f Kippa IIEine Anmerkung zu den Kippa-Demonstrationen

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - In Berlin, Köln, Erfurt, Magdeburg und Potsdam sind Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Antisemitismus zu demonstrieren.

Anlass war der Angriff eines Mannes islamischen Glaubens auf einen Berliner, der eine Kippa trug und sich dadurch öffentlich zu seinem Glauben, dem Judentum, bekannte.

Auch ich besitze eine Kippa (oder Jarmulke); sogar eine besonders schöne mit dunkelgrünem Samtüberzug und silberfarbener Stickerei, gefertigt von der Tuchfabrik A. Turower in Tel Aviv (Israel). Ich führe sie mit mir, wenn mich mein theologisches und historisches Interesse in Synagogen führt – beispielweise in die wieder errichtete in Worms (samt ihrer Raschi-Jeschiba und der Mikwe).

Der Kantor, der sie mir vor 37 Jahren verehrte, wies mich darauf hin, dass es im Judentum keine verbindlichen Vorschriften gäbe, eine Kippa außerhalb von Gebetshäusern zu tragen. Und innerhalb dieser würde es auch ein Hut, eine Mütze oder notfalls sogar ein Taschentuch tun, um das Haupt zumindest andeutungsweise zu bedecken. Diese Hinweise und Ratschläge habe ich stets berücksichtigt, wenn ich Sachbücher über das Judentum, die für christliche und nichtgläubige Leser gedacht waren, redaktionell betreute.

An den oben erwähnten Demonstrationen am 25. April konnte ich allein wegen der Entfernung kurzfristig nicht teilnehmen. Aber ich hätte mich vermutlich auch nicht beteiligt, wenn es mir möglich gewesen wäre. Denn mir erscheint der ausschließlich quantitative Gebrauch eines religiösen Symbols, also der Kippa, als die falsche, weil zu schlichte Antwort auf drängende und sehr komplexe Fragen.

Doch ich besäße noch eine zweite Chance. Denn der Frankfurter Stadtkämmerer Uwe Becker (CDU), Vorstandsmitglied der örtlichen Deutsch-Israelischen Gesellschaft und ein Bewunderer des israelischen Premiers Netanjahu, hat für den 14. Mai in Frankfurt zu einer Kippa-Demonstration aufgerufen.

Eigentlich habe ich allen Grund, gegen islamistische Gewalttäter wegen ihrer menschenverachtenden Verbrechen zu protestieren. Sie verkörpern den mir widerlichen Typus des ungebildeten und gewaltbereiten religiösen Fundamentalisten und Fanatikers, der jedoch auch im nichtreligiösen Gewand immer häufiger in Erscheinung tritt. Vor allem im rechtsradikalen Milieu. Die Extremismusforscherin Julia Eber hat in ihrem neu erschienenen Buch den Nachweis geführt („Wut – was Islamisten und Rechtsextreme mit uns machen“). Ich persönlich werde seit zwei Jahren von einem Anhänger der Afd bedroht und beschimpft, weil ich das neu-braune Geseier samt der damit verbundenen Geschichtsklitterung von AfD, Identitären, Drittem Weg und NPD nicht länger hinzunehmen bereit bin und dagegen anschreibe (auch mehrfach in Beiträgen für Weltexpresso). Darum stellt sich das Problem des islamischen Antisemitismus (der häufig auf den klammheimlichen Beifall der Nazi-Antisemiten trifft) für mich anders dar.

Unsere demokratische Gesellschaft ist das Ergebnis eines langen und mit vielen Opfern verbundenen Kampfes gegen weltliche und religiöse Ideologien, die durchweg inhuman waren. Deswegen kann sie nur säkular sein und muss es auch bleiben. Selbst eine religiöse Überzeugung wie das Judentum, das mir wegen seiner großen Anzahl weisheitlicher Erfahrungen, die in Bibel und Talmud festgehalten sind, sympathisch ist, sollte beim Missbrauch religiöser Symbole nicht mitmachen; vor allem dann nicht, wenn diese auch als unkritische Bestätigung israelischer Ansprüche auf palästinensische Gebiete interpretiert werden können.

Orthodoxe Muslime werden rasch darauf drängen, auch ihre Symbole einer vermeintlichen Volksfrömmigkeit (Kopftuch und Schleier für Frauen) als Bestandteile des öffentlichen Lebens zu akzeptieren. Der bayerische Ministerpräsident Söder hat bereits die Gunst der Stunde genutzt, um das christliche Kreuz ungeachtet des staatlichen Neutralitätsgebots in den Eingängen öffentlicher Gebäude zu platzieren. Der katholische Glaube, der in seiner besonders schlichten Form in Bayern stark präsent ist, erlangt dadurch eine Bedeutung, die ihm nicht zukommt.

Die Demokratie bedarf gegenüber Demagogen – egal welcher Couleur – einer anderen Kampftechnik als der des reinen Symbolismus. So trete ich den Hakenkreuz-Fraktionen nicht mit dem Bundesadler entgegen, konfrontiere ich den unreflektierten Islam weder mit christlichem Kreuz noch mit Davidstern oder Kippa. Denn religiöse und nationalistische Fanatiker sind gegen alle Menschen angetreten, die sich von niemandem verbiegen und instrumentalisieren lassen. Und deswegen muss unsere Antwort frei sein vom Versuch der Inanspruchnahme durch Dritte.

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Die Kippa des Autors
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