Barbara Werner /Hanswerner Kruse
Kardan/Tschechien (Weltexpresso) - Seit fünf Tagen ist die Pilgerin Barbara Werner nun auf den Spuren ihres Großvaters, der in Dresden als Polizist für die Wehrmacht arbeitete und Anfang Mai 1945 desertierte.
Von dort aus kam er auf verschlungenen Wegen in 19 Tagen nach Schlüchtern-Hohenzell. Seine Enkelin folgt - aus gesundheitlichen Gründen - seiner Wegstrecke mit dem Fahrrad (wir berichteten).
Wir veröffentlichen Auszüge aus ihrem Tagebuch:
3. Mai: In Tschechien
Und wie kam er an etwas zu essen? Er hatte ja seine Uniform noch an, war damit als Soldat erkennbar. Und der Krieg war noch nicht zu Ende. Ich denke, er hatte einfach Glück, dass er die richtigen Leute um Hilfe gebeten hatte.
So wie ich auch unterwegs freundliche Menschen treffe, die mir Auskunft geben, oder ein nettes Gespräch im Geschäft beim Einkaufen. Vom Hass, den die Tschechen damals auf die Deutschen hatten, davon ist heute nichts mehr zu spüren. Es sind wohl neue Generationen nachgekommen, die davon frei sind. Und das ist gut so.
Mein Ziel Kadan habe ich nachmittags erreicht und freundliche Aufnahme in einer Pension gefunden. Und jetzt ist ausruhen angesagt.
4. Mai: Wie ging es meinem Großvater?
In der Nacht los und hoch in das Erzgebirge, das stelle ich mir sehr schwierig vor. Aber er hatte es mit viel Geschick und sicher einer Portion Glück dabei geschafft.
Er war bestimmt in Gedanken bei seinem Sohn (meinen Vater), der an diesem Tag elf Jahre alt wurde, das hat ihm sicher die nötige Kraft und Ausdauer gegeben. Und doch war da die Ungewissheit, wie sah es zu dem Zeitpunkt in Schlüchtern-Hohenzell aus? Er schrieb in seinem letzten Brief von Dresden aus:" Ich habe gehört, dass die Amerikaner durchs Kinzigtal ziehen, die Stadt Gelnhausen wurde genannt, nicht aber Schlüchtern. Wie wird es bei euch sein, ich weiß, wo Soldaten durchziehen, da bleibt nicht viel."
Als ich den Höhenzug bei Oberwiesenthal erreiche und es endlich wieder bergab geht, bin ich froh und erleichtert, diesen schwierigen Abschnitt geschafft zu haben. In Rittersgrün finde ich Quartier und mein Fahrrad übernachtet in bester Gesellschaft.
5. Mai: Verwirrende Wege
Die Ortsangaben von meinem Opa zur heutigen Strecke waren etwas verwirrend. Ich bin sie aber trotzdem so gefahren wie er angegeben hat. Von Rittersgrün über Arnoldshammer, Langenberg, Schwarzbach bis Schlettau. Und von dort ging es wieder zurück nach Schwarzbach, Langenberg und schließlich nach Schwarzenberg. Hier habe ich mich im Neustädter Hof einquartiert. Und ein informatives Gespräch mit dem Mitarbeiter an der Rezeption geführt.
Dieser Richtungswechsel in seiner Wanderung kam anscheinend daher, weil die Amerikaner inzwischen so weit vorgestoßen waren, dass er ausweichen musste. Da die Amerikaner und die Russen sich aber vorher schon darauf geeinigt hatten, dass Sachsen unter russische Besatzung kommen sollte, zogen sich die Amerikaner wieder zurück. Und so war dieses Gebiet eine Zeitlang besatzungsfrei. Eine interessante Geschichte.
Der Mitarbeiter nannte mir auch eine Buchempfehlung zu diesem Thema. Da werde ich dranbleiben.
Fortsetzung folgt
Fotos:
© Barbara Werner