Vor 80 Jahren: Der ANSCHLUSS Österreichs an Hitler-Deutschland im März 1938, Teil 2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Nun gut, jeder weiß, daß selbst geschichtliche Fakten nicht neutral sind, dennoch wollen wir vor der näheren Beschäftigung mit dem, was zuerst in Österreich Anschluß hieß und nun auch in Deutschland so genannt wird, schlicht den Ablauf herausfiltern.
Normalerweise nämlich fängt dieser Anschluß mit dem Einmarsch der Deutschen in der Nacht vom 11. auf den 12. März 1938 an, der mit der Rede von Hitler auf dem Wiener Heldenplatz am 15. März quasi abgeschlossen war und ein gleichgeschaltetes Österreich zurückließ. Immerhin bis zum Ende des 2. Weltkrieges und der anschließenden Viermächtebesetzung Österreichs, was vor der offiziellen Kapitulation der Deutschen am 8. Mai in Österreich schon nach der blutigen – Rote Armee gegen Wehrmacht - Schlacht um Wien im April 1945 geschah.
Hitler hatte – schließlich muß alles seine bürokratische Ordnung haben – am 11. März eine Militärische Weisung für den Einmarsch in Österreich ausgestellt, die den Decknamen UNTERNEHMEN OTTO hieß. Am 12. März ließ er rund 65 000 Mann – eine Mischung aus bewaffneten Soldaten der Wehrmacht und Polizisten – in Österreich die Grenze überschreiten und ins Land einfallen. Proklamiert wurde das als persönliche Tat Hitlers, der nun sein eigenes Vaterland befreie, was als politische Idee seit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches 1806 existierte – und nicht nur auf der rechten Seite! Die großdeutsche Lösung war für die Paulskirchenbewegung 1848 wichtig und damals fortschrittlich gegenüber der kleindeutschen, die weithin eine preußische Lösung war. Und so gab es – und es muß einen nicht verwundern – auch nach dem 1. Weltkrieg eine großdeutsche Sehnsucht bei vielen Österreichern, die sich Hitler zu Nutze machte.
Also existiert die Idee von einem Anschluß auf beiden, der österreichischen und der deutschen Seite, sehr viel länger. Das können wir hier nicht nachzeichnen. Aber das, was dann ab 11./12. März geschah, wurde im Februar vorbereitet und mindestens mit diesem Ereignis muß man anfangen. Im Februar 1938 hatte Hitler den amtierenden österreichischen Kanzler Kurt Schuschnigg - ein Austrofaschist, der die Sozialdemokraten genauso verboten hatte, wie alles Linke - im Februar nach Berchtesgaden ‚geladen‘, wo er den österreichischen Kanzler ein Abkommen, das Berchtesgadener Abkommen vom 12. Februar, unterschreiben ließ, demnach Hitler freiwillig von Österreich gerufen werde. Der unterschrieb auch, doch ließ der drangsalierte Schuschnigg als Reaktion darauf bauernschlau ein Referendum für Österreichs Unabhängigkeit ausgerufen,
„Jetzt will und muss ich wissen, ob das Volk von Österreich dieses freie und deutsche, unabhängige und soziale, christliche und einige (...) Vaterland will!“
das er am 9. März angekündigt hatte und das am Sonntag, 13. März abgehalten werden sollte. Dabei muß genau unterschieden werden, daß dies keine Volksabstimmung, sondern eine Volksbefragung hatte sein sollen.
„Nachtigall, ick hör Dir trapsen...“, haben sich die Nazi-Reichsdeutschen wohl gedacht, denn sicher konnten sie sich nicht sein, daß sie eine Volksabstimmung in Österreich über den Anschluß an Deutschland gewännen – sonst hätten sie das schon viel früher in Gang gesetzt. Deshalb mußte die angesagte Volksabstimmung verhindert werden. Also galt die militärische Lösung, was in der Nacht zum 12. März begann und natürlich die geplante Abstimmung am Tag darauf obsolet werden ließ.
Jetzt ging es Schlag auf Schlag. In Linz wurde am folgenden Tag, dem ursprünglichen Referendumstag 13. März, stattdessen Das Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich , zwischen Hitler für das Deutsche Reich und Seyß-Inquart – den hatte Hitler als Innenminister in der österreichisches Regierung Schuschnigg aufgezwungen und der wurde Kanzler, als Schuschnigg am 11. März zum Rücktritt gezwungen, sich zwingen ließ - für Österreich vereinbart und am selben Tag in der zweiten Kabinettssitzung der neuen Regierung Seyß-Inquart in Wien beschlossen. Eine Randnotiz, daß Bundespräsident Miklas dieses Gesetz nicht unterschreiben wollte und deshalb zurücktrat, weshalb Seuß-Inquart als formaler Platzhalter dann gleich noch als Beurkunder nachrückte, also doppelt involviert war, seine Heimat zu verkaufen.
Der 13. März gilt als das offizielle Datum des Anschlusses, der sich aber öffentlichkeitswirksam über mehrere Tage hinzog. Die bisherige Regierung Österreichs wurde zur Österreichischen Landesregierung unter Aufsicht der Reichsregierung. Als Konsequenz wurde Österreich übrigens unmittelbar aus dem Mitgliederrund des Völkerbundes gestrichen, weil es den Staat Österreich nicht mehr gab.
So konnte Hitler ‚friedlich‘ und auf erzwungener juristischer Grundlage in Wien einziehen und verkündete am 15. März auf dem Heldenplatz vor angeblich einer Viertelmillion jubelnder Menschen, daß nun auch seine Heimat heim ins Reich gekommen sei. Das hat, schaut man die alten Aufnahmen und Filmaufnahmen an, schon einen religiösen Beigeschmack und war sicher auch so gemeint.
P.S.:
Kurt Schuschnigg überlebte den Anschluß, den Krieg und den Frieden. Er war in verschiedenen KZs inhaftiert, ein Schutzhafthäftling, wie das genannt wurde. Nach 1945 ging er in die USA, reüssierte in der Jurisprudenz, kehrte 1968 zurück nach Österreich, wo er friedlich 1977 starb. Ohne ihn und seine Politik hätte Hitler nicht derart bruchlos das vorbereitetes Nest weiter ausbreiten können, was sich als erstes gegen die jüdische Bevölkerung richtete.
FORTSETZUNG FOLGT
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Info:
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