Bildschirmfoto 2024 10 09 um 00.47.20Ausgestellt im Bibelmuseum in Washington

Redaktion tachles

Washington (Weltexpresso) - Im Bibelmuseum in Washington wird derzeit das wohl älteste jüdische Buch der Welt ausgestellt. Es hat gerade mal die Größe einer Hand und stammt aus einer Zivilisation im 8. Jh. d. Z., die an einer alten Handelsroute lebte, der Seidenstrasse. Es wurde von Juden geschrieben, die als Minorität unter Buddhisten im Bamiyan-Tal lebten, das im heutigen Afghanistan liegt. Viele Experten dürften erst einmal daran zweifeln, dass es sich bei diesem Buch mit Gebeten, Gedichten und angeblich der ältesten Fassung der Haggadah tatsächlich um das älteste jüdische Buch handelt.
Es gibt wohlgemerkt jüdische Schriftrollen, die älter sind, etwa die Rollen von Qumran, aber ältere Bücher? Die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Untersuchung des Büchleins werden erst noch erscheinen, lange nach der Ausstellung. Die Kuratorin Sharon Mintz hat Verständnis, dass erst die Offenlegung der Forschung alle Zweifel beseitigen wird. Bis zum Erscheinen des wissenschaftlichen Berichts wird die Ausstellung bereits nach New York ans Jewish Theological Seminary gegangen sein.

Was man aber jetzt schon weiß: Ein Karbontest, der 2019 in einem Labor durchgeführt wurde, belegt angeblich, dass das Artefakt 1300 Jahre alt ist. Es wurde übrigens 1997 in der Nähe der beiden gigantischen Bamiyan-Buddhas gefunden, die in einen Berg hineingemeisselt waren. Sie erlangten 2001 zusätzliche Berühmtheit, als die Taliban sie sprengten. Das Buch verschwand dann während des amerikanischen Angriffs auf Afghanistan nach 9/11, später brachten Evangelikale das Büchlein in die USA und übergaben es dem Bibelmuseum. Dort wurde es mit dem Vermerk: «Ägypten, ca. 9. Jh.» ausgestellt. Doch ein Museumskurator entdeckte es auf einem Foto in dem jüdischen Magazin «Tablet».

Dort wurde es als eines von mehreren jüdischen Manuskripten aufgeführt, die aus Afghanistan geschmuggelt worden waren. Alles Weitere ergab sich dann fast automatisch. Als Partner der Ausstellung führt das Museum übrigens die demokratisch gewählte Regierung in Afghanistan an, die derzeit natürlich nicht an der Macht ist. Und ebenso afghanisch-jüdische Organisationen sowie die Synagoge Anshei Shalom in Queens, die von afghanischen Juden gegründet wurde. Sie alle sind stolz auf ihr Erbe und freuen sich, eine uralte Linie des afghanischen Judentums auf diese Weise der Welt vorstellen zu können.

Foto:
©tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 2.Oktober 2024