Demo gegen AfD 1 2018
Die Demo gegen die AfD vom letzten Wochenende blieb etwas zwiespältig


Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Am vergangenen Wochenende fand in der Landeshauptstadt Wiesbaden die seit längerem angekündigte Demonstration gegen die schleichende Infiltration und Okkupation des öffentlichen Diskurses, des öffentlichen und politischen Lebens durch die AfD und deren inhumane Parolen statt.

Klischeehaft richten diese sich diffamierend gegen Geflüchtete, die aus Todeszonen kommen. Auch bringt die AfD absurd gestrickte Weltdeutungen unter die Leute, die von Hass geprägt sind. Die übrige Politik ähnelt sich Positionen der AfD an, macht sich zu deren Helfer.

Rednerinnen und Redner des bürgerrechtlichen und gesellschaftskritischen Engagements sowie Offizielle von SPD, Linken, Grünen und Gewerkschaften hatten sich zur sonntäglichen Demonstration eingefunden, versuchten den Mitstreitenden Vertrauen in ihre politischen Möglichkeiten - der Aufklärung und Gegenwehr- einzuflößen, CDU und FDP blieben fern.

CDU und FDP möchten in einflussreichen Klientelkreisen ihrer Wählerschaft, die meint, sie wäre der Staat, sich keinesfalls in einem irgendwie links positionierten Lager sehen lassen, denn das wäre geradezu Sakrileg, trotz all der berechtigten Klagen gegen eine wachsende Ungleichheit, gegen die konzerngesteuerte Umweltzerstörung und die Macht des rücksichtslos mit dem menschlichen Leben spielenden Geldes und obgleich sich jederzeit die Stimmungsmache gegen Geflüchtete richtet, auf welche jegliche üble Stimmung abgeleitet wird.

Rechts ist gemeinsam eigen: Die Liebe zu den Mächtigen und der Hass auf die Machtlosen

Gemeinsam war allen Rednerinnen und Rednern die wiederholte Ansage, dass die AfD die Gesellschaft zurück in die Fünfziger Jahre führen will. Das heißt, näher besehen, dass diese Partei die Gesellschaft in einen Autoritarismus zurückführen will. Diesen aber hatten wir schon zu Zeiten eines Adolf Hitler, der in rechten Kreisen augenblicklich wieder Popstar-Größe annimmt. Womit wir bei einer Psychologie der geistigen, seelischen und zugleich ins Politische gewendeten Krankheit wären. Hierzu gibt uns Erich Fromm reichhaltig Auskunft in seinem epochalen Werk: ‚Die Furcht vor der Freiheit‘ (englisch: ‚Escape from Freedom‘, erschienen im Jahr 1941). Der englische Titel kommt der verhandelten Sache noch näher.

Der Fünfzigerjahre-Autoritarismus wurzelte im Nachleben der Hitlerzeit und war durch den autoritären Charakter gekennzeichnet, der sich wieder in die Leben einschleichen wollte, was aber nicht gelang. Die Definition des autoritären Charakters mündet in dem Diktum, dass eine gleichzeitige Liebe zur Autorität und ein Hass gegen die Machtlosen typische Merkmale des autoritären Charakters sind. Die Autorität übernimmt die Rolle des magischen Helfers, denn der autoritär Gestimmte ist schwach und wird von einem Grundgefühl der Ohnmacht gequält, welches er, so endgültig und radikal wie nur möglich, ausgleichen will.

Der Mechanismus der AfD und die Zentralkategorie Ohnmacht

„Die Liebe zu den Mächtigen und der Hass auf die Machtlosen, die so typisch für den sadomasochistischen Charakter sind, erklären vieles an der politischen Handlungsweise Hitlers und seiner Gefolgsleute“ (a.a.O. S. 168). Den Mechanismus von Führern und Geführten möchte auch die AfD nutzen, indem sie die öffentlich-rechtlichen Medien abschaffen will, um die Geführten durch profitorientierte Unterhaltungsmedien verdummen zu lassen, damit sie das untere soziale Drittel der Gesellschaft wie eine reife Frucht für ihre Zwecke - als neue Lenker des kommenden gesellschaftlichen Infernos - abernten kann. Die Ohnmacht – jener legendären Vergessenen in den Vorortzügen, denen Adorno in einem Gedicht die Ehre erweist – ist die Zentralkategorie der Misere der modernen Gesellschaft.

Hitlers zeitgenössische Wiedergänger der Höllenmacht sind die hohl tönenden Phrasendrescher nicht nur einer AfD, sondern auch der offen gewalttätigen Neuen Rechten, die man nicht näher aufzudröseln braucht, denn sie sind nur Varianten auf ein und denselben Ungeist, der Böses will. Die Hetze gegen Geflüchtete nutzt die AfD als zentralen Mechanismus, um auf ihm ihr gesellschaftspolitisches Gebräu unter Ausnutzung von ‚Hysterie und Angst‘ (Freud) zu kochen.

Hitler war von der Verachtung für die Machtlosen zutiefst durchdrungen. Diese sind heute die sozial Abgehängten und Gedemütigten und, in anderer Hinsicht, die Geflüchteten, die als Objekte der Aggressionen der ersteren herangenommen werden. Die Abgehängten plädieren in ihrem blinden Grimm ausgerechnet für diejenigen, die sie als AfD noch weiter abwärts knüppeln würden, statt sich mit den Verdammten dieser Erde in einem Boot zu sehen.


Sprecherinnen und Sprecher reanimierten etwas vom Geist außerhalb des Politischen

Demo gegen AfD 2 2018Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD), Tarek al Wazir (Grüne) und Janine Wissler von der Partei Die Linke hielten die am stärksten beachteten Reden zum Tag der Demonstration, nicht lange bevor diese sich am Wiesbadener Hauptbahnhof in Gang setzte und durch die Bahnhofstraße, entlang der Rheinallee und der Wilhelmstraße sich in buntem Treiben auf den Kochbrunnenplatz zubewegte, wo noch eine zusätzliche kleinere Kundgebung den Tageszweck beschloss, der von Seiten Unbeteiligter mit Interesse wahrgenommen wurde.

Die Reden von Grünen und SPD kamen an diesem Sonntag unmittelbarer an als die sonst im Tagesgeschäft so verschraubt gehaltenen Reden und gegebenen Verlautbarungen. Die bestgehaltene Rede kam von Janine Wissler (Die Linke), sie ist die scharfsinnigste Rednerin im Hessischen Landtag, gehört keiner der für Besitzanspruch stehenden oder die Verhältnisse vernebelnden Klientelpartei an, sie ist für ihr gelungenes Formulieren wohlbekannt. Sie ist auch die Klügste. Und selbst Leute der Wirtschaft haben Achtung vor ihr. Ob sie wohl mal nach Berlin wechselt und dort ihre Partei erneuert?


Erbhoftendenzen sind auch dem abweichenden Lager eigen

Die Demo fand in der prallen Sonne statt, daher sie nicht ganz so sehr das Gemüt erheben konnte. Wer unabhängig empfindet und den Sinn nicht so leicht an eine einzelne Bewegung zu heften vermag, fand sich von der Vielzahl an Fahnen, die Großinteressen bezeugten, ein wenig enttäuscht. Das kennt man zur Genüge. Nicht aber dass Gewerkschaften, attac, Die Linke, Die Grünen und die SPD nicht ein heiliges Recht hätten sich einzubringen und ihre Anliegen zu vertreten. Übrigens: die Pfadfinder reihten sich auch ein.

Das Problem: die Rechte verlinkt sich, Links aber ist traditionell aufgespalten. Es ist dem Ernst der Lage nicht angemessen das einzelne Süppchen bei nach innen geschlossenen Reihen immer mit zu kochen. Es braucht eine in der Breite des Bewusstseins angelegte Bewegung, Spezialklientelismus ist ungeeignet, dem Ernst der Sache nicht angemessen. Gleichwohl: die Rechte wird sich dereinst ohnehin gegen sich selbst richten.

Demo gegen AfD 3 2018Aber es fanden sich unter den Gekommenen auch Initiativen, die die Fahne der lokalen Demokratiebewegung zu vertreten extra gekommen waren und in bunter Weise einbrachten, wie z.B. ‚Odenwald gegen Rechts‘ oder ‚hessen ist Bunt‘; ‚hesssen bleibt nazifrei‘ (AfD); ‚Stop! - Keine AfD in den Landtag‘, ‚Unsere Alternative ist Solidarität!‘.

Leider kamen an diesem so bedeutenden Tag die performativ und künstlerisch inspirierten Aktionen einer Occupy-Bewegung – die einstmals das Universelle anmahnte - auch wieder nicht mehr vor, bzw. zum Zug, obwohl die einzelnen doch irgendwo noch existieren. Wo sind sie geblieben? Die Demonstration vermittelte leider noch so etwas wie eine sektionale Scheuklappenmentalität, die die größere Perspektive vermeidet. Mit der Zerbröselung und Diversifizierung der linken und alternativen Bewegung kann die Rechte rechnen. Es käme darauf an, dass diejenigen sich weitflächig vernetzen, die der Durchsetzung der Menschen- und Tierrechte und der Bewahrung von Atmosphäre und Biosphäre verpflichtet sind.

Anzumerken wäre noch, dass ein deutscher Professor die AfD initiiert hat. Erich Fromm erkannte vor Jahrzehnten schon, dass die Demokratie von verschiedenen Seiten unter Druck kommen kann, darunter sowohl von links als auch von rechts. Das menschenfeindliche Vokabular ist an keine ausschließliche Richtung gebunden.

Fotos:
© Heinz Markert