Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Schauen Sie sich die Sendung bitte an, denn sie ist in der Mediathek verfügbar. Ich sah sie durch Zufall in der Nacht auf den Sonntag, als ich über dem Katalog zur Ausstellung STONEHENGE. VON MENSCHEN UND LANDSCHAFTEN, die in Herne bis zum 22. September d.J. zu sehen ist, saß. Das eine hat mit dem anderen nicht mal sehr viel zu tun, aber was ich sofort herausbekam, nach der Sendung, das ist, daß die Forschungsergebnisse der "Spur der Steine" in der gegenwärtigen Ausstellung in Herne (und im Begleitband) schon mitverarbeitet sind.
Wenn ich so flott sage, hat miteinander 'nicht mal sehr viel zu tun', kann das nur auf dem Hintergrund gelten, daß STONEHENGE in erster Linie als Anlage, kommt wie gesagt im dritten Teil, das Interesse der Welt zukommt, weshalb auch Weltkulturerbe seit 1986. Die Spur der Steine gilt aber hier nicht den Sandsteinblöcken, also den äußeren Riesensteinen, die Sarsensteine heißen, weil die spezifische Zusammensetzung des Sandsteins in Südengland vorkommt, eigentlich saracen stone, in der Aussprache sarsen darum auch: ['sa:sǝn], was zurückgeht auf sarazenisch, was wiederum synonym für heidnisch gilt, also die Steine der Heiden oder heidnische Steine, was sehr nach den ersten Christen klingt. Und genau um die Megasteine, die das Bild von STONEHENGE prägen, geht es nicht. Es sind die Blausteine, die Professor Mike Parker Pearson vom University CollegeLondon mit seinem Archäologenteam über ein Jahrzehnt erforschte und - sagen wir es gleich - fündig wurde.
Diese Blausteine sind eben nicht Sandstein, sondern Kalksteine, sogenannte Dolerit-Steine, die wegen der bläulich schimmernden Oberfläche schlicht Bluestone genannt werden und - das war schon lange bekannt - aus den Preseli-Bergen in Wales stammen, ungefähr 250 km entfernt. Die
Ergebnisse der britischen Forschungsgruppe sind sensationell. Wir nehmen den Schluß vorweg: Die Steine sind nicht nur aus diesen Bergen, was bekannt, weil leicht zu unterscuhen war, sondern sie standen zuvor an einem speziellen Ort in diesen Bergen in der selben Funktion wie heute in STONEHENGE. Es handelt sich also um eine Wiederverwendung, wie beispielsweise in der Antike oder unseren Kirchen Spolien verwendet wurden.
Allerdings ist dieser Begriff, also Spolien in der Sendung nicht verwendet worden (wir zeigen hier links die heute nachgemachten Steine, wie sie in der Ausstellung in Herne aufgestellt werden!),vielleicht, weil Mike Parker Pearson die vom lateinischen "spolium=Beute, Raub, dem Feind Abgenommes" scheut, denn er und sein Team konnten natürlich nicht gleichzeitig klären, wer und warum die Blausteine, die in STONEHENGE stehen, aus der ursprünglichen Anlage in den Preseli Bergen entfernt und so weit weg gebracht wurden. Da gäbe es als Erklärung genauso die These, daß die damaligen Bewohner der Preseli Berge sich das südlichere Land unter den Nagel gerissen hätten und ihre neue Großanlage dort errichtet hätten, wie umgekehrt, daß die aus der Gegend um Salisbury nach Norden gezogen, dort die Anlage der blauen Steine sahen, deren Besitzer unterjochten und sie zwangen, die Steine nach STONEHENGE zu bringen. Alles Ideengeschichtliche, alles Erklärenwollende bleibt Hypothese. Aber es ist eben unser tiefstes Bestreben, die Welt erklären zu wollen, aber für die Vergangenheit allermeistens nicht schlüssig erklären zu können. Aus diesen Gründen auch, sozusagen als Notlösung, die ununterbrochene Suche nach Material, nach Fertigung, nach Transport, nach den Details, wenn schon das Eigentliche verborgen bleibt.
Die Sendung lebt aber nicht vom Ergebnis allein, daß also die Blausteine von STONEHENGE zuvor in einer Anlage in den Bergen stand, sondern ist wegen der Arbeiten des Teams eine hochinteressante Angelegenheit und ist außerdem für den sehr gemütlich, der im Sessel oder dem Sofa sich anschaut, was archäologisches Arbeiten in Wales bedeutet. Landarbeit auf dem Feld ist nichts dagegen. Was häufiger Regen für archäologisches Arbeiten, was heftiger Wind und dann auch noch die Kombination von beidem für Erdarbeiten bedeuten, kann man sich zwar theoretisch denken, aber beim praktischen Zuschauen kommt erst die Hochachtung, unter welchen Bedingungen Feldforschung, Ausgrabungen vor sich gehen. Auch der Professor selbst sieht dann oft wie der letzte Landstreicher aus, wenn der Lehmboden - so segen die Acker aus - nicht nur an den Stiefeln hängt, sondern sich überall an der Kleidung, ja selbst in den Haaren niederläßt. Das ist der Mitleidsaspekt. Aber für das eigentliche Arbeiten kann man gar keine Vokabeln, keine Wörter finden. Da hocken die Leute am Boden, haben kleine Schäufelchen in der Hand, mit denen sie vorsichtig Millimeter für Millimeter Erde abschürfen. Und dann finden Sie was, was durch lautes Rufen allen anderen bekannt wird. Finden heißt hier beispielsweise, daß sie ein Loch finden, eine Vertiefung, die sichtbar ist, in die durchaus Erde gefallen ist, die aber anders aussieht als die andere.
Jetzt wird einem auch klar, weshalb in unserer Zeitepoche solche Ausgrabungen geschehen und nicht - sagen wir mal - vor 300 Jahren, wo ja auch schon das Interesse, was diese Steinmonolithe bedeuten, vorhanden war. Erst heute haben wir die wissenschaftlichen Voraussetzungen der Erdanalyse beispielsweise. Genau das wird im Film dann gezeigt, daß der Boden einer anderen Zeit zugeschrieben werden kann, man also unter unterem heutigen Kulturschutt den der vorherigen Zeit bestimmen kann. Bezogen auf die Blausteine heißt es nun, daß sie die ältesten Teile von STONEHENGE sind und eine Hypothese lautet, daß nicht nur die Blausteine aus den Bergen von Wales kamen, sondern daß dort eine derartige Anlage wie in STONEHENGE stand. Daß nämlich die Sandsteine, also die Sarsen aus der Nähe von STONEHENGE stammen, weiß man. Die haben nun ein Gewicht von 4 bis 60 Tonnen. Aber auch die Blausteine wiegen an die 4 t.
Doch warum kam dieser Professor Pearson überhaupt auf die Idee, dort oben in Wales zu suchen. Er erklärt schlicht, daß doch auch Homer in der Ilias und dem Trojanischen Krieg die echte Geschichte in Geschichten erzählt habe und er so auf die Idee kam, die Legenden um den Zauberer Merlin für seine Untersuchungen auszuschlachten. Dort wird nämlich von Wanderungsbewegungen von Siegen und Niederlage berichtet. Für ihn liegt in der Kombination der Dichtung und unseren wissenschaftlichen Möglichkeiten der Analyse von Stein, Fels und Erde die mögliche Aufklärung. "Durch die Kombination innovativer 3D-Scans mit traditioneller archäologischer Feldforschung und neuartigen Laboranalysen entdeckten die Forscher den Ursprung der Steine. Höchstwahrscheinlich wurden sie bereits 400 Jahre vor ihrer Aufstellung in Stonehenge abgebaut."
Mir selbst allerdings wurde bei den vorgenommenen Animationen und Simulationen fast schwindelig. Nicht wirklich, sondern metaphysisch. Da wird einem eine Welt vorgekaukelt, die wie die Wahrheit, wie die geschichtliche Wahrheit daherkommt. Bei aller Perfektion geht allerdings verloren, was einen ergreift, wenn man in der Landschaft vor diesen oder anderen Steinen steht. Ein Gefühl von Unheimlichkeit gleichermaßen wie Ewigkeit. Letzten Endes sind es die echten Artefakte, die noch stehen, die einen in Bann schlagen. Aber natürlich nimmt man auch mit Sendungen oder erst recht mit Ausstellungen und ihren Katalogen zu STONEHENGE vorlieb, wenn es anders nicht geht.
Fotos:
©Arte-Trailer
©aus dem Ausstellungskatalog
Info:
Begleitband, Katalog zur Ausstellung in Herne
STONEHENGE. Von Menschen und Landschaften, hrsg. von LWL-Museum für Archäologie, Westfälisches Landesmuseum; Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie, Michael Imhof Verlag 2021
Bei den Ausstellungen gibt es die Kataloge meist billiger. Aber ich sehe gerade, daß er seitens des Verlags von 49, 95 auf 34, 95 Euro heruntergesetzt ist. Eigentlich ist das zu wenig Geld für so viel Wissen und so viel hervorragendes Bildmaterial.
Aus der Redaktionsbibliothek:
Jean-Claude Perpere, Redende Steine. Die geheimnisvollen Monumente der Megalithkulturen, Heyne-Sachbuch780, 1981
Chippindale, Christopher, Stonehenge Complete. Winner of the British Archaeological Book Award, Revisted EditionThames and Hudson 2001
Diese Blausteine sind eben nicht Sandstein, sondern Kalksteine, sogenannte Dolerit-Steine, die wegen der bläulich schimmernden Oberfläche schlicht Bluestone genannt werden und - das war schon lange bekannt - aus den Preseli-Bergen in Wales stammen, ungefähr 250 km entfernt. Die
Ergebnisse der britischen Forschungsgruppe sind sensationell. Wir nehmen den Schluß vorweg: Die Steine sind nicht nur aus diesen Bergen, was bekannt, weil leicht zu unterscuhen war, sondern sie standen zuvor an einem speziellen Ort in diesen Bergen in der selben Funktion wie heute in STONEHENGE. Es handelt sich also um eine Wiederverwendung, wie beispielsweise in der Antike oder unseren Kirchen Spolien verwendet wurden.
Allerdings ist dieser Begriff, also Spolien in der Sendung nicht verwendet worden (wir zeigen hier links die heute nachgemachten Steine, wie sie in der Ausstellung in Herne aufgestellt werden!),vielleicht, weil Mike Parker Pearson die vom lateinischen "spolium=Beute, Raub, dem Feind Abgenommes" scheut, denn er und sein Team konnten natürlich nicht gleichzeitig klären, wer und warum die Blausteine, die in STONEHENGE stehen, aus der ursprünglichen Anlage in den Preseli Bergen entfernt und so weit weg gebracht wurden. Da gäbe es als Erklärung genauso die These, daß die damaligen Bewohner der Preseli Berge sich das südlichere Land unter den Nagel gerissen hätten und ihre neue Großanlage dort errichtet hätten, wie umgekehrt, daß die aus der Gegend um Salisbury nach Norden gezogen, dort die Anlage der blauen Steine sahen, deren Besitzer unterjochten und sie zwangen, die Steine nach STONEHENGE zu bringen. Alles Ideengeschichtliche, alles Erklärenwollende bleibt Hypothese. Aber es ist eben unser tiefstes Bestreben, die Welt erklären zu wollen, aber für die Vergangenheit allermeistens nicht schlüssig erklären zu können. Aus diesen Gründen auch, sozusagen als Notlösung, die ununterbrochene Suche nach Material, nach Fertigung, nach Transport, nach den Details, wenn schon das Eigentliche verborgen bleibt.
Die Sendung lebt aber nicht vom Ergebnis allein, daß also die Blausteine von STONEHENGE zuvor in einer Anlage in den Bergen stand, sondern ist wegen der Arbeiten des Teams eine hochinteressante Angelegenheit und ist außerdem für den sehr gemütlich, der im Sessel oder dem Sofa sich anschaut, was archäologisches Arbeiten in Wales bedeutet. Landarbeit auf dem Feld ist nichts dagegen. Was häufiger Regen für archäologisches Arbeiten, was heftiger Wind und dann auch noch die Kombination von beidem für Erdarbeiten bedeuten, kann man sich zwar theoretisch denken, aber beim praktischen Zuschauen kommt erst die Hochachtung, unter welchen Bedingungen Feldforschung, Ausgrabungen vor sich gehen. Auch der Professor selbst sieht dann oft wie der letzte Landstreicher aus, wenn der Lehmboden - so segen die Acker aus - nicht nur an den Stiefeln hängt, sondern sich überall an der Kleidung, ja selbst in den Haaren niederläßt. Das ist der Mitleidsaspekt. Aber für das eigentliche Arbeiten kann man gar keine Vokabeln, keine Wörter finden. Da hocken die Leute am Boden, haben kleine Schäufelchen in der Hand, mit denen sie vorsichtig Millimeter für Millimeter Erde abschürfen. Und dann finden Sie was, was durch lautes Rufen allen anderen bekannt wird. Finden heißt hier beispielsweise, daß sie ein Loch finden, eine Vertiefung, die sichtbar ist, in die durchaus Erde gefallen ist, die aber anders aussieht als die andere.
Jetzt wird einem auch klar, weshalb in unserer Zeitepoche solche Ausgrabungen geschehen und nicht - sagen wir mal - vor 300 Jahren, wo ja auch schon das Interesse, was diese Steinmonolithe bedeuten, vorhanden war. Erst heute haben wir die wissenschaftlichen Voraussetzungen der Erdanalyse beispielsweise. Genau das wird im Film dann gezeigt, daß der Boden einer anderen Zeit zugeschrieben werden kann, man also unter unterem heutigen Kulturschutt den der vorherigen Zeit bestimmen kann. Bezogen auf die Blausteine heißt es nun, daß sie die ältesten Teile von STONEHENGE sind und eine Hypothese lautet, daß nicht nur die Blausteine aus den Bergen von Wales kamen, sondern daß dort eine derartige Anlage wie in STONEHENGE stand. Daß nämlich die Sandsteine, also die Sarsen aus der Nähe von STONEHENGE stammen, weiß man. Die haben nun ein Gewicht von 4 bis 60 Tonnen. Aber auch die Blausteine wiegen an die 4 t.
Doch warum kam dieser Professor Pearson überhaupt auf die Idee, dort oben in Wales zu suchen. Er erklärt schlicht, daß doch auch Homer in der Ilias und dem Trojanischen Krieg die echte Geschichte in Geschichten erzählt habe und er so auf die Idee kam, die Legenden um den Zauberer Merlin für seine Untersuchungen auszuschlachten. Dort wird nämlich von Wanderungsbewegungen von Siegen und Niederlage berichtet. Für ihn liegt in der Kombination der Dichtung und unseren wissenschaftlichen Möglichkeiten der Analyse von Stein, Fels und Erde die mögliche Aufklärung. "Durch die Kombination innovativer 3D-Scans mit traditioneller archäologischer Feldforschung und neuartigen Laboranalysen entdeckten die Forscher den Ursprung der Steine. Höchstwahrscheinlich wurden sie bereits 400 Jahre vor ihrer Aufstellung in Stonehenge abgebaut."
Mir selbst allerdings wurde bei den vorgenommenen Animationen und Simulationen fast schwindelig. Nicht wirklich, sondern metaphysisch. Da wird einem eine Welt vorgekaukelt, die wie die Wahrheit, wie die geschichtliche Wahrheit daherkommt. Bei aller Perfektion geht allerdings verloren, was einen ergreift, wenn man in der Landschaft vor diesen oder anderen Steinen steht. Ein Gefühl von Unheimlichkeit gleichermaßen wie Ewigkeit. Letzten Endes sind es die echten Artefakte, die noch stehen, die einen in Bann schlagen. Aber natürlich nimmt man auch mit Sendungen oder erst recht mit Ausstellungen und ihren Katalogen zu STONEHENGE vorlieb, wenn es anders nicht geht.
Fotos:
©Arte-Trailer
©aus dem Ausstellungskatalog
Info:
Begleitband, Katalog zur Ausstellung in Herne
STONEHENGE. Von Menschen und Landschaften, hrsg. von LWL-Museum für Archäologie, Westfälisches Landesmuseum; Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie, Michael Imhof Verlag 2021
Bei den Ausstellungen gibt es die Kataloge meist billiger. Aber ich sehe gerade, daß er seitens des Verlags von 49, 95 auf 34, 95 Euro heruntergesetzt ist. Eigentlich ist das zu wenig Geld für so viel Wissen und so viel hervorragendes Bildmaterial.
Aus der Redaktionsbibliothek:
Jean-Claude Perpere, Redende Steine. Die geheimnisvollen Monumente der Megalithkulturen, Heyne-Sachbuch780, 1981
Chippindale, Christopher, Stonehenge Complete. Winner of the British Archaeological Book Award, Revisted EditionThames and Hudson 2001