Unterwegs auf dem „Vogtlandpanoramaweg“, Teil 6/6

 

Thomas Adamczak

 

Wiesbaden (Weltexpresso) - Die Menschen mit all dem, was sie anstellen, lassen einen harmlosen Waanderer auch im Wald nicht in Ruhe. Im Zinsbachtal unweit von Morgenröthe-Rautenkranz stoße ich mal wieder auf eine besondere Informationstafel: „Wilddieberei und Förstermord“.

 

1903 nahm in dieser Gegend, so ist der Tafel zu entnehmen, die Aktivität von sogenannten Wilddieben überhand. Forstassessor Philipp Herbel und „Waldwärter“ Gustav Röder patrouillierten durch den Wald, um den Wilddieben das Handwerk zu legen, steht auf der Tafel. Der eine muss den anderen angerufen haben, ohne ihn zu erkennen. Beide schossen gleichzeitig und trafen sich tödlich. Auf der Erinnerungstafel der Mitarbeiter des Forstbezirks Eibenstock wird an diesen vermeintlichen „Unglücksfall“ vom 23.5.1903 erinnert. Wieso aber wird auf der Tafel von „Förstermord“ gesprochen?

 

Keine Erläuterung dazu. Zeugen gab es nicht. Die Beteiligten waren sofort tot. Warum diese reißerische Überschrift, die suggeriert, dass der eine den anderen absichtlich töten wollte, dabei aber selber tödlich getroffen wurde?

 

Die nächste Tafel ist wieder was für den Naturliebhaber: „Lebensraum Feuchtwiese“: Abbildungen von Mädesüß, Sumpfbaldrian, Sumpfstorchschnabel, Teufelsabbiss, Pfeifergras.

 

Also die Feuchtwiese nach den angegebenen Pflanzen durchkämmen. Ich verpflichte mich, den Weg erst fortzusetzen, wenn ich mindestens zwei der angegebenen Pflanzen entdeckt habe. Wie lange das gedauert hat? Wird nicht verraten!

 

Die nächste Infotafel ist weniger aufwendig. Bäume mit gelben Farbtupfern, erfahre ich, werden geschont, während die mit roten Farbtupfern geschlagen, also gefällt werden. Die Bäume, die gerade gewachsen sind, nicht viel Äste und Gabelungen haben, kriegen den gelben Farbtupfer, werden beim Durchforsten verschont.

 

Nach sechs, sieben Stunden Herumgestiefele im Wald braucht’s abends was Deftiges zu futtern. Vogtländer Sauerbraten zum Beispiel, mit Lebkuchensoße, Rotkraut und Klößen. Im Hotel „Forstmeister“ leiste ich mir ein 4-Gang Kräutermenue: Käserolle mit grünem Brötchen, Gänseblümchensuppe, Forelle im Beinwellmantel, Eis mit Fichtennadeln im Schokomantel. Dazu Schwarzbier aus dem Erzgebirge, das mir besser schmeckt als dunkles Bier bei mir zuhause, das der Supermarkt führt.

 

 Der Vogtlandpanoramaweg, der VPW, heißt vermutlich so, weil er schlecht „VW“ als Abkürzung von „Vogtlandweg“ genannt werden konnte. Panoramen? An verschiedenen Stellen schon, so dass der Name des Weges hingenommen werden kann. Eindrucksvoll zum Beispiel der Blick auf die Göltzschtalbrücke, der man auf dem VPW zweimal begegnet. Wenn der Weg an der Weißen Elster oder der Göltzsch entlang führt, bieten sich Blicke, die sich besonders einprägen.

 

Auf dem letzten Tagesabschnitt gehe ich entlang der Göltzsch, der man, wenn sie so harmlos tuend dahinplätschert, gar nicht zutraut, welch reißender Fluss sie bei Hochwasser werden kann. Mehrfach waren schon größere Teile von Greiz überschwemmt, das letzte Mal im Juni 2013. Eine ungefähre Vorstellung von der Gewalt des Wassers vermitteln die Markierungen, die an die Jahre mit besonders hohen Wasserständen erinnern.

 

Ich genieße den letzten Tag der Wanderung, ohne mich um drohendes Hochwasser kümmern zu müssen. Das Wetter: prächtig. Der Rundwanderweg insgesamt, denn es ist Zeit, Bilanz zu ziehen: großartig.

 

Mir schwirren viele erinnerungswürdige Bilder durch den Kopf. Da sehe ich, im Wasser des Flüsschens stehend, zwei Männer in Latzhosen aus Gummi. Beschäftigt wirken sie.

 

Ich: Nanu! Fragegesicht.

Beide, wie aus einem Mund: Goldsucher seien sie.

Ich: Na so was! (Was hätten Sie denn gesagt?) Und. Ist nicht die Möglichkeit.

Die Goldsucher: Dochdoch!

 

Ich hocke mich ans Ufer und lasse die Goldsucher erzählen. Sie erwähnen einen ehemaligen Vulkan bei Zwickau, der vor Millionen von Jahren aktiv war. Das soll die Erklärung für das Gold sein. Es gibt keinen Zweifel: Fluss führt tatsächlich Gold. Edelsteine ebenfalls.

 

Sie zeigen mir winzige Goldklümpchen, Splitter aus Gold. Edelsteinchen. 5mm mal 5 mm! Die werden in Thailand geschliffen. Ich rutsche näher ans Ufer und staune über die glitzernde Pracht, staune noch mehr, als ich ins Rutschen gerate und plötzlich brusttief neben den beiden Goldsuchern im Wasser stehe. Nasse Klamotten, nasse Wanderschuhe. Triefend nass alles, als ich sozusagen wieder an Land stehe.

 

Wie lange dauert es, bis Klamotten, die man im Wald auf einem sonnigen Platz zum Trocknen aufhängt, trocknen? Alles ausziehen? Mir dauerte es jedenfalls zu lange obwohl ich ein feines verstecktes Plätzchen gefunden hatte. Es ging zu wenig Wind, und immer wieder hielten Wolken die Sonnenstrahlen davon ab, ihr freundliches Werk zu tun.

 

Kurz: Natürlich geht es, in nassem, quietschendem Zeug zu laufen. Es geht. Man geht sogar schneller als sonst, versucht unbeteiligt bis uninteressiert zu gucken, wenn einem Wanderer begegnen, die zu glotzen beginnen. Man achtet mehr als üblich auf die Art, wie man geht, versucht zwischendurch durch Pfeifen diverser Liedchen den Eindruck zu erwecken, man sei bester Laune und alles in Ordnung.

Aber froh war ich dann doch, als ich das Quartier endlich erreicht hatte und das nasse Zeug abstreifen konnte.

 

Ach so, noch ein Nachtrag zu den Goldsuchern. Sie baten mich, falls ich was über sie schreiben sollte, auf keinen Fall die genaue Stelle anzugeben, wo sie nach Gold schürfen. Und die erzählten noch, dass es bei Goldsuchern üblich sei, wenn sie in einer Gruppe nach Gold suchen, abends alle gefundenen Steine und Splitter zusammenzulegen und dann könne jeder reihum ein Klümpchen nehmen, bis nichts mehr zu verteilen sei. Solidarität unter Goldsuchern! Wenigstens bei denen klappt die, geht mir durch den Sinn.

 

Abends nehme ich Abschied von Greiz, wo gerade „Sekt in der City“ veranstaltet wird. Das Stadtfest soll Einwohner animieren, abends in die Stadt zu kommen um einzukaufen oderoder… Sekt gibt’s in jedem Geschäft gratis. Auf den Plätzen allerlei Spektakel. Neben der italienischen Eisdiele spielt ein Gittarist, mit dem ich ein wenig plaudere. Lehrer in der städtischen Musikschule ist er, hat ein Repertoire, das für 10 Stunden reicht, erzählt er nicht ohne Stolz. In einer Mappe kann man sich die Lieder aussuchen, die er für das umstehende Publikum spielen kann. Ich wähle „Moskau“ und denke an die Ukrainekrise. Dann suche ich mir noch „What a wonderful world“ von Armstrong aus. Das passt als Schlusspunkt zu meiner Rundwanderung im Vogtland, auf dem Vogtlandpanoramaweg.

 

Fotos:

Titel: Weie -Elster mit Oberem Schloss in Greiz, © augustustours

Foto 2: St. Trinitatiskirche in Bad Elster, © augustustours

 

INFO:

AugustusTours organisiert seit 1998 individuelle Aktivreisen mit Gepäcktransport entlang der schönsten Rad- und Wanderwege Deutschlands. Neben der genauer Planung der Reiseroute kümmert sich der Reiseveranstalter um die Buchung rad- und wanderfreundlicher Unterkünfte und übernimmt zudem den Transport des Reisegepäcks von Unterkunft zu Unterkunft. Auch Tourenräder oder E-Bikes können von AugustusTours für Radreisen zur Verfügung gestellt werden. Mit über 7700 eigenen Radkilometern und mehr als 400 Wanderkilometern in den Beinen ist das Team von AugustusTours aktiv reisen ein kompetenter Ansprechpartner für Rad- und Wanderreisen in Deutschland.

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