Zur Ausstellung DIE DUNKLE SEITE ROMS. DAS MASSENGRAB VON SCUPI" im Archäologischen Museum Frankfurt, Teil 2
Wolfgang David
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - 2011 stieß ein Forschungsteam unter Leitung der Archäologin Lenče Jovanova (1957 – 2023) in der Südostnekropole von Scupi auf ein Massengrab aus römischer Zeit. In einem dafür ausgehobenen Graben waren mindestens 200 Personen beigesetzt worden, bei denen es sich offenbar um die zumeist enthaupteten Opfer einer Massenexekution handelt. Dieses grausame
Geschehen datiert in die von kriegerischen Auseinandersetzungen begleitete Zeit innerer und äußerer Krisen des Römischen Reiches während des 3. und frühen 4. Jahrhunderts.
Auch das mehr als 1700 Kilometer nordwestlich von Scupi auf heutigem Frankfurter Stadtgebiet gelegene Nida war von den Auswirkungen dieser unsicheren Zeiten betroffen. Mit einer damals erbauten Stadtmauer umgeben erlebte Nida als administratives, ökonomisches und religiöses Zentrum im Hinterland des Obergermanischen Limes dennoch im 3. Jahrhundert eine ausgesprochene Blütezeit, für die es vielerlei archäologische Zeugnisse gibt. Ein jüngst entdeckter Befund ragt hervor: Zwischen den Jahren 230 und 260 wurde auf einem Gräberfeld vor der Nordwestecke der Stadtmauer ein Christ – der derzeit früheste direkte Nachweis eines Christen nördlich der Alpen – beigesetzt. Dies bezeugt eine erst vor wenigen Wochen im Herbst 2024 endgültig entzifferte Inschrift auf einer hauchdünnen Silberfolie, die zusammengerollt in einem Phylakterion steckte, das der Verstorbene als Amulett um den Hals trug.
Während unter Kaiser Aurelian (270 – 275) mit der Aufgabe der rechtsrheinischen Teile der Provinz Obergermanien das römische Stadtleben in Nida endete, entwickelte sich Scupi in der Spätantike zu einer
Metropole mit Bischofssitz. Erst am Übergang vom 6. zum 7. Jahrhundert erlosch auch hier das urbane Leben. Heute ist das römische Scupi eine archäologische Sehenswürdigkeit ersten Ranges. Die Republik Nordmazedonien verfügt über ein herausragendes Natur- und Kultuererbe. Dazu gehören archäologische Funde von Weltgeltung wie die 1918 entdeckte archaische Nekropole von Trebeništa
(Trebenischte) oder die erst 2002 und 2009 geborgenen Prunkgräber von Ohrid-Gorna Porta. 2014, also vor genau zehn Jahren, hatte ich die Möglichkeit, im Rahmen einer von der EU-Kommission geförderten Kooperation mit dem Archäologischen Museum Mazedoniens in Skopje, dem Museum Ohrid und dem Museum Negotino die Sonderausstellung „Das goldene Antlitz des unbekannten Makedonenkönigs.
Makedonen und Kelten am Ohrid-See – ein Zusammenprall der Kulturen?“ im seinerzeit von mir geleiteten kelten römer museum manching zu präsentieren. Aufgrund der überaus positiven Erfahrungen dieses Projektes, in dessen Rahmen ich damals auch Scupi besuchte, zögerte ich keinen Moment, als ich an einem Nachmittag im Juni 2024 im Garten der Römisch-Germanischen Kommission den Direktor des Museums der Stadt Skopje, Dr. Panče Velkov, kennen und schätzen lernte, diesem vorzuschlagen, das Massengrab von Scupi durch eine Präsentation in Frankfurt erstmals auch der Öffentlichkeit außerhalb des ehemaligen Jugoslawiens bekannt zu machen.
Der erschütternde Befund von Scupi eröffnet einen Blick auf die dunkle Seite des zivilisatorisch so erfolgreichen Imperium Romanum. Zudem ruft der Fund ins Bewusstsein, dass Massengräber nicht nur für Opfer von Naturkatastrophen, sondern bis zum heutigen Tag auch für Opfer von politischer Gewalt oder von Kriegsverbrechen angelegt werden. Nach Auffindung der meist getarnten Massengräber und Exhumierung der Opfer wirkt die forensische Anthropologie an der Aufklärung aktueller Kriegsverbrechen und der Identifizierung von Opfern mit.
Für die Realisierung der Ausstellung binnen sehr kurzer Frist danke ich neben Direktor Dr. Panče Velkov ganz besonders Igor Kuzmanoski, Kurator für Archäologie am Museum der Stadt Skopje, sowie stellvertretend für das gesamte Team des Archäologischen Museums Frankfurt den Archäologen Dr. Hristomir S. Hristov und Holger Kieburg sowie der Graphikerin Eike Quednau, die für die Gestaltung von Ausstellung und Begleitpublikation verantwortlich zeichnet.
Foto:
Plakat
© Archäologisches Museum
Info:
Beitrag aus dem Begleitpublikation zur Ausstellung
Dr. Wolfgang David ist Leiternder Direktor des Archäolgischen Museums Frankfurt
www.archaeologisches-museum-frankfurt.de.