Eine besorgniserregende Kürzung der Kulturellen Bildung steht in Hessen an, Teil 2/2
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das Praktische ist das Eingemachte – das ginge erheblich verloren oder würde gar beendet. Die schulübergreifenden Prosüm-Projekte wären in hohem Maße gefährdet, obwohl schon die Vorphase für die Projekte unterausgestattet und unterfinanziert ist.
Daher lautet die Forderung der Initiative auch:
Einrichtung eines Weiterbildungskurses Kunst und Erweiterung des Weiterbildungskurses Musik
Verbesserung der Betreuung...im Vorbereitungsdienst in den Fächern Kunst und Musik sowie die Verzahnung von erster und zweiter Ausbildungsphase
Die Einrichtung eines Studiengangs Darstellendes Spiel und eines Weiterbildungskurses für Unterrichtende aller Schulformen.
Zu den schulübergreifenden Projekten, die gefährdet wären (Szenario):
Schultheater-Studio
1000 Studierende & Lehrkräfte vermissen pro Jahr eine Schultheater-Grundbildung, theaterpädagogische Fortbildungen und Fachtage; die Beratungsstelle, der TheaterBuchVersand (2500 Fachkunden) fehlen. Ebenso die maßgeschneiderten Workshops oder preiswerte Technik. Der Motor und Partner vieler Kooperationsprojekte wie TUSCH, Prävention, Spracherwerb fällt aus. Ein geschätzter Knoten... ist verloren. Hunderte Kinder und Jugendliche vermissen ihre Freizeit-Theaterensembles und Ferienspiele.
HSST
Jedes Jahr werden etwa 240 Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrkräfte aus mindestens 12 verschiedenen Schulen aller Stufen und Formen dieses...Theaterfestival vermissen. Sie werden nicht mehr wie vor ihnen etwa 7000 Schülerinnen und Schüler aus mehr als 350 Schulen seit mehr als 30 Jahren beim landesweit größten Schultheaterfestival Hessens zusammen kommen, um sich gegenseitig ihre prämiierten Produktionen zu zeigen [...], um gemeinsam mit FachbesucherInnnen über Schultheater zu streiten, zu schreiben und berichten. Die Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen hat keine Adressaten mehr 18 000 Euro an Preisgeldern jährlich ausschütten zu dürfen.
Response
20 Schulklassen aller Schulstufen und -formen mit etwa 450 Kindern und Jugendlichen können nicht mehr im zweijährigen Turnus mit Komponisten und Interpreten der aktuellen Musikszene 5 Monate lang experimentieren, arbeiten und spielen, um eigene Musikwerke zu entwickeln oder aufzuführen. Die Alte Oper wird wird vier Konzerte mit den Uraufführungen der Response-Kompositionen verlieren. Die Komponisten des Ensemble Modern und der HfMDK können nicht wie seit 26 Jahren bei fast 10 000 hessischen Schülerinnen und Schülern Offenheit und Motivation...wecken und fördern.
Schulen in Hessen musizieren
Rund 4000 hessische Schülerinnen und Schüler haben nicht mehr einmal im Jahr die Möglichkeit, sich gegenseitig in regionalen und landesweiten Begegnungen und Konzerten ihre...für Chor, Orchester, Bigband oder verschiedenen Ensembles...erarbeiteten musikalischen Produktionen vorzustellen. Sie können sich nicht der Auswahlkommission des BMU, LV Hessen, präsentieren, um für das festliche Landeskonzert im Kurhaus Wiesbaden ausgewählt zu werden. Für die jährlich ca. 100 teilnehmenden Musiklehrkräfte gibt es nicht mehr die Möglichkeit, regionale Netzwerke zu knüpfen und Kooperationen aufzubauen. In 10 Städten in allen Regionen Hessens fallen die seit 20 Jahren beliebten Begegnungskonzerte aus [...] Das Hessische KM verliert die Möglichkeit, im Abschlusskonzert in Wiesbaden...in Kontakt zu kommen und sich zu präsentieren.
Fachberater_innen kulturelle Bildung
Etwa 2000 hessischen Schulen mit ihren hessischen Schülerinnen und Schülern und 50.000 Lehrerinnen und Lehrern haben in den 16 Staatlichen Schulämtern keine/n Ansprechpartner/in mehr, der/die sie in allen Belangen unterstützt, d.h. Projekte, Workshops und Wettbewerbe vermittelt, Fortbildung initiiert und organisiert, berät...bei Bewerbung und Zertifizierung als Kulturschule [...], hessische Theater, Museen, Galerien, Konzert- und Opernhäuser oder...Projekte des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst wie der Kulturkoffer oder Flux verlieren ihren Mittler. [...] Schulen wie kulturelle Institutionen verlieren also ihre Netzwerker und Multiplikatoren...und damit den Transfer...in die Breite. (die vorausgegangenen 6 Blocktexte wurden unwesentlich gekürzt)
Fazit: Die Politik begreift nicht, was einer freien Gesellschaft, die gedeihlich leben und arbeiten will, unverzichtbar gebürt, - anstatt an der unteren Kante zu fahren, wie mit der Seifenkiste, die über den Schotter rasselt. Politik teilt stets gerne an ihre bevorzugte Klientel aus – man ist ja unter seinesgleichen/wessen gleichen eigentlich? -, was dann in echten, nicht angemaßten Lebensbereichen fehlt. Eine Weltbestimmer- und Diktiererkaste schreibt sich das privilegierte Recht zu, über Bauern, Handwerker und Geistesarbeiter zu disponieren und ihnen nur tröpfelweise und erst nach Fürbitten die angestammten naturrechtlich verbürgten Eigentümer auf ihren Lebenspfaden zu belassen. Menschen wissen im Grunde genau, was sie können, wollen und zum Gelingen brauchen, aber patriarchalische Denkmuster in allen Kulturen und auf allen Kontinenten machen es ihnen streitig, weil die leitenden Kasten sich abgehoben und abgespalten haben.
Was noch praktisch zu erhalten und weiter auszubauen ist:
Jedem Kind ein Instrument, Musikalische Grundschulen, Schulen mit musikalischem Schwerpunkt, das Netzwerk Musik und Schule, Primacanta, Schultheater-Studios und 'Schulen in Hessen musizieren', Studiengang Darstellendes Spiel für Lehrer.
Info:
Die Teilnehmer in der Runde waren auf dem Podium: Thomas Rietschel, Partner der Initiative und Präsident der HfMDK; Fachverband für Kunstpädagogik, LV Hessen (BDK), Reinhard Wanzke, Andrea Felde; Bundesverband Musikunterricht (BMU Hessen), Dorothee Graefe-Hessler, Hermann-Josef Wehner; Landesverband Schultheater in Hessen (LSH), Ruth Kockelmann, Joachim Reiss · Mittwoch10.02.2016 in der HfMDK.