Erfahrungen mit dem Wahl-O-Mat zur Bundestagswahl 2017
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Das Spiel mit dem Wahl-O-Mat verschaffte mir zunächst etwas Frust, verhalf mir dann aber auch zu diebischer Freude und erwies sich schließlich als durchaus anregende Unterhaltung.
Der Frust begann beim Lesen der FAQ: „Wieso kommen manche wichtige Themen im Wahl-O-Mat nicht zur Sprache und wer entscheidet, welche Themen wichtig sind und welche nicht?“
Die Antwort der Bundeszentrale für politische Bildung lautet:
„Aus unterschiedlichen Perspektiven erscheinen unterschiedliche Themen wichtiger als andere. Regierung und Opposition, Parteien und Bürger, Medien und Wissenschaft finden unterschiedliche Themen unterschiedlich wichtig. Die Auswahl der Thesen für den Wahl-O-Mat bezieht vor allem auch die Themen mit ein, zu denen die Parteien unterschiedliche Meinungen haben und die für ein breites Spektrum von Menschen im Land von Interesse sind. Leider sind während des Entstehungsprozesses auch Thesen aus dem Wahl-O-Mat gefallen, die von bestimmten Gruppen als wichtig empfunden werden. Dies kam vor, weil die Thesen von einzelnen Parteien zu ähnlich beantwortet wurden, Thesen nur schwer verständlich waren oder andere Themen als wichtiger eingeschätzt wurden.“
Das sah danach aus, dass meine Ansprüche an die politischen Parteien vermutlich gar nicht als relevante Themen erkannt und entsprechend formuliert waren, zumindest nicht explizit. Hier einige Beispiele aus meinem persönlichen Forderungskatalog:
Die Abgasreinigung bei Verbrennungsmotoren muss gegen 100 Prozent tendieren.
Wer durch Fluglärm geschädigt wird, muss dafür monatlich in der Höhe einer Durchschnittsrente von den Fluglinien und Flughafenbetreibern finanziell entschädigt werden.
Bereits als Jungsozialist habe ich mich in den 70ern für ein Verbot des Immobilienhandels und seiner Berufsgruppen eingesetzt und möchte das endlich umgesetzt wissen.
Ebenso trete ich für ein Verbot des Lobbyismus ein.
Die EZB muss neue Arbeitsrichtlinien erhalten, die sich ausschließlich an gemeinnützigen Kriterien zu orientieren haben. Der Einfluss der Banken muss auf Null reduziert werden.
Neben den Banken müssen auch Großbetriebe verstaatlicht werden; die Privatisierung der Deutschen Bundespost und der Postbank ist zurückzunehmen, die Privatisierung der Deutschen Bahn ist nicht weiterzuverfolgen.
Das Niveau der gesetzlichen Rente darf 60 Prozent des früheren durchschnittlichen Nettoeinkommens nicht unterschreiten.
Religion ist Privatsache, sie darf im öffentlichen Raum weder praktiziert noch zur Schau gestellt werden.
Armut ist verboten (wie einst im Preußen des 19. Jahrhunderts).
Dummheit ist verboten.
Da also dies alles nicht als Wahlmöglichkeit ausgewiesen ist, musste ich Kompromisse eingehen, was mir gar nicht liegt. Nachstehend das, was ich als dringend wünschenswert angekreuzt habe:
Kein Einsatz der Bundeswehr im Inland bei Terrorbekämpfung
Dieselkraftstoff für PKW soll höher besteuert werden
Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien
Spürbare Förderung des sozialen Wohnungsbaus
Die BAföG-Leistungen sollen an die Einkommen der Eltern geknüpft werden
Schuldenschnitt für Griechenland
Generelles Tempolimit auf Autobahnen, Landstraßen und in Städten
Keine Erhöhung des Verteidigungshaushalts
Gesetzlich einklagbare Verpflichtung für Betreiber von Internetseiten zur Löschung von Fake-News
Vorrang für eine ökologische Landwirtschaft
Verbot befristeter Arbeitsverträge
Impfpflicht für Kinder
Alle Banken sollen verstaatlicht werden
Der Völkermord an den Juden muss weiterhin zentraler Bestandteil der deutschen Erinnerungskultur sein
Die Haushaltsüberschüsse nicht zum Abbau von Staatsschulden nutzen, sondern in Bildung, Infrastruktur und Sozialstaat investieren
Begrenzung der Nutztierhaltung
Braunkohleabbau einstellen
Verbot von Leiharbeit
Renteneintritt nach 40 Beitragsjahren abschlagsfrei ermöglichen
Festhalten am Euro
Hohe Vermögen sollen besteuert werden
Einführung einer Bürgerversicherung (Krankenversicherung) für alle
Projekte gegen Rechtsextremismus müssen weiterhin gefördert werden
Wohneigentum, auch das selbstgenutzte, soll versteuert werden
Verbot von Rüstungsexporten
Flüchtlingen, die Integrationsmaßnahmen ablehnen, müssen die Leistungen gekürzt werden (in Anlehnung an die geltenden Hartz IV-Regelungen)
Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung
Der Gottesbezug im Grundgesetz soll entfallen
Die Zusammenarbeit der EU-Mitgliedsstaaten soll verstärkt werden - vor allem bei der Weiterentwicklung sozialen Mindeststandards, bei der Einführung einheitlicher Steuersätze und bei Maßnahmen gegen Steuerflucht
Das ergab eine 71,1 prozentige Übereinstimmung mit dem Programm der LINKEN, während die SPD nur 59,2 Prozent Übereinstimmung für sich verbuchen konnte. Soll ich jetzt die LINKE wählen? Obwohl mir einige ihrer Wahlplakate überhaupt nicht gefallen (sind schlicht doof) und einige ihrer vorgezeigten Politiker/Politikerinnen auf mich einen überaus dummen Eindruck machten.
Wer die Wahl hat, hat die Qual.
Foto:
Starseite des Wahl-O-Mat im Internet. © Bundeszentrale für politische Bildung