Bildschirmfoto 2018 05 17 um 21.59.21Getrennte Welten: Massen-Demo in Gaza, Botschaftsfeier in Jerusalem. Hamas meldet hohe Verluste aus Gaza

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Vor dem Hintergrund der wachsenden Spannung in der Westbank und im Gazastreifen als Vorbereitung für den auf den Dienstag fallenden Nakba-Tag (an diesem Tag erinnern sich die Araber der «Katastrophe» der Gründung Israels) und der erfolgten Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem, wurden in Ostjerusalem in der Nacht auf den Montag zwei gewalttätige Zwischenfälle registriert. So wurde Sonntag Nacht eine Brandbombe in ein jüdisches Heim im Ostjerusalemer Quartier von Silwan geschleudert. Ein Polizist am Tatort wurde am Auge verletzt. Dann fanden am Montagmorgen die Besitzer von 26 Fahrzeugen im Ostjerusalemer Viertel von Shuafat die Pneus ihrer Autos durchstochen. Ein Graffiti am Tatort mit dem Slogan «Juden, wacht auf» deutet auf jüdische Rechtsextreme als mögliche Täter hin. Daneben ging bei Steinwürfen gegen eine Zugskomposition der Jerusalemer Schnellbahn bei Shuafat ein Fenster in Brüche, doch verletzt wurde niemand.

Die feierliche Eröffnung der US-Botschaft im Westjerusalemer Viertel Arnona legte einerseits ein beeindruckendes Zeugnis ab für die tiefe Freundschaft und Allianz zwischen Washington und Jerusalem. Die Reden von Staatspräsident Rivlin, die Video-Botschaft von Präsident Trump und die Worte von Premier Netanyahu waren ebenso wie die bei allem Realismus optimistischen Ausführungen von Jared Kushner geprägt vom unerschütterlichen Bekenntnis zu Jerusalem, aber auch von der trotz aller nicht ignorierter Problemen gestärkter Hoffnung auf eine Rückkehr zum Friedensprozess. Nicht zu vergessen die ernst gemeinten und ebenso empfundenen Worte des Dankes an den amerikanischen Präsidenten, der nicht nur Versprechungen machte sondern sie auch hielt.

Andererseits demonstrierte der abgrundtiefe Graben zwischen der erhabenen Stimmung bei der Botschaftseinweihung und dem Fanatismus, der Gewalt und dem Hass, den die durch ihre Leitung verblendeten und irregeführten palästinensischen Demonstranten am Gazastreifen Israel gegenüber manifestierten, wie komplex und vielleicht in der gegenwärtigen Generation effektiv unlösbar der Konflikt ist. Für Dienstag wird Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas wahrscheinlich einen Generalstreik für die Westbank ausrufen, was meistens gleichbedeutend ist mit einer Eskalation der Unruhen.

Am Trennzaun zwischen Israel und dem Gazastreifen kamen am  Montag laut palästinensischen Quellen mindestens 58 Demonstranten ums Leben, und rund 2000 wurden verletzt. Mehr als 50'000 Personen waren den Aufrufen der Hamas gefolgt, die Konfrontation mit den Israeli zu suchen und die Grenze gewaltsam zu passieren. Weisen wir, was Zahlen betrifft, darauf hin, dass 50'000 Demonstranten für palästinensische Verhältnisse zwar an einen Erfolg grenzen, das Ergebnis ist aber weit entfernt von der Prognose der Hamas, am Montag 100-150'000 Demonstranten an den Grenzzaun zu bringen.

Im Zusammenhang mit der Eröffnungszeremonie der amerikanischen Botschaft am Montagnachmittag wurden in Jerusalem tausende Soldaten, Polizisten und andere Sicherheitstruppen aufgeboten, um Zusammenstösse und andere Zwischenfälle zu vermeiden. Angesichts des Nakba-Tages blieb die erhöhte Bereitschaft auch für Dienstag erhalten. Die Palästinenser riefen ihre Gefolgschaft in der Westbank und in Jerusalem auf, gegen die Eröffnung der US-Botschaft in der Hauptstadt zu demonstrieren. Zu Protesten kam es auch in Ramallah, Hebron, Bethlehem, Nablus und Jericho. Die den ganzen Montag über laufend gestiegenen Verlust-, und Verletztenziffern von Gaza sind eine zum Himmel schreiende Tragödie, an der die israelisch-militärische Kraftprotzerei nicht unbeteiligt ist.

Die israelische Luftwaffe setzte am Montag wiederholt ihre Flugzeuge über Gaza gegen Hamas-Ziele ein. Dabei wurden nach israelischer Version Terroristen getötet, die dabei waren, Anschläge teils mit Sprengsätzen am Zaun vorzubereiten. Für die Bewegung, die einen Grossteil der Schuld an dem Desaster trägt, ist aber jeder einzelne Tote und Verletzte in den eigenen Reihe noch viel «mehr»: Ein Aktivposten auf der Schand-Statistik der Propaganda zu Eigenzwecken. Die Uno rief Israel auf, vom Einsatz «übertriebener Gewalt» abzusehen, und einige europäische Staaten schlossen sich dem Appell an. Südafrika und die Türkei beriefen ihre Botschafter wegen der israelischen Gewaltanwendung zur Beratung aus Tel Aviv zurück. Ankara verhängte zudem eine dreitägige Staatstrauer. Auf Grund verschiedener Äusserungen von Hamas-Aktivisten schliesst man in Israel eine Wiederaufnahme des Raketenfeuers aus dem Gazastreifen Richtung Israel nicht aus.

Foto:
Israels Premier Netanyahu bei der Inauguration der US-Botschaft in Jerusalem
© tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 15. Mai 2018