Auf den Spuren ihres Großvaters von Dresden nach Schlüchtern (4)
Barbara Werner / Hanswerner Kruse
Schwarzenberg (Weltexpresso) - Seit über einer Woche ist Barbara Werner unterwegs. Sie folgt der Fluchtroute ihres Opas vor 79 Jahren und berichtet täglich von ihrer weltlichen Pilgerreise. Wir fassen immer einige Tage zusammen und veröffentlichen sie hier im Weltexpresso.
Bisherige Berichte
Heute will ich nicht gleich weiterfahren, sondern zunächst versuchen, in der Tourist Info Schwarzenberg etwas über die letzten Kriegstage zu erfahren. Und tatsächlich, ich werde fündig.
Schwarzenberg war während des zweiten Weltkriegs kaum von direkten Kampfhandlungen betroffen. Die Stadt war in erster Linie ein Zufluchtsort für Flüchtlinge und Evakuierte. Weit vor Kriegsende auf den Konferenzen von Jalta wurde auch. die Teilung Deutschlands in vier Besatzungszonen festgelegt.
Mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands im Mai 1945 wurden die Kampfhandlungen eingestellt und die alliierten Truppen erhielten den Befehl nicht weiter vorzurücken. Die sowjetische Armee marschierte am 8. Mai in Annaberg ein und die US- Armee zog sich von Aue an die Grenze nach Hartenstein, Auerbach und Zwickau zurück. Dazwischen entstand ein 2000 Quadratkilometer großes Gebiet, das für sechs Wochen unbesetzt blieb. Und mein Großvater befand sich da mittendrin.
Das erklärt seine teilweise rückwärtsgewandten Ortsangaben.
Mein Etappenziel für heute hieß Hundshübel, das ich auch am Nachmittag erreichte. Leider stellte sich heraus, dass ich hier kein Quartier finde. So musste auch ich ein Stück zurück und fand schließlich in Eibenstock eine Übernachtungsmöglichkeit. Zwischendurch hatte es geregnet, da war ich froh endlich ein Dach über dem Kopf zu haben.
7. Mai
Gestern Abend der Blick aus dem Hotelzimmer und der Wetterbericht für heute waren ziemlich ernüchternd. Aber jammern nutzt nichts, also losfahren, auch wenn‘s regnet. Zum Glück war mein heutiges Ziel nur 15 Kilometer weit. Aber wenn eine Umleitung angegeben ist, dann kein Internetempfang mehr, es gibt immer wieder Funklöcher, da wird die Sache interessant. Und als der Weg plötzlich in einen Wiesenweg übergeht und dann in einer Waldschonung endet, da hört der Spaß auf.
Jetzt ruhig Blut bewahren und kurz überlegen. Zurück wollte ich nicht, denn das hieße ein Stück bergauf, bei Regen, nein, also weiter. Die Schuhe waren eh schon quaknass, an der Wiese entlang und dann komme ich auf einen Waldweg. Der entwickelt sich zu einem Schlammpfad und ich muss schieben.
Ein großer Holztransporter steht plötzlich auf dem Weg und ich frage den Fahrer, wie ich zur Straße komme. Der gibt mir Auskunft und es dauert nicht allzu lange, bis ich wieder auf dem richtigen Weg bin.
Mein Zielort Morgenröthe-Rautenkranz habe ich bald erreicht und finde bei netten Leuten ein Quartier. Beim Gespräch nach dem woher und wohin, erfahre ich, dass auch hier eine Fluchtgeschichte, der Vater des Vermieters, die Familie geprägt hat. Ich bekomme sie zum Lesen, da brauche ich kein Fernsehen, das Leben ist allemal spannender.
8. Mai
Heute morgen habe ich es etwas langsamer angehen lassen, der Regen sollte bald nachlassen und ich bin um 9 Uhr gestartet. Die Strecke führte mich über 20 Kilometer von Hammerbrücke bis Falkenstein. Heute am 8. Mai vor genau 79 Jahren war offiziell der 2. Weltkrieg zu Ende. Ob mein Großvater das auch gleich erfahren hatte? Er war zu dem Zeitpunkt mit einem Kameraden unterwegs. Hier bei Falkenstein lief er mit ihm in ein amerikanisches Gefangenenlager und kam mit viel Glück am anderen Ende wieder heraus.
Ich wollte über diese Zeit gerne mehr erfahren, aber leider waren Heimatmuseum und Rathaus geschlossen. Lediglich im Internet konnte ich nachlesen, dass die Amerikaner zu dieser Zeit hier waren, sich aber dann zurückzogen.
Fortsetzung folgt
Fotos:
© Barbara Werner