Per Pedale die Schönheiten des Blackwater-Valleys in Irland entdecken
Harald Lutz
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Bereits bei der Abfertigung am Flughafen nach Cork in der Republik Irland erklingen zarte Saitentöne der irischen Harfe. Eine junge Frau sitzt an dem voluminösen Instrument und trägt mit ihrem Spiel entscheidend dazu bei, dass diese oftmals hektische Prozedur am Schalter heute sehr entspannt abläuft. Ein netter „Extraservice“.
Unser Reiseziel ist der Südwesten Irlands. Wir wollen in mehreren Tagesetappen den „Blackwater-Valley-Radweg“ erkunden, der nordwestlich von Cork City in Rathmore (Grafschaft Kerry) beginnt und sich auf wenig vom Autoverkehr belasteten Landstraßen 193 Kilometer quer durch die Grafschaft Cork über die Orte Mallow, Fermoy und die Hafenstadt Youghal bis nach Midleton, dem Herz der irischen Whiskeyproduktion, östlich von Cork City erstreckt. Neben dem Radfahren haben wir ausreichend Zeit für die Schönheiten der Landschaft und die Sehenswürdigkeiten an der Strecke eingeplant.
Am Flughafen erwartet uns bereits Noel, der sich in den nächsten Tagen um unsere zusammengewürfelte sechsköpfige Fahrradgruppe aus ganz Deutschland kümmern wird. Es geht direkt zum Fahrradverleih. In einem kleinen, bunt angemalten Häuschen suchen wir für die jeweilige Körpergröße passende Räder aus, stellen die Sattelhöhe korrekt ein, überprüfen die Bremsen und den Reifendruck usw. Erst danach wird die Unterkunft bezogen. In Cork City, der mit ca. 200.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt der Republik Irland, beeindrucken u.a. die St. Patrick Street mit ihren an übergroße Segel erinnernden Lampen, der Englische Markt und der „Red Abbey“-Turm, der Rest eines Augustinerklosters und das ältestes noch erhaltene Gebäude der Stadt am Fluss Lee.
Ausgestattet mit Kartenmaterial und jeder Menge Tipps
Unsere individuell etwas abgeänderte Tour beginnt in Fermoy nördlich von Cork City, direkt am Blackwater-Fluss, dem Namensgeber unser Fahrradstrecke. Ausgestattet mit gutem Kartenmaterial und jeder Menge Tipps macht sich die Gruppe auf den Weg in Richtung unseres ersten Etappenziels, des Städtchens Mallow.
Noel fährt einen roten Kleinbus, der unser Gepäck transportiert. Während des Tages können wir im Notfall über Handy jederzeit Kontakt mit unserem „Guide“ aufnehmen. Darüber hinaus haben wir feste Treffpunkte auf der Strecke vereinbart.
Die alles beherrschende Farbe in Irland ist grün. Nicht zu Unrecht preisen die Protagonisten der traditionellen irischen Musik wie Christy Moore oder Mary Black in ihren Liedern die 40 verschiedenen Schattierungen der Farbe Grün auf der Insel. Die Gruppe radelt überwiegend durch Hügellandschaften. Auf durchaus kräftige Anstiege folgt regelmäßig der Lohn schöner Abfahrten. Schon bald erreichen wir einen ersten Blickfangpunkt an der Strecke: Ein frühzeitliches Steingrab. „Dieses Monument bezeugt eine 4000 Jahre zurückliegende keltische Besiedlung Irlands“, erklärt uns Noel.
Die Mittagspause kann preiswert in den irischen Pubs eingenommen werden. Oftmals besorgen wir uns auch nur ein paar Sandwiches. „Mit zu vollem Magen komme ich nach der Mittagspause keinen dieser Hügel mehr hinauf“, macht nicht nur Mitradlerin Anna ihre spezifischen Irland-Erfahrungen. Es geht weiter vorbei an Farmhäusern, Rundtürmen, in den sich einst die Mönche vor den Wikingerüberfällen in Sicherheit gebracht haben, alten Kirchen und vielen Burgruinen. Es hätte der eine oder andere Wegweiser an der Strecke mehr aufgestellt sein können.
Am Ende eines wunderschönen, nicht zu heißen Radlertages erreichen wir unser Etappenziel im Norden der Grafschaft Cork. Wir treffen Noel direkt am Mallow Castle, auf dessen Grundfläche seit dem 12. Jahrhundert vier verschiedene Festen errichtet wurden. Heute sind noch die Ruine des Old Mallow Castle und die jüngste, im Landhaus-Stil errichtete Version zu besichtigen.
Nach einem prächtigen Dinner gehen wir anschließend noch der Frage nach, welches der berühmten irischen Dunkelbiere (Irish Stout) Guiness, Murphies oder das in Cork gebraute Beamish wohl das Beste ist. Manche aus der Gruppe bevorzugen allerdings das eher rötliche und leichtere Smithwicks (Ale). Da wir aber primär zum Fahrradfahren gekommen sind und morgen früh wieder Fitness gefragt ist, wird überwiegend in kleinen „Halfpint“-Gläsern getestet.
Typisch irisches Wetter kann uns nicht schrecken
Am Morgen erwartet uns eine unschöne Überraschung: Das Wetter hat sich eingetrübt, tief hängende dunkle Wolken wirken bedrohlich. Die alle gleichermaßen beschäftigende Frage lautet: Werden wir wohl trocken durch den Tag kommen?
Trotz der feuchten Bedrohung radeln wir weiter auf den alten Landstraßen des Blackwater-Tal-Fahrradweges, den wir nur selten mit Pkw oder Lastkraftwagen teilen müssen. Der Hauptautoverkehr fließt heute auf neuen, in den zurückliegenden Jahren mit EU-Geldern geförderten Verkehrsadern. Manchmal radeln wir entlang einer Allee mit altem Baumbestand. Meistens jedoch geht es durch Farmland mit grünen Wiesen, Weizen- und Zuckerrübenfeldern.
Etwa auf halbem Wege in Richtung unseres Etappenziels Youghal erwischt es uns doch noch: Erst beginnt es zu tröpfeln, dann wird der Regen immer stärker und hält für den Rest des Tages an. „Eben typisches irisches Wetter“, witzelt jemand. Wir radeln in Regenjacken tapfer weiter. Am Etappenziel in dem Hafenstädtchen Yougahl, das auch als Filmkulisse für die Romanverfilmung von „Moby Dick“ berühmt wurde, sind wir völlig durchnässt und geschafft. Alle freuen sich auf die heiße Dusche im Hotel.
Tags darauf lacht wieder der Sonnenschein. Wieder hat sich das Wetter über Nacht vollkommen gewandelt. Es verspricht ein sehr heißer Sommertag zu werden. Leider ist es bereits unsere Schlussetappe.
Obwohl Noel eine Flachetappe verspricht, müssen auch heute wieder einige der innig geliebten Hügel bewältigt werden. Nicht ganz freiwillig nehmen wir auch eine kleine Streckenzugabe in Kauf: An einer unübersichtlichen Kreuzung sind wir einem windschiefen Wegweiser in die falsche Richtung gefolgt. Im nächsten Ort bemerken wir unseren Irrtum. Kein ernsthaftes Problem: Ein freundlicher Bauer weist uns auf den richtigen Weg zurück.
In der lebhaften Kleinstadt Midleton angekommen, dem Ziel unserer Fahrradtour entlang des Blackwater-Valley-Radweges, haben wir uns alle ein leckeres Eis verdient. Etwas rot an Armen und Gesicht, aber glücklich, ruhen wir uns aus. Bevor es im Kleinbus zurück nach Cork geht, werfen einige noch einen Blick in die altehrwürdige Midleton Whiskey-Brennerei. Wer hätte in Deutschland vorher gedacht, dass man sich im „regnerischen Irland“ auch einen richtigen Sonnenbrand zuziehen kann?
Foto:
Karte Blackwater Valley-Radweg: Cyclingcork
Alle weiteren Bilder: ©South East Irland Tourism
Info:
Nützliche Links zum Thema:
https://cyclingincork.blogspot.com/2023/09/blackwater-valley-cycle-route-maps.html
ttps://www.youtube.com/watch?v=EZOYWiZrTPo
https://www.corkkerry.ie
https://www.southeastireland.com
Autoreninfo: Harald Lutz lebt und arbeitet als Fachjournalist und Technikredakteur in Frankfurt am Main.