Hans Weißhaar
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wie hoch ist die Aussagekraft von Tierversuchen wirklich? Welche menschlichen Organe lassen sich im Reagenzglas nachbilden? Wie kann die Zukunft der personalisierten Medizin mit patienteneigenen Organsystemen gestaltet werden?
Diese Fragen stehen im Zentrum der diesjährigen Friedrich Merz-Stiftungsgastprofessur von Donald Ingber, der Anfang Dezember von der Harvard University für eine Woche an die Goethe-Universität kommt. Ingber entwickelt miniaturisierte, lebende Organsysteme aus menschlichen Zellen, um Krankheiten zu erforschen und neue Therapiemöglichkeiten zu testen.
Der Experte für Bio-Engineering entwickelte Verfahren, lebende menschliche Zellen auf Mikrochips zu miniaturisierten dreidimensionalen Organen wachsen zu lassen. Diese Modelle liefern in vielen Fällen präzisere Informationen als Tierversuche, deren Ergebnisse nur begrenzt auf den Menschen übertragbar sind. Darüber hinaus stellen sie eine zukunftsweisende Möglichkeit dar, Wirkstoffe im Labor zu testen. In der Krebstherapie werden patienteneigene Tumorzellen im Reagenzglas angezüchtet, um eine personalisierte und wirksame Behandlung der individuellen Krebserkrankung zu finden.
Diese faszinierenden neuen Ansätze stellen Prof. Ingber und Prof. Maike Windbergs, die an der Goethe-Universität an Alternativen zum Tierversuch forscht, im Rahmen eines Podiumsgesprächs für interessierte Laien mithilfe von Filmmaterial und Beispielen aus der Forschung und Klinik auf anschauliche und verständliche Weise vor.Podiumsgespräch: Menschliche Organe und Krankheiten im Reagenzglas. Fiktion oder realistische Alternative zum Tierversuch?
am 6. Dezember (Donnerstag) um 18 Uhr
im Arkadensaal des Goethe-Hauses, Großer Hirschgraben 23-25, 60311 Frankfurt.
Weitere Podiumsgäste sind die Landestierschutzbeauftragte Dr. Madeleine Martin und der Forschungsleiter der Firma Merz, Dr. Stefan Albrecht. Merz gehört u.a. zu den Vorreitern bei der Entwicklung von in-vitro-Tests für Botolinum-Toxin.
Bereits am Mittwoch, dem 5. Dezember, diskutieren internationale Fachleute im Rahmen eines Symposiums zum Thema „Modelling health and diseases: from in vitro design to future therapies“ (Ort: Biozentrum, Campus Riedberg, Hörsaal B1, 9 bis 17 Uhr). Zu den Experten gehören u.a. Prof. Andries van der Meer von der Twente Universität in Enschede, Niederlande. Er stellt künstliche Blutgefäße auf Chips dar und bildet damit die Vorgänge bei Thrombosen nach. Prof. Ernst Reichmann von der Kinderklinik in Zürich stellt klinische Studien zur Entwicklung von künstlicher Haut für Verbrennungsopfer vor. In dem Vortrag von Prof. Stefan Hippenstiel von der Charité in Berlin geht es um den Einsatz von menschlichem Lungengewebe zur Nachbildung von Infektionen der Lunge.
Von der Goethe-Universität sind beteiligt: Prof. Florian Greten, Sprecher des Frankfurt Cancer Institute, der über den Einsatz von Testsystemen mit menschlichen Krebszellen für präklinische Wirkstofftests und in der personalisierten Medizin spricht. Dr. Manuel Kaulich vom Institut für Biochemie II berichtet darüber, wie er die Genschere CRISPR/Cas für das großflächige Screening von Wirkstoffen einsetzt, um Resistenzen in der Krebstherapie zu begegnen. Prof. Ernst Stelzer vom Buchmann-Institut für Molekulare Lebenswissenschaften an der Goethe-Universität untersucht mit seiner Arbeitsgruppe Hohlkugeln aus Zellen der Bauchspeicheldrüse, um neue Therapien für Typ-I-Diabetes zu testen. Erstmals werden auch drei junge Post-Doktoranden aus der Pharmazie und der Medizin ihre Arbeiten in Kurzvorträgen vorstellen.
Für Studierende hält Donald Ingber am 6.12. um 10 Uhr eine Vorlesung zum Thema „From Mechanobiology to Biologically Inspired Engineering“ (Ort: Otto-Stern-Zentrum, Campus Riedberg, HS 3). Im Anschluss daran ist eine Stunde für die Diskussion reserviert. Die Fragen haben Studierende des 8. Semesters Pharmazie vorbereitet.
Prof. Donald Ingber ist Gründungsdirektor des Wyss Institute for Biologically Inspired Engineering an der Harvard University. Das Gewebe-Engineering ist nur einer seiner Arbeitsschwerpunkte neben der Mechano-Biologie, dem Gefäßwachstum bei der Tumorbildung, der Systembiologie und der Nanobiotechnologie. Für seine kreativen Ideen erhielt er zahlreiche Auszeichnungen. 2015 wählte ihn das „Foreign Policy“ Magazin zum „Leading Global Thinker“ und das London Design Museum erklärte seine „Organ-auf-dem-Chip-Technologie“ zum „Design of the Year“. Ingber hält 150 Patente und hat fünf Firmen gegründet.