Das „Projekt Senckenberg 2010 – Neues Museum“ wird eine ehrwürdige Einrichtung wesentlich verändern


Heinz Markert


Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Das Senckenberg Naturmuseum, das auf eine 200 Jahre alte Stiftung zurückgeht, befindet sich mit dem ‚Projekt Senckenberg 2020‘ in einer Periode nachdrücklicher Neugestaltung. Nicht ganz unauffällig klingt beim Vorstellen des offenbar schon weit Gediehenen eine Konkurrenz mit anderen Einrichtungen in der naturwissenschaftlichen Welt an.


Zwischen Einrichtungen an der Weltspitze ist Konkurrenz vorherrschend. Das wird während einer Präsentation des im Anzug Befindlichen klar. Die Ausstellungsfläche in Frankfurt wird bis 2020 verdoppelt. Das spektakulärste Exponat ist eine begehbare menschliche Gehirninstallation, die insbesondere von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung mit einer Million Euro gefördert und mitentwickelt wird. Hier soll durch eine Raum-im-Raum-Installation das menschliche Gehirn in einer Nacherschaffung begehbar gemacht werden. Auch die Hirnaktivität soll erfahrbar werden.


Volker Mosbrugger, Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, erläutert das Konzept, das hinter dem Projekt steht: es solle eine Lücke schließen. Natur erscheine immer drängender als begrenzte Ressource aufgrund von Versauerung, Erosion, Verlust der Artenvielfalt, vielfältiger Gifteinträge. Daher sei mit einem neuen Naturmuseum Natur noch eindringlicher nahezubringen und zu erläutern. Ein Motto könne lauten: zurück zu den Humboldts; nach dem Muster eines gleichsam weltumgreifenden Ansatzes der Naturforschung und der Vermittlung unablässig fortschreitender Erkenntnisse.


Für das Publikum bleibt es bei der Objekt- und Bereichsorientierung, der Nachvollziehbarkeit im Sicht- und Begehbaren. Angesprochen werden mit den Angeboten: Denker/innen, Schauer/innen, Fühler/innen und Taster/innen. Das Konzept bewegt sich um die vier Ausstellungsbereiche: Mensch, Erde, Kosmos und Zukunft.


Für das Um- und Neubauprojekt werden 56 Mill. Euro benötigt. Einen ganz wesentlichen Anteil beansprucht die Realisierung des Gehirn-Exponats. Das aktuelle Spendenvolumen beträgt 10,5 Mill. Euro., ein Spendenbarometer in der Netzpräsenz des Senckenberg Naturmuseums zeigt an wie weit die Spendenbereitschaft bereits gediehen ist.


Das Gehirn – nur Instrument oder auch Agens eines Willens?

Die Hirnforschung hatte in den Neunziger Jahren – bestimmt ganz entscheidend angefacht durch die neuen bildgebenden Verfahren – einen hohen Grad an Publizität erfahren. Damals war auch die Erwartung hochgeschossen, die Entdeckung der kosmischen Weltformel stehe mit der Entwicklung eines einheitlichen Feldgesetzes in absehbarer Zeit bevor. Mittlerweile ist so etwas wie Ernüchterung und Reflexivität eingekehrt.

Mit dem Fokus auf das Gehirn blitzte die Vorstellung auf, die Operationen und Denkakte (unserer Gedanken) deckten sich relativ problemlos (‚konstruktivistisch‘) mit den Zuständen im neuronalen Netz, gingen in diesen so gut wie auf. Es schien sich eine Art Parallelität aufzutun, die einer Reduzierbarkeit auf das unmittelbare Substrat ‚Gehirn‘ sehr nahekäme. Hinzu kam die Bezugnahme auf die neu entwickelten digitalen Maschinen, die man sogleich nah am Intelligenzbereich verortete. Im Hintergrund steht die sehr alte Problematik: wie ist Wissen, wie sind gesicherte Erkenntnisse und Urteile überhaupt möglich?


Das Gehirn geht nicht in seiner Dinglichkeit auf

Wäre es möglich, dass menschliche Urteile gar nicht so allein durch die Ansammlung bloßen Tatsachenmaterials - wie z.B. um die Gegebenheiten der 40 000 Jahre alten menschlichen Felszeichnungen -, bestimmt wären, sondern immer einen wesentlichen Anteil an ästhetischem Urteil aufweisen, das eine jede Erkenntnis begleitet und bestimmt?
Von den Erklärern des Um- und Neubaus wurde festgelegt, dass die philosophischen Aspekte des Gehirns und seiner Prozesse im geplanten Projekt Berücksichtigung und Darstellung finden sollen.


Das Gehirn, nicht nur Schaltstelle, sondern auch kleines Weltzentrum


Das Gehirn wird sich als Hauptexponat über die Grundebene bis hinauf zur Galerieebene auf einem Grundriss von 8 mal 6 Metern (Maßstab 50:1) erstrecken, es werden 6-8 Pavillons zur Nutzung gelangen. Es kann eine Sicht von außen und von innen eingenommen werden. Die Dokumentierung der Evolution des Gehirns wird eine zentrale Funktion einnehmen. Immer soll der Bezug zu dem, was eine/n jede/n betrifft gewahrt bleiben. Abstraktes Wissen werde nicht im Vordergrund stehen.


Die Angebote werden interaktiv gestaltet. Animationen werden eine ganz eigene Atmosphäre begünstigen. Eine wissenschaftlich nachvollziehbare Funktion für das anschauliche Gehirnverständnis übernehmen auch Krankheiten wie Parkinson und M+S. Die einzelnen Regionen werden herausgestellt, können ‚betreten‘ werden. Welche Funktion ist wo lokalisiert, auch das wird versucht zu verdeutlichen. Wie laufen die Änderungen an einem ‚Wunderwerk‘ ab, wie scheinen sie abgelaufen zu sein, was kann künftig erwartet werden?


Das Konzept der kommenden Ausstellung ist ein offenes. Evolutionäre Erkenntnisgrenzen, durch den Evolutionsprozess selbst bedingt – weil er eine Richtung hat und unabgeschlossen ist - und eine Darstellung dessen, was wir noch nicht wissen, werden das Ausstellungskonvolut flankieren.
Das Konzept der neuen Anlage ist nicht modular zu verstehen, das würde für die schlechtere Variante gehalten. Konzept und Ausführung beruhen auf einem Ansatz der Durchgängigkeit und Vernetzung der Regionen und Ausstellungsbereiche

 

Foto:

(c) Museum- Grafi begehbares Gehirn, Urheber Hertie-Stiftung


Info:

Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, 60325 Frankfurt am Main, Senckenberganlage 25, +49 (0) 69 7542 1561 www.senckenberg.de
Es stellten vor: Frank-J. Weise, Vorstandsvorsitzender der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, Volker Mosbrugger, Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Martin Cepek, Leiter des Stabs Zentrale Museumsentwicklung (SGN) und Michael Madeja, Geschäftsführer der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung.