tach Bildschirmfoto 2017 12 22 um 11.05.57Die Jerusalem-Frage vor der Uno-Vollversammlung

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Wer am Donnerstagabend nach Lichtblicken in dem sonst düsteren Ergebnis der Jerusalem-Abstimmung der Uno-Vollversammlung suchte, musste sich mit der stattlichen Zahl derjenigen Staaten begnügen, die sich entweder der Stimme enthielten oder gar nicht erst an der Abstimmung teilnahmen. Zu diesen zählten Staaten wie Ungarn, die Tschechische Republik, Litauen, Rumänien, Kroatien und Polen, aber auch Argentinien, Kolumbien, Mexiko, Ruanda, Süd-Sudan, Kenia, Kongo, die Ukraine, Bosnien und Myanmar, das mit seinem Verhalten wohl einen indirekten Preis für die rüstungsmässige Unterstützung durch Israel in seinem Kampf gegen die Rohynga-Minderheit zahlte.

Nüchtern betrachtet erteilten die Uno-Mitglieder Trump und Netanyahu, der die Weltorganisation noch am Mittwoch ein «Haus der Lügen» schimpfte, eine deutliche Abfuhr: 128 Mitglieder stimmten für eine Annullierung der Jerusalem-Erklärung des US-Präsidenten, neun waren dagegen (darunter die USA, Israel und Mikronesien), 35 enthielten sich der Stimme und 20 nahmen nicht an der Abstimmung teil.

«Jerusalem ist unsere Hauptstadt, wir werden fortfahren, dort zu bauen, und weitere Botschaften werden nach Jerusalem verlegt werden, ob die Uno es will oder nicht.» Mit diesen Worten machte Netanyahu noch am Donnerstag deutlich, dass die uralte Debatte um den Status der heiligen Stadt wohl einem neuen Höhepunkt entgegenstrebt.

Die Dringlichkeitssitzung der Uno-Vollversammlung wurde übrigens nicht nur von der Türkei beantragt, deren Präsident Erdogan sich mehr und mehr zum Hauptsprecher der virulenten Israel-Gegner empor stilisiert, sondern auch vom Jemen, einem Staat, der bei sich zu Hause von einem Stellvertreterkrieg der pro-saudischen Koalition und der pro-iranischen Houthi-Rebellen täglich mehr in Schutt und Asche geschossen wird, der sich im Uno-Glaspalast von New York aber immer noch als fanatischer anti-israelischer Rädelsführer aufspielen kann.

Ungeachtet all dieser Überlegungen werden US-Präsident Trump und Regierungschef Netanyahu wohl schon bald über ihre Bücher gehen und die Frage beantworten müssen, ob die Reaktionen auf die Jerusalem-Erklärung den Einsatz als angemessen erscheinen lassen.

Foto: © tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 21. Dezember 2017