bauer KammererOB Steinmeier044Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ehrt in der Paulskirche den aufrechten Hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der vor 50 Jahren plötzlich starb

Susanne Sonntag

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die Veranstaltung in der Frankfurter Paulskirche zu Ehren von Fritz Bauer war eine des Fritz-Bauer-Instituts, die streng reglementiert und bewacht leider nicht die Menschen teilnehmen ließ, die zur Paulskirche gekommen waren, weil sie von der Ehrung gehört hatten. Noch immer ist nämlich der Name Fritz Bauer für einige Frankfurter ein Fanal. Er bedeutet, wach zu sein und sich einzumischen in die öffentlichen Belange, auf daß nie wieder eine abgeschottete Gesellschaft entstehe. Aufklärung war das leitende Interesse des streitbaren Juristen, das er erst einmal in der naziverseuchten Bundesrepublik dadurch zu erreichen versuchte, die "alten Garden", die Naziverbrecher aufzuspüren und vor Gericht zu bringen.

Deshalb vor Gericht, weil Fritz Bauer auch ein Humanist war - nicht umsonst gründete er die Humanistische Union mit. Er erhoffte sich von jedem Prozeß ein Insichgehen der Beschuldigten, er hoffte auf Reue, auf Wiedergutmachung und deshalb tut es weh, wenn er unbestraft öffentlich zu einem Nazijäger stilisiert war. Weil der Freigeist Fritz Bauer eben ein ganz besonderer Mensch war, für den auch der Rechtsgedanke ein besonderer war, was viele junge Jurastudenten für das Leben prägte, war man auf die Gedenkrede des studierten Juristen Frank-Walter Steinmeier so gespannt. Diese Rede stellte nun so wunderbar den Menschen Fritz Bauer in den Mittelpunkt, daß wir sie im Folgenden komplett abdrucken.

Das Folgende ist eine Presseerklärung, die die Stadt Frankfurt auf der Grundlage der Presseerklärung des Fritz Bauer Instituts verschickte. Es ist die Selbstlobung eines Instituts, das Bauers Namen trägt und das sehr spät damit begonnen hat, ihren Namensgeber auch in seinem politischen Schaffen zu würdigen.  In ihr fehlt, wie zu erwarten war, der Hinweis, welche öffentliche Resonanz der Film FRITZ BAUER - TOD AUF RATEN gefunden hatte, der die bundesweit öffentliche Wiederentdeckung Fritz Bauers 2010 einleitete, die korrespondierend Irmtrud Wojak, damals Stellvertretende Direktorin des Fritz Bauer Instituts,  mit ihrer Fritz Bauer Biographie ein Jahr zuvor initiiert hatte. Davon wie gesagt kein Wort. Das alles haben wir in den vorangegangenen Artikeln niedergelegt. 

So lautet die Presseerklärung der Stadt auf der Grundlage der Presseerklärung des Instituts:
In der Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli 1968 verstarb Fritz Bauer. Mit einer Gedenkstunde in der Paulskirche am Sonntag, 1. Juli, erinnerte das Fritz Bauer Institut an die Verdienste des engagierten Juristen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte den ehemaligen hessischen Generalstaatsanwalt in seiner Rede, der Historiker Norbert Frei beleuchtete in seinem Gedenkvortrag die Rezeptionsgeschichte Bauers. Staatsminister Tarek Al-Wazir richtete ein Grußwort an die Gäste, Oberbürgermeister Peter Feldmann rief dazu auf, sich auch heute noch an Fritz Bauer zu orientieren.

Fritz Bauer, 1903 in Stuttgart geboren, wurde während der NS-Zeit aus politischen und „rassischen“ Gründen verfolgt und kurzzeitig inhaftiert. Er emigrierte erst nach Dänemark und floh dann nach Schweden. Nach seiner Rückkehr aus dem Exil wurde Bauer zur treibenden Kraft für die strafrechtliche Ahndung der nationalsozialistischen Gewaltverbrechen. 1956 wurde er Generalstaatsanwalt in Hessen, fortan zog er eine Vielzahl von Prozessen nach Frankfurt am Main.

„Frankfurt wurde in den 1950er Jahren wieder zum Zentrum kritischer Wissenschaft und kultureller Auseinandersetzung. Die Anstrengungen der Frankfurter Justiz zur Ahndung nationalsozialistischer Verbrechen wird Bauer nicht nur zur Kenntnis genommen haben“, sagte Oberbürgermeister Peter Feldmann. Zwischen 1946 und 1948 wurden vier Prozesse vor dem Landgericht wegen so genannter Euthanasie-Morde geführt, 1953 sorgte das Urteil im Wollheim-Prozess für Furore. Es war der Anlass für die Debatte um Entschädigung von Zwangsarbeitern durch die Industrie. „Bei seinem Vorhaben, NS-Täter vor Gericht zu bringen, konnte Fritz Bauer auf die Unterstützung des hessischen Justizministers zählen“, erklärte Feldmann. „Fritz Bauer tat, was er konnte.“

Dem Generalstaatsanwalt ging es darum, erstmals auf breiter Basis Informationen darüber zu sammeln, welche Verbrechen an Juden, Insassen von Heilanstalten, Sinti, Roma, Homosexuellen, so genannten Asozialen und anderen verfolgten Gruppen verübt worden waren. Und er wollte die Verantwortung der deutschen Gesellschaft für das Geschehen thematisieren. Sein aufklärerisch-kritischer Ansatz wies weit über den Gerichtssaal hinaus.

Bauer hatte wesentlichen Anteil am Zustandekommen des 1961 in Jerusalem geführten Eichmann-Prozesses. Das größte und wichtigste Strafverfahren, das er in Frankfurter initiierte, war der erste Auschwitz-Prozess (1963-1965). Bauer äußerte sich noch während des Ermittlungsverfahrens dazu: „Aber man muss sich hierbei bewusst machen, dass ja diese Prozesse nicht der Rache und Vergeltung dienen. Für uns ist hier der Gedanke entscheidend, im Prozess die Vergangenheit durchsichtig zu machen und einen Beitrag zur deutschen Geschichte zu leisten. Hierin liegt für mich der tiefe Sinn all dieser Prozesse.“ (Weltbild, 31.1.1961).

Fritz Bauer sah sich verpflichtet, in die Öffentlichkeit hinein zu wirken. Peter Feldmann würdigte Bauers Bestreben: „Regelmäßige Auftritte im Hessischen Rundfunk sorgten bald für seine Bekanntheit. Bauer war zu ungezählten Anlässen als Redner eingeladen, traf sich in Debattierclubs mit politischen Gegnern und suchte den Kontakt zur Jugend.“ Oft sprach Bauer von der „Selbstaufklärung“ der deutschen Gesellschaft über die NS-Verbrechen, die er erreichen wollte und auf die er setzte, weil er sie für die Basis eines demokratischen Rechtsbewusstseins hielt.

Das 1995 gegründete Fritz Bauer Institut, eine der ersten Initiativen, die an Fritz Bauers Leistungen erinnerten, untersucht und dokumentiert die Geschichte der nationalsozialistischen Massenverbrechen – insbesondere des Holocaust – und deren Wirkung bis in die Gegenwart. „Fritz Bauer hat erreicht, dass eine breite Öffentlichkeit sich damals mit den NS-Verbrechen befasst hat und trug außerdem dazu bei, dass die zeithistorische Forschung sich dem Thema gewidmet hat. Ganz in diesem Sinne geht es uns darum, durch unsere Arbeit kritisches Geschichtsbewusstsein zu fördern“, sagt die Zeithistorikerin Sybille Steinbacher, Direktorin des Fritz Bauer Instituts.

„Fritz Bauer ist in den Jahren, die er in Frankfurt lebte, mit der Stadt verwachsen, die ihm ein politisches, ein persönliches Zuhause geboten hat“, sagte der Oberbürgermeister. Und doch habe er sich mit Beginn der Ermittlungen zum Auschwitz-Prozess bedroht gefühlt, verfolgt von anonymen Anrufen und Drohungen. Wie sehr sich Bauer Anfeindungen ausgesetzt sah, ist Teil der Erzählung im deutschen Spielfilm „ Der Staat gegen Fritz Bauer“ aus dem Jahr 2015.

„Die Bezüge sind aktuell: Vertreter der Justiz, Politiker, Journalisten, die sich kritisch zur Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus stellen, müssen wieder mit Anfeindungen rechnen. Längst glaubten wir, diese Situation hinter uns gelassen zu haben. Ich finde es daher nicht nur angemessen, sondern erforderlich, dass wir uns an Fritz Bauer orientieren. Fritz Bauer hat nie etwas beschönigt. Doch hat er nie aufgegeben zu kämpfen.“

Foto:
Bundespräsident, Frankfurt OB in der Wandelhalle der Frankfurter Paulskirche
© Kammerer, Stadt Frankfurt