Politische Verlogenheiten von AfD bis IAA und darüber hinaus
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Eine Woche vor der Bundestagswahl lenkt ein Teil der Medien, darunter auch die öffentlich-rechtlichen, die Aufmerksamkeit auf einen Mann, der in süßen Schleim verpackte politische Ignoranz proklamiert: Christian Lindner, FDP-Vorsitzender.
Doch das ist nur einer von zahlreichen Versuchen, die öffentliche Meinung zu manipulieren und zu entpolitisieren. So betreibt der Präsident des Verbands der Automobilindustrie, der CDU-Politiker Matthias Wissmann, anlässlich der Eröffnung der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt eine Umkehrung aller Werte. Den systematischen Betrug von Volkswagen und Daimler, mutmaßlich auch noch von anderen Herstellern, nennt er schlicht „einen Fehler“. Das klingt nach Orwells „1984“, in welchem sich eine Partei-Oligarchie die Deutungshoheit aneignet: Aus Krieg wird Frieden, aus Freiheit Sklaverei, aus Unwissenheit Stärke.,
Wissmanns politische Kosmetik ist selbst bereits betrugsverdächtig. Schließlich wird gemäß § 263 Strafgesetzbuch wegen Betrugs bestraft, „wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch schädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellen oder Unterdrücken wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält“. In besonders schweren Fällen sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor. § 263, Absatz 3, Satz 2, definiert den besonders schweren Fall wie folgt: „Wer einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen.“
Da auf den Diesel-Skandal offensichtlich kein politisches Strafgericht folgt und das juristische wegen obrigkeitsstaatlicher Einflussnahme nicht voran kommt, machen Müller, Zetsche und Konsorten weiter wie bisher. Die Vergiftung durch Stickoxyde oder die ungehemmte Verbreitung des Klimakillers CO2 scheint sie zu animieren, das perverse Spiel auf die Spitze zu treiben. „Größer, fetter, SUV“ titelte die „Frankfurter Rundschau“ am Wochenende und beschrieb damit speziell die von deutschen Firmen präsentierten Neuheiten. Der deutsche Autofahrer scheint ein charakterloser und persönlichkeitsgestörter Spießer zu sein, der pausenlos auf der Straße Gewaltphantasien auslebt und dazu panzerähnlicher Fahrzeuge bedarf.
Und der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann spendet in der „FR“ sogar klammheimlichen Beifall, weil es um den Erhalt von 800.000 Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie gehe. Doch wer vertritt die Interessen der Geschädigten?
Mit dem Hinweis auf die Gefahr des Arbeitsplatzverlusts kann man anscheinend jedes Verbrechen rechtfertigen. Es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis sich die Menschenhändler, die Hersteller und Vertreiber von Kinderpornographie, die Finanzspekulanten, die Miethaie und andere kriminelle bis halbseidene Gewerbetreibende mit ihren Forderungen zu Wort melden. „Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!“ dichtete Bertolt Brecht vor etwa 80 Jahren. Es scheint so, dass sie seither nicht besser geworden sind.
Erwartungsgemäß setzte das AfD-Vorstandsmitglied Gauland der sowohl inhaltlich als auch formal fragwürdigen Debatte noch ein Sahnehäubchen auf, indem er den deutschen Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkriegs dankte. Dank dafür, dass sie einem zerstörerischen, die Menschenrechte missachtenden Vaterland dienten, dass sie unter die Mörder gerieten und häufig selbst zu Mördern wurden. Man hat es geahnt, jetzt wird es zur Gewissheit: In wenigen Wochen wird mit der AfD die Interessensvertretung der politschen Gewaltverbrecher im Bundestag sitzen. Selbstverständlich demokratisch gewählt, aber eben von Leuten, deren permanent behauptetes Deutschtum genauso widerwärtig ist wie der fürchterlicher Dialekt, mit dem sie ihre Paranoia artikulieren. Sächsisches Lumpenproletariat, wahlweise in Biedermannskostümen oder in Springerstiefeln, auf einem anachronistischen Marsch in eine Zukunft, die das endgültige Ende Deutschlands und aller seiner positiven Werte besiegeln könnte.
Auf diesem Schauplatz obskurer und gefährlicher Eitelkeiten fällt der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz regelmäßig durch Stellungnahmen positiv auf, die zur Hoffnung berechtigen könnten. Andererseits hat er es seit seiner Nominierung im Februar dieses Jahres geschafft, seine Umfragewerte von über 30 Prozent Zustimmung wieder auf 20 bis 23 Prozent herunterzudrücken. Anscheinend haben die Menschen gespürt, dass sich Schulz gegen die Betonkopfriege in der eigenen Partei nicht durchsetzen kann. Die Schatten von Müntefering, Riester, Scholz oder Schröder scheinen zu groß zu sein und in die Schuhe von Willy Brandt passt ohnehin seit vier Jahrzehnten kein Sozialdemokrat hinein.
Enttäuschend ist auch das Gebaren der Linken. Die Sprüche auf den Wahlplakaten verärgern die Nachdenklichen unter den Arbeitnehmern und verfehlen die Intellektuellen. Auf beide aber ist die Partei zwingend angewiesen. Die Republik würde nicht untergehen, wenn Forderungen wie „Verstaatlichung ist die beste Vermögenssteuer“, „Der Mensch ist das Maß aller Dinge - nicht die Interessen des Neoliberalismus“, „Entfremdung ist, wenn man um den gerechten Lohn für seine Arbeit gebracht wird“, „Bezahlbares Wohnen ist ein Grundrecht“ oder „Bürgerversicherung - wenn nicht jetzt, wann dann?“ das Straßenbild bestimmten. Zumindest wären dadurch Themen gesetzt, die von anderen bewusst verschwiegen werden. Stattdessen sind die Wahlveranstaltungen von einem Dilettantismus geprägt, der allenfalls die ohnehin Überzeugten zufriedenstellt. Ähnlich wie die SPD überlässt auch die Linke die Sorgen der sich als abgehängt fühlenden Arbeitnehmergruppen der AfD.
Das Wahljahr 2017 erweist sich als ein Qualjahr, weil die zur Wahl gestellten Alternativen kaum die tatsächlichen Probleme zur Sprache bringen. Darum ist zu befürchten, dass das Wahlergebnis schauerlich sein wird.
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Bundestagswahl 2017, © Deutscher Bundestag