Der anhaltende deutsche Groll auf Israel trat bei der Hundertjahrfeier der Balfour-Erklärung erneut zutage, zum Beispiel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Teil 5/5
Matthias Küntzel
Hamburg (Weltexpresso) -Dies änderte sich rapide, als ab Mitte der Dreißigerjahre mit dem Mufti von Jerusalem ein radikaler Antisemit die Oberhand gewann und die auf Koexistenz setzenden Araber zu terrorisieren begann. Er wurde hierbei vom nationalsozialistischen Deutschland mit Geld, Waffen und antisemitischer Propaganda unterstützt.
Wenn heute beklagt wird, dass „die bürgerlichen und religiösen Rechte“ der Palästinenser nach wie vor „beeinträchtigt“ werden, dann sind dafür weder Juden noch Briten, sondern jene radikale Antisemiten, die die arabisch-palästinensische Nationalbewegung seit Mitte der Dreißigerjahre dominieren, verantwortlich zu machen.
Schon 1937 begann die britische Regierung mit dem „Peel-Plan“ die Balfour-Erklärung und ihre damit verbundene Mandatsverpflichtung im Sinne einer Zweistaaten-Lösung auszulegen. Zehn Jahre später schlossen sich die Vereinigten Nationen mit dem erneuten Vorschlag einer Zweistaaten-Lösung an. Hätte sich die Führung der palästinensischen Araber 1947 darauf eingelassen, könnte heute der 70. Jahrestag der Gründung des arabischen Teilstaats „Palästina“ gefeiert werden.
1947 aber führte erneut Amin al-Husseini die Zügel und erstickte – wie schon 1937 – das Teilungsprojekt im Keim. Ohne den arabischen Angriff im Mai 1948 auf das kurz zuvor von den Vereinten Nationen als Teilstaat sanktionierte Israel, hätte es die Flucht und Vertreibung der Palästinenser nicht gegeben.
Heute, anlässlich der Hundertjahrfeiern der Balfour-Erklärung zeigt sich, wie wenige die Palästinensische Autonomiebehörde unter Mahmoud Abbas hinzu gelernt hat. Mit ihrer Androhung, Großbritannien wegen der Balfour-Erklärung zu verklagen, beweist sie, dass es ihr nach wie vor nicht um einen Staat an der Seite Israels, sondern um einen Staat an der Stelle Israels geht.
Dieser absurde Versuch, 100 Jahre Geschichte rückgängig zu machen, verdiente keine Erwähnung, wären da nicht die arabisch-palästinensische Bevölkerung, die unter dem törichten Radikalismus ihrer Führung leidet und wäre da nicht der nicht minder törichte Leitartikel der FAZ, der diese Klageandrohung der Palästinensische Autonomiebehörde als „eine neue Strategie“ aufwertet erkennen will, die zugleich „ein Gradmesser der Frustration der palästinensischen Führung“ sei. Und wer hat Schuld an dieser Frustration? Na eben!
Die Schlagseite in der FAZ
Schon der Titel des Leitartikels „Hundert Jahre Unfrieden“ suggeriert, dass es die Juden und deren Unterstützer waren, die den Frieden beseitigten und „Unfrieden“ stifteten.
Eine Lektüre des Artikels bestätigt diese Intention. Er präsentiert die Balfour-Erklärung als isoliertes britisches Kolonialprojekt, vor dem angeblich ein Berater des US-Präsidenten mit den Worten „So schaffen Sie eine Brutstätte für den künftigen Krieg“ gewarnt haben soll. In Wirklichkeit bezog sich diese Warnung auf ein 1916 zwischen Paris und London vereinbartes Geheimabkommen, während der amerikanische Präsident die Balfour-Deklaration vor ihrer Veröffentlichung intern und anschließend auch öffentlich unterstützte.
Um „jüdische Heimstätte“ mit „Brutstätte für den künftigen Krieg“ assoziieren zu können, stellt Hermann die Geschichte auf den Kopf.
Gleichzeitig sei Israel dafür verantwortlich, dass die Palästinenser rechtlos geblieben seien, behauptet weiter der Autor, denn der Anspruch auf bürgerliche und religiöse Rechte nichtjüdischer Gruppen stehe
„im Widerspruch zur zionistischen Idee, der jüdischen Nation einen Staat zu geben, in dem die Juden vor Verfolgung geschützt sein sollen. Ein solches Szenario sieht keinen Platz für Palästinenser vor.“
Auch hier dreht die Phantasie des Autors mit ihm durch: Er insinuiert ein araberfreies Israel, wo doch die PLO einen judenfreien Staat haben will.
Im logischen Anschluss an diese Behauptung werden allein Israel und der Zionismus nicht nur für das Scheitern der Zwei-Staaten-Lösung, sondern auch für den Antisemitismus in der Region verantwortlich gemacht. Die zionistische Bewegung sei eine Antwort auf den Antisemitismus in Europa gewesen, schreibt Hermann und fährt nicht ohne Häme fort:
„Die Folge der jüdisch-zionistischen Landnahme in Palästina war jedoch, dass nun in der arabischen Welt ein neuer Antisemitismus entstand.“
Abgesehen von dem abwertenden Begriff der „Landnahme“, der eine gewaltsamer Eroberung assoziiert, lässt Hermann außer Acht, dass dieser Antisemitismus bereits in den Dreißigerjahren entstand und von arabischsprachigen Rundfunkprogrammen aus dem nationalsozialistischen Berlin bis 1945 systematisch propagiert und befördert wurde. Eine der bevorzugten Hass-Figuren der Nazis war der „Judenhelfer Lord Balfour“, wobei man die Hetze, mit der man ihn damals überzog, auch heute noch als entferntes Echo wahrnehmen kann.
Hundert Jahre Unfrieden – dieses Fazit zum hundertsten Jahrestag der Balfour-Deklaration, hätte auch von der Presseabteilung der iranischen Botschaft oder einer Nazigruppe stammen können. Es hätte nicht das Fazit der wichtigsten Tageszeitung des Landes sein dürfen, das die Vernichtung der Juden vor wenigen Jahrzehnten vom Zaume brach.
Ist Hermanns Artikel Symptom? Während man in London und Jerusalem das Jubiläum der Erklärung feierte, die nicht nur die Grundlage für das heutige Israel schuf, sondern bewirkte, dass zwischen 1933 und 1940 400.000 Jüdinnen und Juden den Nazi-Terror durch Flucht oder Auswanderung nach Palästina überlebten, blieb in Berlin alles still: Kein Wort des Bundespräsidenten, kein Wort des Außenministers, kein Wort der Kanzlerin, kein Wort auf der Regierungspressekonferenz. Vielleicht war es besser so.
Foto: © deutschlandfunk.de
Info: Dieser Artikel erschien erstmals am 11. November in mena-watch. Wir entnehmen ihn mit freundlicher Genehmigung des Autors seiner Webseite
Unser Autor Matthias Künzel ist mit Vorträgen unterwegs und schreibt:
Am Mittwoch, den 22. November werde ich in Bonn zum Thema „Von der Muslimbruderschaft zum Islamischen Staat – Über die Geschichte des Islamismus und seine Folgen“ sprechen. Beginn: 20.00 Uhr, Veranstalter: AStA der Universität Bonn, Ort: Uni-Hauptgebäude, Hörsaal 8, Regina-Pacis-Weg, 53113 Bonn.
Am Donnerstag, den 23. November werde ich in Münster auf Einladung der dortigen Deutsch-Israelischen Gesellschaft zum Thema „Woher kommt der Judenhass in der arabisch-islamischen Welt?“ sprechen. Beginn: 19.30 Uhr. Franz-Hitze-Haus, Kardinal-von-Galen-Ring 50, Münster.
Am Dienstag, den 28. November werde ich an der Hochschule Emden zum Thema „Woher kommt der Judenhass in der arabisch-islamischen Welt?“ vortragen. Beginn: 18.00 Uhr.
Am Mittwoch, den 17. Januar 2018 werde ich in Stuttgart auf Einladung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft zum Thema „Lässt sich Irans Atombewaffnung noch verhindern? Zum transatlantischen Streit über das Atomabkommen mit Iran“ referieren.