Helga Faber
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Zum ersten Mal haben wir uns dieses Jahr gefragt, warum eigentlich keiner der Tage, an denen an die Verbrechen der Nazis erinnert wird, wie der 27. Januar, der Tag der Befreiung von Auschwitz 1945 von der Roten Armee, oder der 8. Mai als Tag der Befreiung von Nazijoch und Ende des Krieges, oder der 20. Juli 1944 als Versuch des erlaubten Tyrannenmordes an Hitler zu einem Feiertag wurden. Feiertag deshalb, weil man dann dieses Tages besser und länger gedenken kann. Und so müssen und werden wir das halt in der normalen Woche tun. Wobei in Frankfurt - so hat man den Eindruck - nicht weniger passiert als in anderen Jahren - sondern mehr! Daß dennoch die nachwachsende Jugend tatsächlich eine dürftige Kenntnis über das Dritte Reich hat, kann man nicht verstehen, ist aber so. Wie gut wäre es, sie hätten diese Veranstaltung miterlebt.
Oberbürgermeister Peter Feldmann hat auf der zentralen Gedenkveranstaltung der Stadt anlässlich der Novemberpogrome deutlich festgestellt: „Vor 79 Jahren, in der Nacht vom 9. auf den 10. November, brandschatzten SA- und SS-Organisationen, ein marodierender Mob, die Synagogen und verwüsteten Geschäfte und Wohnungen. Nach heutigem Wissen wurden in Deutschland rund 1.500 Synagogen, 200 Wohngebäude und 7.500 Geschäfte zerstört. Noch in derselben Nacht verhafteten Polizei und Helfershelfer jüdische Männer in ihren Wohnungen und Häusern, trieben sie brutal zu Sammelplätzen und verschleppten sie in den nächsten Tagen gewaltsam in Konzentrationslager. 1500 Menschen kamen in unmittelbarer Folge dieses Terrors zu Tode. 30.000 männliche Personen – darunter auch viele Jugendliche und Betagte – wurden deportiert. Von ihnen starben allein bis Kriegsbeginn 1000 in der Haft. Nun leben wir wieder in einer Zeit, in der von rechtsextremer Seite immer dreister Schlussstrich-Debatten gefordert werden. In der das Gedenken an die Schoa auf schändliche Weise beleidigt wird. In der mit Tabubrüchen auf Kosten von Minderheiten Publizität und politischer Erfolg erzielt werden soll. In einer solchen Zeit müssen wir feststellen: Auch 79 Jahre nach den Novemberpogromen sind die erschütternden Geschehnisse nicht einfach Geschichte, die analysiert und beschrieben werden kann. Der Antisemitismus, der sie prägte, ist immer noch Teil unserer Gegenwart. Eine Herausforderung, der wir noch viel entschiedener begegnen müssen.“
Professor Leo Latasch, Vorstand der Jüdischen Gemeinde: „Es gilt, möglichen Anfängen zu wehren und das Erinnern trägt entscheidend dazu bei, das Bewusstsein für diese latente Gefährdung unserer Gesellschaft wach zu halten. Wenn wir erlauben, dass die letzten Überlebenden ihre Erinnerungen und Erfahrungen, ihre persönlich erzählte Geschichte mit ins Grab nehmen, wird der Holocaust wie ein Albtraum verblassen, doch genauso wie ein Albtraum immer wiederkehren, um uns zu verfolgen.“
Heute den „Mantel des Schweigens über das Schweigen von damals zu breiten“, heiße die Wahrheit zu ersticken, hob Stadtdekan Johannes zu Eltz hervor. Denn nicht allein Angst habe die Katholiken gehindert, sich mit den Juden solidarisch zu zeigen, sondern „die tiefe Befremdung der Christen gegenüber den Juden, ein Graben, den keine Anstrengung der Assimilierung je ganz hat zuschütten können.“ Ein „Eisstrom der Entfremdung“ habe die Menschen erfasst, sodass sie den Mit-Menschen die volle Mit-Menschlichkeit entzogen: „Angst ist entschuldbar, Unmenschlichkeit nicht.“
Das Evangelium vom barmherzigen Samariter zeige, sagte zu Eltz, „kraftvoll, lebendig und trennscharf“, wie Mitmenschlichkeit auch in Todesnot helfen kann: „Das Nötige tun – die Nächstenliebe – war das Naheliegende.“ 79 Jahre nach der Pogromnacht gibt es in Frankfurt wieder blühendes jüdisches Leben, sagte der Stadtdekan. Aber es gebe auch immer noch „Räuber, die nach diesem Leben trachten. Sie verstecken sich nicht mehr, sondern nehmen in der Öffentlichkeit Platz.“ Deshalb sei es geboten, sich der Erinnerung an das schändliche Schweigen nicht zu verweigern: „Hoffentlich haben wir die Lektion der Menschlichkeit gelernt.“
Fotos: © Stadt Frankfurt Maik Reus
Oberbürgermeister Peter Feldmann bei der Gedenkstunde anlässlich der Pogromnacht
Professor Leo Latasch, Vorstand der Jüdischen Gemeinde: „Es gilt, möglichen Anfängen zu wehren und das Erinnern trägt entscheidend dazu bei, das Bewusstsein für diese latente Gefährdung unserer Gesellschaft wach zu halten. Wenn wir erlauben, dass die letzten Überlebenden ihre Erinnerungen und Erfahrungen, ihre persönlich erzählte Geschichte mit ins Grab nehmen, wird der Holocaust wie ein Albtraum verblassen, doch genauso wie ein Albtraum immer wiederkehren, um uns zu verfolgen.“
Heute den „Mantel des Schweigens über das Schweigen von damals zu breiten“, heiße die Wahrheit zu ersticken, hob Stadtdekan Johannes zu Eltz hervor. Denn nicht allein Angst habe die Katholiken gehindert, sich mit den Juden solidarisch zu zeigen, sondern „die tiefe Befremdung der Christen gegenüber den Juden, ein Graben, den keine Anstrengung der Assimilierung je ganz hat zuschütten können.“ Ein „Eisstrom der Entfremdung“ habe die Menschen erfasst, sodass sie den Mit-Menschen die volle Mit-Menschlichkeit entzogen: „Angst ist entschuldbar, Unmenschlichkeit nicht.“
Das Evangelium vom barmherzigen Samariter zeige, sagte zu Eltz, „kraftvoll, lebendig und trennscharf“, wie Mitmenschlichkeit auch in Todesnot helfen kann: „Das Nötige tun – die Nächstenliebe – war das Naheliegende.“ 79 Jahre nach der Pogromnacht gibt es in Frankfurt wieder blühendes jüdisches Leben, sagte der Stadtdekan. Aber es gebe auch immer noch „Räuber, die nach diesem Leben trachten. Sie verstecken sich nicht mehr, sondern nehmen in der Öffentlichkeit Platz.“ Deshalb sei es geboten, sich der Erinnerung an das schändliche Schweigen nicht zu verweigern: „Hoffentlich haben wir die Lektion der Menschlichkeit gelernt.“
Fotos: © Stadt Frankfurt Maik Reus
Oberbürgermeister Peter Feldmann bei der Gedenkstunde anlässlich der Pogromnacht