9041 Foto Zoller WattwurmArtenvielfalt und Lebensräume

Sabine Zoller

Neuharlingersiel (Weltexpresso) - Novembergrau und kurze Tage sind kein Grund zum Trübsal blasen, denn es gibt auch an solchen Tagen spannende Abenteuer zu erleben. So gänzlich ohne Massenandrang lässt sich zum Beispiel eine Watt-Wanderung in Neuharlingersiel genießen. „Normaler Weise führe ich bis zu 50 Personen ins Watt“, erklärt Bernd Koopmann zu Beginn der Führung. Der Meeresbiologe und zertifizierte Nationalparkführer ist mit hohen Gummistiefeln unterwegs und informiert eine kleine Gruppe an interessierten Urlaubern über die Gefahren bei Wattwanderungen. „Wer im Sommer barfuß, oder jetzt mit Socken ins Watt geht, darf die Muschelfelder nicht unterschätzen. Gerade Miesmuscheln sind spitz und können Schnittwunden verursachen.“

Dann also lieber mit ein paar ausgedienten Turnschuhen die Wanderung beginnen, die schon in Strandnähe zu erheblichen Einschränkungen beim „normalen“ 9002 Foto Zoller Biologe KoopmannGehen führt. Der Schlick bleibt an den Fußsohlen kleben und macht die Beine schwer. Langsam folgt die Gruppe dem Biologen, der sukzessive Auskünfte über den außergewöhnlichen Wert der Naturlandschaft vermittelt. „2009 wurde das Watteneer von der UNESCO für sein außergewöhnliches Naturphänomen zum Weltkulturerbe anerkannt.“ Begeistert von der einzigartigen Vielfalt berichtet Koopmann von einer Fläche, die sich entlang der Nordseeküste von den Niederlanden über Deutschland bis nach Dänemark auf einer Fläche von rund 11.500 Quadratkilometer erstreckt. „Und hier in Neuharlingersiel stehen wir fast genau in der Mitte dieses großartigen Weltnaturerbes mit seiner einzigartigen biologischen Vielfalt.“ Für die weltweit herausragende Bedeutung dieser Vielfalt sind Lebewesen verantwortlich, die mit Ebbe und Flut leben können und sich ebenso mit dem Salzgehalt des Wassers arrangiert haben.

9019 Foto Zoller Gruppe im WattAls Beispiel nennt Koopmann den Wattwurm (Foto oben), der unter extremen Umweltbedingungen überleben kann und sich durch seine charakteristischen, an Spaghetti erinnernden Kothaufen den Wanderern bemerkbar macht. Sichtbar wird der Wattwurm allerdings nur bei „Grabungen“, denn er lebt in den sandigen Tiefen des Wattenmeeres, wo er in Tiefen bis zu zwanzig Zentimetern in seinen Wohnröhren zu finden ist. Kraftvoll stößt Koopmann seiner Schlickgabel in das Watt und beackert die Oberfläche auf der Suche nach den Wattwürmern, die durch ihre Lebensweise maßgeblich zum Gleichgewicht des Ökosystems beitragen.

„Der Wattwurm ernährt sich von Sand“, so der Biologe Foto rechts), der darauf hinweist, dass der Sand Nährstoffe wie Algen und Pflanzenreste enthält, die der Wattwurm zur Nahrungsaufnahme herausfiltert und dann den Rest-Sand als Kot ausscheidet. Im Zuge dieses Stoffwechselprozesses werden nicht nur abgestorbene Pflanzenreste verwertet, sondern auch Sauerstoff und Nährstoffe produziert, die anderen Tieren des Wattenmeers wiederum als Lebensgrundlage dienen. Mit seinen Erläuterungen zeigt der Biologe in nur knapp 60 Minuten die weitreichende Bedeutung für den Erhalt der biologischen Vielfalt im Watteneer auf. Ein Besuch, der sich auch an eine grauen Novembertag lohnt.

Fotos:
©Sabine Zoller