Darmstadt/Otzberg (Weltexpresso) - Als hilfreiche Vorbereitung auf die Tagestouren erweist sich auch die Angabe der Höhenmeter, die pro Tag zu bewältigen sind. Vor allem am ersten Wandertag sind mit der Besteigung des Gipfels vom Filbing (1307 m) und am vorletzten Tag bei der Wanderung von Hallstatt zum idyllischen Gosausee am Rande des Dachsteingebirges größere Anstiege zu bewältigen (einmal 700 und dann 900 Höhenmeter).
Jeder Wandertag dieser Fernwanderung offenbart einen speziellen Charakter, so dass der Abwechslungsreichtum der Wandertour in Erinnerung bleibt. Die gut gekennzeichneten Wege führen über Weideland und wild anmutende Wiesen, durchqueren eindrucksvolle Moorgebiete und Feuchtwiesen (Naturschutzgebiet »Blinklingmoos«) und natürlich weitläufige Waldgebiete. Uferwege und Seepromenaden bieten besonders reizvolle Spaziermöglichkeiten für die nach Versöhnung lechzenden Augen des Wanderers.
Dann wieder führt die Wanderung durch typische Alpenlandschaften mit zum Rasten einladenden Almhütten.
Die Vielfalt der visuellen Eindrücke ist es, die das Wandern zum Genuss macht, und dabei wurden noch nicht einmal die touristischen Attraktionen in den Zielorten berücksichtigt. Selbstverständlich muss zum Beispiel Bad Ischl mit seinen Kaiserthermen, der Kaiservilla (Kaiser Franz Joseph und Sissi verlobten sich in Bad Ischl) sowie dem Leharmuseum erwähnt werden. Jeder Wandernde wird für sich entscheiden, ob er solche regionale Attraktionen nach einer immerhin ziemlich anstrengenden Wanderung noch besichtigen will und kann oder ob eventuell mittels einer Verlängerung dieser Wandertour oder einer künftigen Urlaubsplanung die entsprechenden Möglichkeiten wahrgenommen werden.
Sehenswert sind zudem Hallstatt als Teil des Weltkulturerbes und unter anderem die Rettenbachwildnis und der Wolfgangsee wie alle anderen Seen.
Mit was für einer Einstellung unternimmt man eine solche mehrtägige Wanderung? Das ist eine wichtige Grundsatzfrage. Im Hotel »Sonnleitn« notiere ich dazu folgendes Zitat von Marie von Ebner Eschenbach: »Es geschieht zu jeder Zeit etwas Unerwartetes; unter anderem ist auch deshalb das Leben so interessant.«
Wollen doch mal sehen, dachte ich zu Beginn der Wanderung, ob Marie von Ebner- Eschenbach recht hat, ob sich also etwas Unerwartetes ereignet, was für mich bei dieser Wanderung das Leben besonders »interessant« erscheinen lässt.
Auf dem Weg zum Mondsee stoße ich bei einem Bauernhof auf einen formschönen Stein mit der Aufschrift: »Gib jedem Tag die Chance, der schönste in deinem Leben zu werden.« Na, geht mir durch den Kopf, da ist mir der Satz von Ebner-Eschenbach doch sympathischer, denn der Leitspruch am Bauernhof greift nach den Sternen und wird, wenn abends Bilanz gezogen wird, kaum Zustimmung finden.
Noch zwei weitere Male stoße ich auf dieser Wanderung auf Geschriebenes, das ich für wert erachte, notiert zu werden. Am Ufer des Abersees entdecke ich auf dem Weg nach Strobl im »Blicklingmoos« das Hinweisschild »Gschma Platzl«. Zu diesem Plätzchen direkt am See führt ein schmaler Trampelpfad. Mit Blick auf den See steht dort eine Bank, die zum Verweilen einlädt.
Auf Informationstafeln wird der »Lebensraum Schilf« vorgestellt. Der Schilfgürtel sei die »Kinderstube« der Fische und biete u.a. Libellen, Spinnen und Muscheln Lebensraum. Unweit dieses Platzes finden sich Abbildungen der Sibirischen Schwertlilie und der Wiesenschönheit Breitblättriges Knabenkraut. Hingewiesen wird zudem auf den Lilagoldenen Feuerfalter, die Zwitscherschrecke und den Karmingimpel.
Die Freude des Wanderers über all diese Naturwunder und den einmaligen Blick auf den Abersee trübt ein Hinweis an der Bank, die zur Rast geradezu einlädt: »Die österreichischen Bundesforste stellen als Grundeigentümer den Platz für diese Erlebnisbank unentgeltlich zur Verfügung.«
Ich murmelte ein Dankeschön an die »österreichischen Bundesforste« und stiefele leicht ernüchtert weiter. Ob es eines Tages etwas kosten wird, auf solchen Bänken Platz zu nehmen, geht mir durch den Sinn, und ich nehme mir vor, den österreichischen Bundesforsten postalisch diese Frage zu stellen, nicht ohne vorher meinen Dank abzustatten, dass ich auf dieser Bank »unentgeltlich« sitzen durfte.
Zu diesem mahnenden Schild an der Bank passen übrigens die vielen Verbotshinweise, die einem auf einer solchen Wanderung begegnen. Verboten wird, eine besonders gekennzeichnete Badestelle oder gar einen Uferstreifen zu benutzen und eine bestimmte Wiese, dieses Waldstück, jenen Weg zu betreten. Privatbesitz!
Da lobe ich mir doch, was ich an der Koppentraun auf einer am Wegesrand platzierten Schiefertafel entdecke: »Mal eben durchrufen, eine Mail nach New York schicken. Für etliche Macker sind Pausen harte Arbeit. Es fällt uns schwer, einfach nichts zu tun. Doch Pausen haben ihren Sinn, um Platz zu schaffen für Ideen.« Wer wird, frage ich Sie, solchen Sätzen nicht zustimmen?
Fotos:
© Eurohike
Info:
https://www.mamilade.at/sbg/salzburg-land/ausflugstipps/natur-abenteuer/blinklingmoos-strobl-am-wolfgangsee
https://www.eurohike.at/de/reiseziele/wanderurlaub-oesterreich/zehn-seen-trekking-10-tage
https://www.matthes-seitz-berlin.de/autor/david-le-breton.html
https://www.weltexpresso.de/index.php/buecher/5286-lob-des-gehens