Lungau feiert 200. Jubiläum des Lied-Klassikers

Notker Blechner

Mariapfarr/ Salzburger Land  (Weltexpresso) - Für viele Menschen gehört das "Stille Nacht"-Lied zum Heiligabend wie der Weihnachtsbaum und die Geschenke. Wohl kaum einer weiß, dass der Text zum beliebtesten aller Weihnachtslieder vor 200 Jahren von Joseph Mohr aus Mariapfarr geschrieben wurde. Im Lungau im Salzburger Land wird die Erinnerung an Mohrs Gedicht wachgehalten - und wie!


In anderen Orten auf der Welt würde wahrscheinlich bei solchen Anlässen an allen Ecken und aus allen öffentlichen Gebäuden ständig die Melodie "Stille Nacht" erklingen. Nicht so in Mariapfarr, rund 100 Kilometer von Salzburg. Dort wird der Weihnachtshit, der inzwischen in mehr als 200 Sprachen übersetzt wurde, nur an Heiligabend angestimmt. Es an anderen Tagen zu singen, bleibt ein Tabu, betonen die Einwohner.

Dennoch tut die Region Lungau im Salzburger Land einiges, um an die Entstehungsgeschichte von "Stille Nacht, heilige Nacht" zu erinnern. Alleine sieben Orte machen bei den 200-Jahr-Feierlichkeiten mit: von Salzburg, Oberndorf, Arnsdorf, Hintersee, Hallein, Wagrain bis Mariapfarr.



Ausstellung, neues Museum und eine sanierte Kirche

In Oberndorf wurde kürzlich ein weiteres Stille-Nacht-Museum eröffnet, das die Geschichte des berühmten Weihnachtslieds zeigt. In Hintersee wurde eine neue Joseph-Mohr-Gedächtniskapelle errichtet, zu der bald ein Stille-Nacht-Themenweg führen soll. In Arnsdorf rückt eine Ausstellung die weniger bekannten drei der sechs Strophen von "Stille Nacht" in den Vordergrund. Und in Mariapfarr wurde die Wallfahrtskirche aufwendig für zwei Millionen Euro renoviert, damit sie zum Jubiläum in neuem Glanz erstrahlt. Mehrere Konzerte finden dort statt, zuletzt trat die bekannte Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager auf. "Das ist eine einzigartige Atmosphäre hier", schwärmt sie.

Unweit der Kirche steht das Pfarr-, Wallfahrts- und Stille-Nacht-Museum. Dort wird neben Festagskelchen, Kirchenschmuck und Madonnen-Figuren die Lebensgeschichte von Joseph Mohr dargestellt, dem inzwischen wohl berühmtesten Bürger von Mariapfarr. Dabei stammte Mohr aus ganz ärmlichen Verhältnissen. Er kam 1792 als drittes von vier unehelichen Kindern einer Strickerin aus Salzburg zur Welt. Sein Vater desertierte aus dem Erzbischöflichen Dienst.

Ein Vikar des Salzburger Domchors nahm den jungen Mohr in seine Obhut und förderte sein Talent. "Ihm fiel schon früh die gute Stimme des Jungen auf", erzählt Christa Pritz vom Stille-Nacht-Museum. So konnte Mohr ein Gymnasium besuchen und Philosophie studieren. Danach trat er ins Priesterseminar ein und wurde zum Priester geweiht.



Text entstand im "Katastrophenjahr"

Seine erste Stelle als Hilfspfarrer trat Mohr in Mariapfarr an. Dort schrieb er 1816 den Text für "Stille Nacht, heilige Nacht" - ausgerechnet in einem Jahr, in dem viele an den Weltuntergang glaubten. "1816 war ein Jahr ohne Sommer", erinnert sich Museumsführerin Christa Pritz. Ein Vulkanausbruch in Indonesien verdunkelte monatelang die Atmosphäre, die Ernten fielen aus und Millionen Menschen starben an Hunger.

Ein bisschen Inspiration könnte Mohr von einer Altartafel im Pfarrhof bekommen haben, wo ein Knabe mit lockigem Haar abgebildet ist. Letztlich dürfte es aber vor allem die Sehnsucht nach Frieden, Geborgenheit und Familie gewesen sein, die den Hilfspfarrer zu seinem Gedicht antrieb, glaubt Christa Pritz.



Kirchenmäuse ermöglichten die Lied-Premiere 1818

Bis Mohrs anrührende Zeilen vertont wurden, dauerte es nochmals zwei Jahre. Erst an Heiligabend 1818 wurde erstmals in der Nikolaus-Kirche in Oberndorf "Stille Nacht, heilige Nacht" öffentlich gesungen - von Joseph Mohr in Tenor und Organist Franz Xaver Gruber in Bass. Und das auch nur weil die hungrigen Kirchenmäuse den Blasebalg der Orgel so stark angenagt hatten, dass sie keinen Ton mehr von sich gab. In der Not überreichte Mohr Gruber sein verfasstes Gedicht mit der Bitte, es doch schnell zu vertonen. Seither gilt Gruber als der Komponist des Lieds – und wird in Oberndorf entsprechend gehuldigt.

Ein Orgelbauer fand bei der Reparatur der Orgel einen Zettel mit Text und Noten, den er mitnahm ins Zillertal, von wo aus das Lied allmählich die Welt eroberte. "Lange dachte man, das Lied komme aus dem Zillertal", sagt Christa Pritz vom Stille-Nacht-Museum. 1822 sang die international bekannte Tiroler Sängerfamilie Rainer den Hit dem russischen Zar Alexander I. und dem österreichischen Kaiser Franz I vor. Ein paar Jahre später kam das Lied auch in Deutschland an: In Leipzig wurde es erstmals 1831 aufgeführt. Bald wurde es zum Lieblingslied von König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. 1839 wurde das Stück von Zillertaler Sängern erstmals in New York aufgeführt.



Vom Friedenslied zum Unesco-Kulturerbe

Im Ersten Weltkrieg erklang das Lied in beiden Seiten der Schützengräben, als zu Weihnachten kurz die Waffen schwiegen. Und die Japaner sollen es 1945 in einer Kirche von Nagasaki nach dem Atombombenabwurf durch die USA gesungen haben. Seit 2011 ist das Lied als nationales immaterielles Unesco-Kulturerbe Österreichs anerkannt.

Von der Erfolgsgeschichte seines vertonten Gedichts hat Joseph Mohr nichts mehr mitbekommen. Er starb völlig verarmt 1848 in Wagrain an einer Lungenlähmung. Erst ein 1996 entdecktes Schriftstück belegt eindeutig, dass Mohr der Verfasser von "Stille Nacht! Heilige Nacht" war.



Startschuss für 200-Jahr-Feierlichkeiten

Mit der Erinnerung an die Entstehung des Liedtexts hat das Salzburger Land die Feierlichkeiten zum 200. Jahrestag des Lieds gestartet. Höhepunkt wird in zwei Jahren das Jubiläum der Vertonung des Texts sein. Dann könnte sogar Papst Franziskus in den Lungau kommen, hoffen die Tourismus-Manager im Salzburger Land - und sich den Weihnachtshit live vor Ort anhören.

 

Foto: Stille Nacht Autograph (c) Salzburger Land


Info:

Stille-Nacht-Museum Mariapfarr
http://www.wallfahrtsmuseum.at/

Stille-Nacht-Gedenkstätten im Salzburger Land
http://www.salzburgerland.com/de/advent-stille-nacht/stille-nacht/stille-nacht-gedenkstaetten.html
Stille-Nacht-Museum in Mariapfarr
geöffnet Mo. und Do., 16-18 Uhr, Mai und Nov. geschlossen