Was die CSU in Berlin zur Regierungserklärung abzog, war eine Show wie aus einer schäbigen Klamotte und als Provokation gedacht
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Was will der Horst eigentlich? Geht es ihm nur um die Hoheit über die Stammtische, um diese zu instrumentalisieren und für sich einzuspannen? Was hat es mit dem schwer nachvollziehbaren Heimatbegriff auf sich, verbindet er damit den Schwulst des aufgeblähten Bauchs einer Subkultur, die sich längst gewandelt hat?
Gamsbart, Schuhplattler, bayrische Wirtshausmusik, das Folkloristische und Trachtenmäßige, wird es immer geben - und das ist gut so, aber das ist heute viel anders besetzt als anno dazumal. Ganz überwiegend jedenfalls. Es hat etwas Entspanntes angenommen. Mannsbild Seehofer lebt in einer nebulosen Vergangenheit, diese schwindet aber, ohne ganz abzusterben. Womöglich geht die bayrische Heimat in die Weltkultur ein und wird an allen Ecken und Enden adaptiert und imitiert.
Seehofer biedert sich einer von ihm unscharf wahrgenommenen Klientel an, die längst Rost angesetzt hat. Die Behauptung gilt: Bayern ist längst anders als die CSU meint. Sie konkurriert mit der AfD nur in einem schmalen Segment, soweit ein diffus romantisch reaktionärer Volksgeist angesprochen ist. Das könnte der CSU zur Falle werden - die politisch nicht trägt. Die bayrischen Politkameraden sind im Berliner Regierungsamt wie Irrlichter und Geisterfahrer, geben die Urrumpel und Giftzwerge, haben sich unter einen totalen Profilierungszwang und in die Sackgasse einer durchgedrehten männerbündischen Unduldsamkeit gegenüber heutigen konkurrierenden Einstellungsmustern begeben.
Seehofer, obwohl noch der Gebildetere unter politisch umeinand´ Geisternden, wäre wohl kaum imstande die Definition von Heimat eines Ernst Bloch im entferntesten auch nur zu ahnen. Dies belegt, dass er aus einem bildungsfeindlichen Umfeld stammt, womit er sich längst abgefunden haben dürfte, obwohl er auch anders könnte. Sonst müsste er auf den Gedanken kommen, dass es doch überall gute Heimatländer gibt, die auch ihre Stärken haben. Und dass so etwas wie Heimat vielleicht erst noch bevorsteht. Darüber aber am Schluss.
Er versucht auch, ebenso wie andere Mannesvertreter der CSU, den Hardliner in allem und jedem rauszuhängen und zum Bayernkult zu erheben. Das verschafft Trieb- und Aggressionsabfuhr. Er ist ständig bemüht, sich bei den Stammtischen als harter Hund zu profilieren, aber eigentlich will er höchsteigen den totalen Herrscher abgeben, das ist die politische Variante der Testeronitis und der Herrschaftssucht eines Typs, der von vorgestern ist
Die Polizeigesetze will Seehofer verschärfen, na denn Prost Weißbier
Unter diesem weit ausgespannten Schirm einer missverstandenen bayrischen Kultur ist der totale Überwachungsanspruch Seehofers angesiedelt, der angetreten ist, die schon geltende, jedoch noch weiter zu verschärfende bayrische Polizeigesetzgebung auf die gesamte Bundesrepublik zu übertragen, wo sie dann nochmals verschärft werden soll.
Das Magazin Monitor berichtete am 15.03.2018 anhand eines geschilderten Falls von diesen totalen Überwachungsplänen Seehofers und ihren bereits erfolgten Auswirkungen. Ein Cellist, den es polizeilich erwischt hat, wird kurz im Bericht gestreift. Eine junge Frau aber geriet geradezu „in die Mühle deutscher Sicherheitsbehörden“, ohne dass sie irgendetwas verbrochen hatte. Sie, Ricarda, die nur eine Theaterprobe in einem Kulturcafè aufsuchen wollte, fand sich unvermittelt in einem Kontext, der ihr zum Verhängnis wurde. Auf demselben Gelände trafen sich nämlich gleichzeitig ein paar linke Aktivisten, die mit Knüppeln aus Zeitungspapier einen Polizeieinsatz nachspielten. Schon im Moment des Eintreffens der jungen Frau fuhr die Polizei urplötzlich mit 55 Beamten auf, weil sie mit der Gruppe der die Szene Nachspielenden „Gewalttäter am Werk sah“. Alles Unsinn, urteilte später ein Gericht.
Sie geriet mit ins Visier, musste ihren Ausweis vorzeigen. Damit aber war die Sache nicht erledigt. Für die Polizei war sie zur Sicherheitsgefahr geworden. „Über Monate wurde sie verfolgt. Sie bekam Meldeauflagen, es wurde sogar gegen sie ermittelt. Wegen angeblicher ‚Bildung bewaffneter Gruppen‘". Beides erwies sich als haltlos. Trotzdem leiteten die Behörden ihre Daten an den Verfassungsschutz weiter“. Hierzu muss man noch wissen: Ricarda hatte zu jener Zeit auf Lehramt studiert, musste nun aber mit dem Akteneintrag als Gefährderin leben. Sie macht sich nun Sorgen um ihren Leumund. Sie vermutet, dass sich Hörigkeit durchsetzt, wenn die Existenz derart ins Zwielicht gerät und eine übertriebene Vorsicht bei anderen Betroffenen überhand nimmt. „Und ich denke, dass wir dadurch natürlich noch angepasster werden und zu Hause schimpfen können, aber bloß nicht laut...“.
Auf dem Weg in den Polizeistaat
Seehofer reformiert schrittweise gerade das ‚Polizeiaufgabengesetz‘, weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit, wie Monitor vermerkt. Bislang musste die Polizei eine konkrete Gefahr nachweisen, um vorgehen zu können, nun aber reicht die Annahme einer drohenden Gefahr. Damit ist der Überwachung Unbescholtener Tür und Tor geöffnet, wenn allein der bloße Verdacht ausreicht. Niemand kann mehr ohne weiteres damit rechnen, ‚nicht beobachtet‘, ‚nicht erfasst‘ und ‚nicht gerastert‘ zu werden.
Damit rücken nach dem Gesetzentwurf der CSU ausgesprochen unangenehme und rechtsstaatlich unhaltbare Maßnahmen in den Bereich des jederzeit Möglichen: „Die Überwachung von Telekommunikation etwa, oder Kontopfändungen, elektronische Fußfessel, die Durchsuchung von Daten online. Alles ohne konkrete Hinweise auf eine Straftat“. Die Polizei kann‚ 'ohne Prozess, ohne Verteidiger‘ anordnen, so auch Aufenthaltsgebote.
Hartmut Wächtler, Gutachter Polizeiaufgabengesetz, urteilt: „Man muss sich klar sein darüber, dass damit die größte und umfassendste Kontrollkompetenz geschaffen worden ist für eine Polizei in Deutschland seit 1945. Soweit in das Privatleben von Bürgern hat die Polizei noch niemals eindringen dürfen“. Gänzlich abwegig ist zudem, dass die Polizei auf intimste Daten zugreifen kann, etwa auch in einer Cloud. Daten dürfen nicht nur durchsucht, gespeichert und gelöscht werden, sondern sogar verändert. „Auch die Kommunikation“.
Die Polizei kann also einem etwas in den Text schreiben, was er gar nicht geschrieben hat. „Das ist Daten verändern, und da sträuben sich doch die Haare, wenn man das hört“.
Das bayrische Innenministerium hält Kritik an der Gesetzgebung übrigens für „völlig unbegründet“, „das Gesetz gebe der Polizei lediglich, Zitat: bessere und modernere Eingriffsbefugnisse im Kampf gegen Terrorismus und Kriminalität“.
Die Hardliner haben die CSU übernommen
Die CSU begibt sich mit ihren Gesetzesänderungen auf einen Weg, der vom Rechtsstaat weit wegführt und an eine unselige Vergangenheit anknüpft. Die Vergangenheit lebt weiter in der CSU. Sie hat den Kultur- und Zivilisationsbruch nicht begriffen. Das war schon bei Franz Josef Strauß selig der Fall. Er selbst hat sich systematisch über Recht hinweggesetzt, wollte die Bundesrepublik zum autoritären Staat umkrempeln. Wenn es brenzlig wird, ist nicht die Lösung: Mehr Demokratie wagen, sondern die formierte, gleichgeschaltete und lückenlos überwachte Gesellschaft. Eine politisch im Rechtsaußensinn gleichgeschaltete Gesellschaft will die heutige CSU durchsetzen.
Sie begibt sich damit auf einen autoritären, obrigkeitsstaatlichen und menschenverachtenden politischen Abweg. Die FR titelte: „die brutalen Machtpolitiker haben in der CSU das Sagen“ und „In dieser neuen CSU haben die Gemäßigten den Wettbewerb verloren“. Ob die Wählerinnen und Wähler das zur Landtagswahl honorieren, ist fraglich.
Wie versprochen, nun noch die Definition des Heimatbegriffs des Philosophen Ernst Bloch:
„Die Wurzel der Geschichte ist der...die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Hat er sich erfasst und das Seine ohne Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat“. (Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung)
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