Kurt Nelhiebel
Bremen (Weltexpresso) – Stauffenberg kehrte in dem Glauben nach Berlin zurück, das Attentat sei geglückt. Die Meldung über den Fehlschlag hatte dort inzwischen die Unsicherheit im inneren Kreis der Verschwörer verstärkt.
Über die unter ihnen seit langem herrschende Stimmung bekannte der zu ihrem Kreis gehörende General Fromm bereits am 20. 2. 1943 in seinem Tagebuch: „Der eine will handeln, wenn er Befehl erhält, der andere befehlen, wenn gehandelt ist . . .“. Da es der Chef des Nachrichtenwesens, der in die Attentatspläne eingeweihte General Fellgiebel nicht vermochte, die „Wolfsschanze“ wie vorgesehen von der Verbindung zur Außenwelt abzuschneiden, konnte die Kamarilla um Hitler unverzüglich Gegenmaßnahmen einleiten.
Kritisch äußert sich auch Dr. Franz Reuter in seinem Buch über das Verhalten der Verschwörer: „Auch nach dem Misslingen des Attentates brauchte nicht alles verloren zu sein, wenn die weitere Durchführung besser vorbereitet, oder richtiger gesagt – die militärischen Vorbereitungen waren jedenfalls sehr umfangreich – nicht zu einseitig auf den Tod Hitlers abgestellt gewesen und nach dem Misserfolg ein anderer hoher Offizier vor die Front gesprungen wäre. Dass Letzteres nicht geschah, wird immer unbegreiflich bleiben.“ Über den entscheidenden Punkt des „Fehlschlages“ schreibt Reuter: „Im tiefsten Grund ist der 20. Juli misslungen, weil die Generale sich viel zu spät und zu wenig entschieden und umfangreich hinter die Zivilisten gestellt haben. Immer wieder haben sie Ausreden aus der jeweiligen Situation gehabt.“
Tatsächlich hatten die Verschwörer Vertrauensleute und Anhänger in vielen ausschlaggebenden Kommandostellen der Wehrmacht, in der Spionage und Abwehr, ja sogar in Dienststellen der SS und Gestapo. Sie verfügten somit über eine große Anzahl von Waffen, aber vor dem offenen Kampf schreckten sie zurück, wobei - wie bereits ausgeführt – der entscheidende Mangel das Fehlen einer engen Beziehung zu den im Volk verwurzelten Widerstandsgruppen und zum Volk überhaupt war.
Die Pläne der Verschwörer
Bleibt die Frage, welche Ziele die Verschwörer anstrebten. Günther Weisenborn schreibt in dem Buch „Der lautlose Aufstand“, dass über die Frage der Berechtigung des von den Verschwörern eingeschlagenen Weges, einen Staatsstreich von oben zu versuchen, statt von unten die Opposition der Massen zu aktivieren, in Widerstandskreisen viel diskutiert worden ist. Es liegt eine Reihe von Äußerungen vor, wonach es verschiedenen Teilnehmern der Verschwörung nicht darum ging, mit dem Kriegswahnsinn Schluss zu machen, sondern ein Arrangement mit den westlichen Alliierten zu suchen, um dort Kräfte für eine Niederringung der Sowjetunion zu mobilisieren. „Das Hauptmotiv für ihre Aktionen“, so schreibt Allen W. Dulles in seinem Buch „Verschwörung in Deutschland“ auf Seite 170, „ist der glühende Wunsch, Zentraleuropa davor zu bewahren, ideologisch und faktisch unter russische Herrschaft zu kommen.“ Weiter heißt es: „Anfang Mai 1944 bekam Gisevius aus Berlin einen Plan...Der Hauptinhalt des Planes war, dass die antinazistischen Generale den amerikanischen und britischen Truppen den Weg für die Besetzung Deutschlands frei machen und gleichzeitig die Russen an der Ostfront festhalten würden.“
Aus dem von Goerdeler im Fall des Gelingens des Attentates für die Presse bestimmten „Aufruf an das deutsche Volk“ geht hervor, dass möglicherweise nicht einmal an einen sofortigen Rückzug der deutschen Truppen aus den völlig zu Unrecht überfallenen und besetzten Ländern gedacht war. Auch die Frage, ob die generelle Einstellung des Krieges geplant war, bleibt in dem Aufruf offen. Es heißt nämlich darin: „Unsere erste Aufgabe wird sein, den Krieg von seinen Entartungen zu reinigen.“ Es sollte dafür gesorgt werden, „dass, soweit zur Zeit noch fremde Gebiete besetzt gehalten werden müssen, den Betroffenen die volle Selbstregierung wieder ermöglicht und die Anwesenheit deutscher Truppen so wenig lastend wie möglich gemacht wird.“
Schluss folgt
Anmerkung: Allen W. Dulles, ehemals Direktor des amerikanischen Geheimdienstes CIA; Hans Bernd Gisevius war Verbindungsmann der Widerstandsgruppe um Generaloberst Beck zum US-Geheimdienst. Carl Friedrich Goerdeler sollte nach der Beseitigung Hitlers das Amt des Reichskanzlers übernehmen.
Fotos:
Titel © wikipedia.de
Der 20. Juli und vor allem Stauffenberg sind sehr häufig Thema von Filmen, einschließlich der schwarzen Augenklappe von Stauffenberg vor dem linken Auge. Hier links Tom Cruise © Filmverleih und Sebastian Koch © planet-schule.de
Info: Erstmalig erschienen am 18. Juli 1959 in DIE TAT. Im ersten Artikel erklärt die Vorbemerkung, wie es zum Abdruck der Texte - erstmalig erschienen am 18. Juli 1959 in DIE TAT - in Weltexpresso kommt.
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Der 20. Juli und vor allem Stauffenberg sind sehr häufig Thema von Filmen, einschließlich der schwarzen Augenklappe von Stauffenberg vor dem linken Auge. Hier links Tom Cruise © Filmverleih und Sebastian Koch © planet-schule.de
Info: Erstmalig erschienen am 18. Juli 1959 in DIE TAT. Im ersten Artikel erklärt die Vorbemerkung, wie es zum Abdruck der Texte - erstmalig erschienen am 18. Juli 1959 in DIE TAT - in Weltexpresso kommt.