fapp2Eine Veranstaltung des Frankfurter Arbeitskreises für Psychoanalytische Pädagogik in der Goethe-Universität Frankfurt, Teil 1/2

Thomas Adamczak

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Fachtagung des Frankfurter Arbeitskreises für Psychoanalytische Pädagogik (FAPP, e. V.) thematisierte am 9. November 2019 das Thema »Neid, Entwertung, Rivalität: Zum Wert psychoanalytischen Verstehens abgelehnter Gefühle« in drei Vorträgen, und zwar aus soziologischer, psychotherapeutischer und pädagogischer Perspektive. Hans-Jürgen Wirth (Universität Frankfurt) referierte über », Neid, Verbitterung und Ekel als Wesensmerkmale des Ressentiments. Eine sozialpsychoanalytische Annäherung«, Annegret Wittenberger (Kassel) über die Psychotherapie eines sechsjährigen Jungen in »Wenn das meine Polizei-Kollegen wüssten...Von der Projektion zur Integration« und Bernhard Rauh (München) über »Neid, Rivalität und Entwertung in Gruppen. Psychoanalytisch-pädagogisches Arbeit mit tabuisierten Gefühlen«.


In zwölf Arbeitsgruppen [unter anderem: »Der Neid stört oft den Genuss der Parke und Landsitze« (Sigmund Freud) »Über den vergeblichen Versuch, diesen leidigen Affekt im Keim zu ersticken« (Manfred Gersbach), »Neid, Rivalität und Abwertung zwischen verschiedenen Professionen« (Christoph Kleemann) und »Zum unterschiedlichen Umgang mit Neid, Eifersucht und Rivalität in Gruppen - Kulturelle und Genderspekte« (Beatrice Kustor-Hüttl]) wurde die Thematik erweitert und vertieft. Deutlich wurden bei der Fachtagung die drei Sichtweisen der psychoanalytischen Pädagogik: Erstens: gesellschaftliche Verhältnisse der Ungleichheit und Erfahrungen der Diffamierung von einzelnen oder Gruppen in der Gesellschaft. Zweitens: der psychoanalytische Blick auf Zweierbeziehungen sowie die Beziehungen in Familien und Gruppen von Kindern und Jugendlichen. Und drittens: das Szenische Verstehen von Gefühlsreaktionen.

Begegnung mit Menschen rufen in uns Emotionen hervor. Wir verfügen über ein mehr oder weniger feines Gespür für emotionale Regungen anderer, erfassen über verbale und nonverbale Signale, was diese innerlich beschäftigt. Insofern hat unser Gefühlssensorium eine für uns hilfreiche »Wahrnehmungs-und Erkenntnisfunktion«. Die Registrierung eigener Gefühle (»Ausdrucksfunktion der Gefühle«) ist nicht minder wichtig. Wenn wir uns klarmachen können, durch welche Gefühle, Einstellungen, Wünsche und Überzeugungen unser Verhalten geprägt wird - die Psychoanalyse verwendet dafür den Begriff Mentalisierung -, sind wir unseren Emotionen weniger ausgeliefert, können sie im Idealfall sogar kontrollieren und regulieren. Solange wir uns allerdings die eigene emotionale Befindlichkeit nicht hinreichend bewusst machen können, bleiben wir ihr passiv ausgeliefert. Gelungene Erziehung und Sozialisation zeigt sich u.a. daran, inwiefern Affekte reguliert und Gefühle mentalisiert werden, und zwar die eigenen wie auch die Gefühle anderer.

Bei der 18. Fachtagung des FAPP (Frankfurter Arbeitskreis für Psychoanalytische Pädagogik) ging es hauptsächlich um abgelehnte, unangenehme, wenn nicht peinigenden Gefühle, die wahrzunehmen und sich bewusst zu machen unter anderem deshalb schwer fällt, weil es sich, gesellschaftlich gesehen, um verpönte, teilweise tabuisierte Gefühle handelt. In der Geschichte der Philosophie seit Konfuzius und Aristoteles werden negative Gefühle (averse Gefühle) als verwerflich und deshalb als zu überwindende angesehen. Der christlichen Tugendlehre gelten Neid, Eifersucht und Gier gar als Todsünden. Die Psychoanalyse, das betonte Hans-Jürgen Wirth, verweist darauf, dass Gefühle unwillkürlich von unserem Gehirn generiert werden, sie also zunächst nicht dem Willen unterliegen. Deshalb sollten Gefühle anders als Handlungen nicht mittels moralischer Kategorien bewertet werden.

Neid entsteht dann, wenn ein Mangel empfunden wird, der uns erheblich stört, wenn nicht gar beschämt. Andere besitzen, das ist der uns belastende Eindruck, ein Gut, was wir selbst nicht haben. Das lässt sich beispielsweise auf jede Rückgabe einer Klassenarbeit in der Schule beziehen. Einige Schüler*innen bekommen die Note »Sehr gut« und strahlen über das ganze Gesicht, andere haben die Noten »Ausreichend«, »Mangelhaft« oder »Ungenügend« und fühlen sich dementsprechend. Sie werden nicht selten von peinigenden Gefühlen geplagt und empfinden die negative Bewertung als narzisstische Kränkung.

Gefühle wie Neid und Eifersucht gehören notwendig zum Leben dazu, werden aber nicht gern eingestanden, sondern verleugnet. Wir wollen solche unangenehmen Gefühle loswerden und unterstellen sie stattdessen anderen: »Neidisch sind immer die anderen! «

Die Psychoanalytische Pädagogik strebt in ihren Bemühungen danach, abgelehnte Gefühle möglichst dem Bewusstsein zugänglich zu machen, sie also zu verstehen, was als Voraussetzung dafür gesehen wird, dass diese ihr destruktives Potenzial nicht entfalten können.

Als negativ empfundene Gefühle wie Neid sind, das erläuterte Hans-Jürgen Wirth, nicht per se negativ, wie auch positive Gefühle nicht per se positiv sind. Negative Gefühle können als Indikatoren für wünschenswerte oder erforderliche Abgrenzungen in konflikthaften Situationen verstanden werden.

Durch Homogenität wird ein Gefühl wie Neid gefördert, was sich Lehrkräfte am Beispiel jeder Lerngruppe verdeutlichen können. In Lerngruppen geht es um Anerkennung, wenn auch um ganz unterschiedliche Formen der Anerkennung. Um die notenmäßige Anerkennung der Lehrkraft wird konkurriert, was zwangsläufig auf den Vergleich der Bewertungen der erbrachten Leistungen hinausläuft. Da das Maximum an Anerkennung fachlicher Leistungen ein äußerst knappes Gut ist, bleiben konflikthafte Gefühlsreaktionen bei denjenigen nicht aus, die im Wettstreit um gute Noten lediglich hintere Ränge belegen. Die »Gewinner« im Kampf um gute Noten werden von den »Verlierern« gern abgewertet und als »Streber« bezeichnet.

Neid kann allerdings auch auf bestehende Ungerechtigkeiten hinweisen und im Ergebnis helfen, die eigenen Interessen zu vertreten oder die eigenen Leistungen zu steigern.

In seinem Vortrag unterschied Hans-Jürgen Wirth in Anlehnung an Rolf Haubl unterschiedliche Ausdrucksformen von Neid: den Ehrgeiz und andererseits die Empörung stimulierenden Neid sowie den feindselig-schädigenden und den depressiv-lähmenden Neid, der bis zum demonstrativ-selbstzerstörenden Neid gesteigert werden kann.

FORTSETZUNG FOLGT

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Genter Altar
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Info:

"Nur an einem Thema kann ich nicht so leicht vorbeigehen [...]
es ist so überaus wichtig, so reich an Hoffnungen für die Zukunft,
vielleicht das Wichtigste von allem, was die Analyse betreibt.
Ich meine die Anwendung der Psychoanalyse auf die Pädagogik,
die Erziehung der nächsten Generation.
Sigmund Freud (1933)


"Wer ist der FAPP?

Der „Frankfurter Arbeitskreis für Psychoanalytische Pädagogik und Soziale Arbeit“ (FAPP) ist ein seit 1983 bestehendes Institut in Frankfurt/M. Es befasst sich mit der Vermittlung und Weiterentwicklung der Psychoanalytischen Pädagogik und psychoanalytisch fundierten Sozialen Arbeit durch Seminare, Publikationen und öffentliche Veranstaltungen.

Was leistet die Psychoanalytische Pädagogik und Psychoanalytische Soziale Arbeit?

Die Psychoanalytische Pädagogik macht Ansätze der Psychoanalyse für die Soziale Arbeit und Pädagogik fruchtbar. Dies umfasst klassische Begrifflichkeiten wie Übertragung, Gegenübertragung, Abwehr und nachfolgende Konzepte wie Traumaforschung, Bindungs- und Mentalisierungstheorie, Institutionstheorie. Die psychoanalytisch-pädagogische Methode des „szenischen Verstehens“ klärt – auch unbewusste – Motive und Dynamiken. Dadurch verändern sich die Regulation von Nähe und Distanz, der Umgang mit den Affekten und ihre Durcharbeitung sowie die Gestaltung von Angeboten, Eingriffen oder gemeinsamem Handeln. Dieser Ansatz steht in Verbindung mit multiperspektivischen Betrachtungen der Pädagogik und der sozialen Arbeit."

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