Hubertus von Bramnitz
Frankfurt am Main (weltexpresso) - Ein Frankfurter Masterstudiengang wird zum internationalen Prototyp: Mit Unterstützung des DAAD gibt es den praxisorientierten Masterstudiengang „Filmkultur: Archivierung, Programmierung, Präsentation“, den das Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Goethe-Universität seit 2013 gemeinsam mit dem Deutschen Filminstitut anbietet, von 2019 an auch in Nigeria.
Was wird aus den Absolventinnen und Absolventen kleiner geisteswissenschaftlicher Fächer wie der Filmwissenschaft? Auf diese Frage gibt der Studiengang „Filmkultur: Archivierung, Programmierung, Präsentation“, der von Goethe-Uni und Deutschem Filminstitut gemeinsam angeboten wird, seit 2013 eine handfeste Antwort. Der Studiengang bildet pro Jahrgang bis zu 20 wissenschaftliche Fachkräfte für Film- und Medienarchive und filmkulturelle Institutionen aus. So gut wie alle, die diesen praxisorientierten Studiengang bisher absolviert haben, konnten direkt ins Berufsleben einsteigen. Das Konzept dieses Studiengangs, der auf Seiten der Goethe-Uni von Junior-Professorin Sonia Campanini und Professor Vinzenz Hediger geleitet wird, dient nun auch Universitäten und Filminstitutionen im Ausland als Inspiration.
Ein Konsortium, in dem das National Film Institute und das National Film, Video and Sound Archive vertreten sind, die zur Nigerian Film Corporation gehören, aber ebenso die University of Jos, wird von Herbst 2019 an den afrikaweit ersten Masterstudiengang für Filmarchivierung und Filmkultur anbieten, der das Frankfurter Erfolgsmodell übernimmt. Nigeria ist laut UNESCO-Statistiken nach Indien das produktivste Filmland der Welt. Rund 1000 Spielfilme pro Jahr erscheinen in Englisch und den drei Hauptsprachen Igbo, Haussa und Yoruba. Verbreitung finden diese Filme auf dem ganzen Kontinent sowie weltweit in der afrikanischen Diaspora.
Die Ausbildung von Fachpersonal für Filmarchivierung und Filmkultur habe in Nigeria eine doppelte Funktion, erklärt Prof. Sonia Campanini: „Es geht um die Etablierung einer Politik und Praxis der Erhaltung des nationalen Filmerbes, zugleich aber auch darum, dieses Erbe in und jenseits von Nigeria zugänglicher und bekannter zu machen.“ Derzeit ist die nigerianische Filmindustrie zwar auf Neuheit fixiert und produziert mehrere neue Filme pro Woche, wird in absehbarer Zeit aber – ähnlich wie die US-Filmindustrie – auch von der längerfristigen Auswertung von beliebten älteren Filmen leben.
Der Studiengang stellt das Know-how und die personellen Ressourcen bereit, die für diesen Übergang erforderlich sind. Für Ellen Harrington, Direktorin des Deutschen Filminstituts, fügt sich die Partnerschaft mit Jos ideal ein in das internationale Profil ihrer Institution: „Der professionelle Austausch mit Partnern in der ganzen Welt gehört fest zum Programm unseres Hauses. Afrika ist ein ungeheuer vielfältiger und produktiver Film-Kontinent, das sehen wir jedes Jahr bei unserem Filmfestival „Africa Alive“ in Frankfurt. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen in Nigeria und auf die wertvollen Impulse und neuen Einsichten, die sich daraus ergeben werden.“
Die Goethe-Universität wird gemeinsam mit dem Deutschen Filminstitut beim Aufbau des Studiengangs eng mit dem National Film Institute und der University of Jos kooperieren. Die Aufbauarbeit ist auf vier Jahre angelegt und umfasst Fellowships für Lehrende aus Jos, die an der Goethe-Universität und am Deutschen Filminstitut sowie bei „Arsenal – Institut für Film und Videokunst“ (Berlin) die Arbeitsweisen im bestehenden Studiengang studieren können, sowie einen intensiven Austausch: Lehrende der Goethe-Universität und Fachleute des Deutschen Filminstituts werden im Co-Teaching mit Lehrenden in Jos die verschiedenen Module des Studiengangs entwickeln und umsetzen. Finanziert wird die Aufbauarbeit vom DAAD im Rahmen des Programms Transnationale Bildung.
Für die Goethe-Universität bestätigt diese Förderung ihr internationales Profil im Bereich Afrikaforschung, von dem auch das in Frankfurt angesiedelte Zentrum für interdisziplinäre Afrikaforschung zeugt. Mit der Kooperation mit der University of Jos und der Nigerian Film Corporation baut die Goethe-Universität ihren Schwerpunkt im Bereich Westafrika/Subsahara-Afrika weiter aus, dem in der Außenpolitik der aktuellen Bundesregierung ein besonderes Augenmerk gilt.
Für Dr. Chidia Maduekwe, den Managing Director der Nigerian Film Corporation, ist die Förderentscheidung des DAAD eine eindrucksvolle Bestätigung der bereits bestehenden bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Nigeria. „Mit dem TNB Archival Studies Master-Programm wollen wir ein nachhaltiges und robustes Ausbildungsprogramm auf dem Postgraduate-Level aufbauen“, so Dr. Maduekwe. „Das Ziel ist es, mit hervorragend ausgebildeten Fachkräften die aktuellen und künftigen Herausforderungen anzugehen, die sich im Bereich Archivmanagement und Forschung zum Filmerbe in Nigeria und Afrika stellen.“
Das „Arsenal – Institut für Film und Videokunst“ hat mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes zuvor am Filmarchiv in Jos die technischen Voraussetzungen geschaffen sowie den nigerianischen Spielfilm SHAIHU UMAR (Adamu Halilu, 1976) restauriert und zur Wiederaufführung gebracht. „Wir freuen uns, dass unsere enge Zusammenarbeit mit der Nigerian Film Corporation und dem Masterstudiengang Filmkultur nun in dieser Form langfristig Früchte tragen kann“, so die Co-Direktorin des Arsenal, Stefanie Schulte Strathaus. „Die Kooperation mit den nigerianischen Partnern, die 2015 durch Didi Cheeka, den Begründer der Lagos Film Society, initiiert worden war, hat ‚Arsenal‘ nachhaltig geprägt, und wir wünschen der Frankfurter Filmwissenschaft eine ebenso inspirierende Zusammenarbeit.“
Entstanden ist die Kooperation zwischen der Goethe-Universität und den nigerianischen Partnern im Rahmen des Projekts „Archive außer sich“, das vom „Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V.“ gemeinsam mit dem Haus der Kulturen der Welt durchgeführt wird und als langfristige kollaborative Serie von Forschungs-, Veranstaltungs- und Ausstellungsprojekten zum filmkulturellen Erbe und seinen Archiven angelegt ist. Die Frankfurter Filmwissenschaft ist einer der Partner dieses Projekts und war unter anderem an der Veranstaltung einer Tagung zu Fragen des Filmerbes in Jos im Oktober 2017 beteiligt.
Foto:
Der Film „Shaihu Umar“ aus dem Jahr 1976 (hier ein Filmausschnitt) erzählt die Lebensgeschichte des Geistlichen Shaihu Umar. Lange Zeit galt der Film als verschollen. 2016 wurden Negative und Filmkopien im Archiv der Nigerian Film Corporation wiederentdeckt und vom Arsenal – Institut für Film und Videokunst mit Unterstützung der Deutschen Botschaft in Abuja restauriert. In diesem Zusammenhang kam es auch zur Kooperation der beiden Hochschulen. © Nigerian Film Corporation
Info:
Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Fachbereich 9, Campus Westend, Junior-Prof. Dr. Sonia Campanini,