Notker Blechner
Vevey/ Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Ob Fendant oder Dôle oder der Petite Arvine - die Schweiz ist stolz auf ihre (teuren) Weine, Dementsprechend spektakulär feiern die Eidgenossen ihre Weinbauern - auf der Fête des Vignerons, die nur alle 20 Jahre(!) stattfindet. Die große Bühnenshow wurde von einem Künstler inszeniert, der schon die Abschlusszeremonien bei den Olympischen Spielen 2006 und 2014 kreiert hatte.
1797 dauerte die erste Fête des Vignerons gerade mal einen Tag. Damals gab es einen kleinen Festzug mit Musikern, Sängerinnen und als Bachus oder Ceres verkleidete Schauspieler, der mit der Krönung der fleißigsten Weinbauer am Marktplatz von Vevey endete.
Heute dauert das Winzerfest 25 Tage lang und ist zu einem kommerziellen Festival mit strengen Budgets geworden. Am Ufer des Lac Leman reihen sich Fress- und Getränke-Stände mit Spezialitäten aus aller Welt.
Doch wenn abends die Parade mit kunstvollen Riesen-Figuren auf Stelzen die Flusspromenade entlang läuft, spürt man, dass dies kein typisches Fest ist. Spätestens wenn die Show in der eigens errichteten Arena losgeht, wird einem bewusst, wie einzigartig die Fête des Vignerons ist.
Die große Show rund um die Weinberge
Fast drei Stunden lang zeigt Regisseur Daniele Finzi Pasca die Arbeit und das Leben rund um den Weinberg. Herein fliegt eine als Libelle verkleidete Schauspielerin über den Köpfen der Besucher. Dann strömen die Ameisen, Heuschrecken und Stare – allesamt verkleidete Akteure – in die Arena und bevölkern die virtuellen Weinreben. Es dauert nicht lange, bis die Weinbauern kommen und die Reben entlauben und zuschneiden. Alles mündet in einen großen Gesang.
Dem spektakulären Auftakt folgen unterschiedliche Szenen, die die Jahreszeiten, wichtige Feste, aber auch die Beziehung zur Sonne, zum Mond und zum Weltall darstellen. Selbst alltägliche Freizeitaktivitäten wie das Kartenspiel der Weinbauern werden kunstvoll inszeniert. Gut 50 Männer und Frauen, die eingehüllt sind in überdimensionale Karten, vollführen einen wilden As- und Karo-Tanz.
Der Dialog zwischen einem kleinen Mädchen namens Julie und ihrem Großvater veranschaulicht das Jahr in den Weinbergen. Er erklärt ihr die Traditionen und die unterschiedlichen Arbeiten.
Traditionelle Lieder und Tänze auf dem LED-Boden
Besonders eindrucksvoll ist die Mischung aus Tradition und Moderne. Während der riesige LED-Bühnenboden mit einer Fläche von 870 Quadratmeter virtuelle Bilder in die Arena wirft, tanzen, blasen und trommeln über 1.200 Laienschauspieler auf traditionelle Weise. Alleine der Chor besteht aus 500 Sängern und 150 Kinderstimmern.
Emotionaler Höhepunkt ist die "Ranz des Vaches" (der Kuhreigen), die traditionell von den Sennern aus der Region Fribourg vorgetragen wird. Es ist eine Art Alpen-Hymne mit hohen Tönen, die teils von Sopransolisten interpretiert wird. Zur "Ranz des Vaches" laufen zwei Dutzend Kühe ein, die dann im Kreisgeduldig dem Singsang lauschen.
Zur Show gehört auch die Krönung der fleißigsten Weinbauer. Die Jury der allmächtigen Confrérie des Vignerons vergibt im Rahmen der Aufführung die Preise. Erstmals bekam diesmal eine Frau den Hauptpreis.
Zum Finale kommen alle rund 5.500 kostümierten Laien-Schauspieler auf die Bühne. Sie stammen aus der Region und wurden in aufwendigen Selektionsverfahren ausgewählt. Sie sind stolz, am Spektakel mitgewirkt zu haben - und scheuen dafür keine Kosten. Die Kostüme haben sie selbst finanzieren müssen.
Ein Stück Kulturerbe
Welche Anziehungskraft die Fête des Vignerons hat, zeigen die nackten Zahlen. Gut eine Million Besucher strömten diesmal zum Fest - so viel wie nie. Für die Show von Finzi Pasca wurden 355.000 Tickets verkauft. Die Fête des Vignerons ist viel mehr als nur ein Event, sie ist Kulturerbe, eine Tradition, die von Generation zu Generation weitergegeben wird, betonen die Organisatoren. Seit Ende 2016 ist sie von der UNESCO in die Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden.
Wer sie diesmal verpasst hat, der muss lange warten auf die nächste Fête. Sie findet erst wieder in gut 20 Jahren statt. Manche werden bis dato nicht leben. Ob 2039 oder 2040 die Westschweiz noch eine privilegierte Weinbauregion bleibt, muss sich zeigen. Der Klimawandel bedroht auch die Lavaux-Region rund um Lausanne und Vevey.
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