de.wikipedia.org mullerAm 11. Mai 1952 schoss die Polizei erstmals mit scharfer Munition auf Demonstranten, Teil 1/9

Kurt Nelhiebel

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Was in jenen Minuten passierte, da Philipp Müller in Essen auf dem Rüttenscheider Kirmesplatz von der Kugel aus einer Polizeipistole tödlich getroffen wurde, schildert das  Urteil des Dortmunder Landgerichts mit dem Aktenzeichen 18 KLs 3/52 so:

»In diesem Augenblick wurde der Zeuge Knobloch (Polizeikommissar und Leiter einer Einsatzgruppe der Kölner Polizei, d. V.) von einem Stein an der Schulter getroffen. Hierauf rief dieser nochmals den Demonstranten laut zu, mit dem Werfen der Steine aufzuhören. Gleichzeitig drohte er, bei Nichtbefolgung seiner Aufforderung,  den Gebrauch der Schusswaffe an. Die Demonstranten erwiderten jedoch mit Gejohle und höhnischem Gelächter. Nunmehr gab der Zeuge Knobloch mit seiner Pistole drei Warnschüsse in die Luft ab. Hiervon waren die Demonstranten jedoch in keiner Weise beeindruckt. Vielmehr wurden Rufe laut wie: ›Die schießen ja doch nicht, die schießen ja nur in die Luft!‹ Weiterhin ertönte aus Richtung des zweiten Steinhaufens der Kampfruf: ›Auf zum Kampf gegen die Bluthunde!‹ Als hierauf der Steinhagel noch stärker wurde, erteilte der Zeuge Knobloch seiner Kölner Gruppe den Feuerbefehl, der in beschränktem Umfang auch von der Essener Gruppe befolgt wurde.«

Das Zitat stammt aus einem Brief des Essener Oberstaatsanwalts vom 12. Februar 1953 an den Münchner Rechtsanwalt Dr. Ewald R., der namens der Angehörigen Philipp Müllers Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Mordes erstattet hatte. Dem Anwalt wird darin mitgeteilt, dass nach den richterlichen Feststellungen den beteiligten Polizeibeamten »keinerlei Verschulden an der Tötung des Philipp Müller zur Last« falle und das Verfahren daher eingestellt werde. Ob überhaupt jemals gegen Polizeibeamte ermittelt worden ist, die damals von der Schusswaffe Gebrauch gemacht oder den Gummiknüppel zu Unrecht eingesetzt haben, erscheint zweifelhaft.

Am 20. Juli 2001 habe ich beim Düsseldorfer Justizministerium nachgefragt,  was aus der Bitte des damaligen Innenministers Meyers an den Justizminister Rudolf Amelunxen geworden sei, unverzüglich ein Verfahren gegen Unbekannt wegen Körperverletzung einzuleiten. Das Ministerium leitete meinen Brief an  den Leitenden Oberstaatsanwalt in Essen weiter. Der antwortete am 28. August 2001, nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen seien keine Verfahrensregister mehr vorhanden, die konkret Aufschluss geben könnten, aber er gehe aufgrund der landgerichtlichen Feststellungen davon aus, dass eine solche Prüfung tatsächlich stattgefunden haben müsse. Anklage wurde gegen keinen einzigen Polizeibeamten erhoben. Der Oberstaatsanwalt verwies mich zwecks weiterer  Nachforschungen auf »so genannte Festschriften« zum Tode Philipp Müllers,  die »über die DKP zu beziehen wären«. Zu den Essener Vorgängen selbst schrieb er – im Widerspruch zu den gerichtlichen Feststellungen über die Feuereröffnung durch die Polizei –, nachdem aus den Reihen der Demonstranten »auch Schüsse in Richtung der Polizeibeamten abgefeuert worden waren, machte die Polizei ihrerseits von der Schusswaffe Gebrauch«.

Fortsetzung folgt

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