Linke Einheitspartei oder linkes Bündnis? Teil 1/2
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Oskar Lafontaine hat angesichts des schlechten Abschneidens der SPD bei der Bundestagswahl zur Bildung einer linken Volkspartei aufgerufen, in der sich Linke, Teile der Grünen und der SPD zusammentun sollten. Sahra Wagenknecht wirbt ebenfalls für einen Neuanfang: "Viele in der SPD sind unzufrieden. Wenn man gemeinsam etwas Neues angeht, ist die Hürde vielleicht geringer, als wenn man sie einfach nur auffordert, in die Linke zu kommen", sagte sie dem "Spiegel".
Bei objektiver Beurteilung der politischen Verhältnisse spricht wenig bis gar nichts für eine neue Partei, aber durchaus vieles für die Schaffung eines Dachs, unter dem sich kommunistische, sozialistische und sozialdemokratische Parteien sowie andere Gruppen des demokratischen linken Sektors sammeln könnten. Denn die Erzfeinde der Demokratie, das rechtsradikale Milieu, haben so etwas längst vollzogen. Ganz abgesehen von den sich selbst als bürgerlich bezeichnenden Parteien CDU/CSU und FDP mit ihren diversen Verzweigungen in Wirtschaft, Verwaltung und Justiz. Oder von der Agitprop-Truppe der Metallarbeitgeber, der „Neuen Sozialen Marktwirtschaft“ mit ihrer aggressiven Verdummungsstrategie.
Rechts außen arbeiten außerparlamentarische Initiativen wie Querfront, Identitäre und Pegida mit der mittlerweile in vielen Parlamenten vertretenen neofaschistischen AfD zusammen und mutmaßlich auch mit der NPD. Den ideologischen Überbau bilden Publikationen wie „Junge Freiheit“ (die eine neue „konservative Revolution“ proklamiert) und „Sezession“ (Antaios Verlag) sowie generell die Verlagsprogramme von Antaios (einschließlich dessen „Instituts für Staatspolitik“), Kopp oder Manuscriptum.
Eine solche Vernetzung von Initiativen, Parteien und Publizistik kannte man im linken Spektrum bis 1990 vor allem von DKP, SDAJ und VVN, die Zeitungen und Zeitschriften wie „Unsere Zeit“, „Deutsche Volkszeitung“, „Marxistische Blätter“ und „ELAN“, den Musikverlag „PLÄNE“ und das breite Netz der „Kollektiv“-Buchhandlungen unterhielten. Der Partei DIE LINKE ist hingegen die Schaffung einer derartigen Gegenkultur bis heute nicht gelungen. Ihre Parteistiftung, die Rosa-Luxemburg-Stiftung, hat sich zwar einen respektablen Platz in der links-intellektuellen Szene erarbeitet, aber es mangelt ihr dennoch an Akzeptanz im akademischen Raum sowie ganz allgemein an Breitenwirkung.
Die SPD, die an regionalen und überregionalen Zeitungen wie der FRANKFURTER RUNDSCHAU oder der WESTFÄLISCHEN RUNDSCHAU (Dortmund) beteiligt war, hat ihre verlegerischen Aktivitäten fast auf null reduziert (wenn man von der Parteizeitung VORWÄRTS, der Monatszeitschrift NEUE GESELLSCHAFT/FRANKFURTER HEFTE und dem Verlag J.H.W. DIETZ Nachf. absieht). Mit der „Friedrich-Ebert-Stiftung“ versucht sie regelmäßig, sich in den gesellschaftlichen Diskurs einzuklinken, erreicht darüber aber vor allem die Schwestern und Brüder im Geiste und eindeutig zu wenig Multiplikatoren.
Der Deutsche Gewerkschafts-Bund hat seine Wochenzeitung „Welt der Arbeit“ 1990 eingestellt und sich auch aus der kulturell hoch engagierten „Büchergilde Gutenberg“ zurückgezogen. Lediglich mit dem Bund-Verlag verfügt er über einen Fachverlag für Arbeits- und Sozialrecht. Eine Kultur für Werktätige sieht anders aus.
Angesichts dieser Zerklüftung des linken und sozialdemokratischen Politik- und Kulturterrains ist die Analyse von Oskar Lafontaine und dessen Forderung nach einer umfassenden und überparteilichen linken Sammlungsbewegung nachvollziehbar. Dass diese auch seiner persönlichen Eitelkeit entspringt, ist zu vermuten. Ähnliches darf man bei Sarah Wagenknecht annehmen. Aber nur weil zwei Exoten (oder Unberechenbare) für neue Wege plädieren, müssen diese noch nicht falsch sein.
Eigentlich hätte ich erwartet, dass solche Ideen längst von linken Intellektuellen (z.B. Christoph Butterwegge) und kaltgestellten linken Sozialdemokraten (z.B. Andrea Ypsilanti) propagiert worden wären. Denn ein progressiv-linkes Bündnis tut in Zeiten des Neoliberalismus not. Der bevorstehende 5. Mai (200. Geburtstag von Karl Marx) eignete sich gut für eine Gründung.
Foto:
Briefmarke der Deutschen Bundespost zur Erinnerung an den 150. Geburtstag von Karl Marx am 5.5.1968
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