Nachruf auf Gerd Köhler
Ulrich J. Heinz
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Am 18.Oktober 2017 starb in Rostock Gerd Köhler, geboren 1944, dessen Berufsort für die Gewerkschaft Erziehung & Wissenschaft sich von Frankfurt am Main in die halbe Welt dehnte.
Eine Trauerfeier am 30.November in der Goethe-Universität Frankfurt zeichnete mit seinem Wirken Jahrzehnte Bildungspolitik nach und stellte reformerische Grundsätze heraus, um deren Geltung auch nach Teilerfolgen neu zu ringen ist. Es sprachen die Universitätspräsidentin Birgitta Wolff, die Erziehungswissenschaftler Ludwig Huber und Klaus Klemm sowie Reinhard Kuhlmann, Sekretär des europäischen Metallarbeiterverbandes.
´Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung' im doppelten Sinne kann als Gerd Köhlers Leitgedanke gelten.
Er war bei beim Hauptvorstand ab 1973 Referent für das Bildungswesen, sodann bis 1980 für Hochschule & Forschung. Danach leitete er diesen Geschäftsbereich bis März 2006 als gewähltes Vorstandsmitglied.
An die Assistentenbewegung anknüpfend hat er geholfen, die berufliche Vertretung von Wissenschaftlern weiter zu entwickeln, ihre Belange im Tarifwesen und in der Hochschul- und Forschungspolitik des Bundes und der Länder zur Geltung zu bringen und diese sowie studentische mit der Hochschulentwicklung zu verbinden. Das führte ihn in Akkreditierungsrat und Hochschulräte Gießen, sodann seit 2004 in Frankfurt am Main, und in drei anderen Bundesländern. Er wollte auch aus den Strukturen heraus etwas bessern.
Er war bedacht auf die Breite der Belegschaft, beharrlicher Motivierer, Geburtshelfer von Konzeptionen, kluger Netzwerker, stetiger Antreiber von Bewegung, wirksamer Lobbyist, internationaler Verständiger und blieb in Auseinandersetzungen sachlich und mutig.
Mit den einwöchigen „Sommerschulen“ an der See förderte er das Gespräch verschiedener Strömungen der Wissenschaftspolitik ein Viertel Jahrhundert lang. Erträge seines Tuens sind in seinen zahlreichen Veröffentlichungen zu fassen; in jüngerer Zeit und kurz auf der Netzseite http://DENK-doch-MAL.de/wp/
.
Beim Übergang der DDR in die BRD mit ihrem Brauch, alle Hochschulbeschäftigten in einer Gewerkschaft zu sammeln, war er zu neuen Wegen bereit. Und er hat geholfen, Wissenschaftsbereiche zu erhalten oder wenigstens überzuleiten.
Er setzte sich weltweit für das Recht auf Bildung ein und den Schutz verfolgter Hochschulangehöriger - mit der Bildungsinternationalen, die er 1993 als Dachverband von rund vierhundert Gewerkschaften aus 170 Ländern mitbegründet hat oder gemeinsam mit dem World University Service (WUS).
Sein Vorlauf war um 1968 der AStA-Vorsitz in Göttingen aus einer Liste Unabhängiger Studenten, Vorstandsmitglied des Verbandes Deutscher Studentenschaften, Referent beim Deutschen Bildungsrat.
Die Würdigung auf der Netzseite der Goethe-Universität ist beispielhaft für seine gesamte Zeit:
„Gerd Köhler engagierte sich im Hochschulrat als kritisch-konstruktiver Begleiter der Stiftungsuniversität. Er gab wichtige Impulse für ... die Universitätsentwicklung. Köhler forderte bessere Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs und klare Regelungen für den Umgang mit Drittmittelgebern, er warnte vor möglicher Entsolidarisierung durch leistungsorientierte Bezahlung und appellierte an die Universität, sich in gesellschaftliche Auseinandersetzungen einzumischen.“ Um bei Rekordstudentenzahlen Kontinuität in Forschung und Lehre zu sichern, mahnte er eine entsprechende Personalstruktur an; „außerdem betonte Köhler die Notwendigkeit und Chance, den Hochschulentwicklungsplan als Universität gemeinschaftlich und transparent zu erarbeiten.
Er hat viele Themen frühzeitig in den Blick genommen, die an der Goethe-Universität dann auch umgesetzt wurden: vom gemeinschaftlich erarbeiteten Hochschulentwicklungsplan über die verbesserten Studienbedingungen durch das Programm ‚Starker Start ins Studium‘ bis zur Diskussion über die Situation von ...Wissenschaftlern am Beginn ihrer Karriere...“
Er war von den Vertretern der wissenschaftlichen und technisch-administrativen Mitarbeiter für den Hochschulrat nominiert worden und suchte immer wieder das Gespräch mit Mitgliedern der Goethe-Universität. Gleichzeitig fühlte er sich aber als Vertreter der Gesamtuniversität. „Eine solche Stimme ist nicht immer bequem, aber höchst erforderlich“, betonte der Vorsitzende des Hochschulrates.
Die Goethe-Universität als Bürgerstiftung war nach dem 1.Weltkrieg vermögenslos. Sozialdemokraten retteten sie durch Landesmittel; mit der Auflage, innerhalb ihrer eine „Arbeiterakademie“ zu errichten. Diese akademische Fortbildungseinrichtung für Arbeitnehmer besteht seit 1921 und ist mittlerweile in Europäische Akademie der Arbeit umbenannt.
Foto:
DENK-doch-MAL.de
Verfasserinfo:
Ulrich J.Heinz, weiland Fachgruppenvorsitz Hochschule und Forschung der hessischen GEW