50 Jahre - Die Zweite Frauenbewegung zieht Bilanz im Frankfurter Kaisersaal
Eva Mittmann
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Diese Fragen stellt der Klappentext des Buches „Die letzten Tage des Patriarchats“ von Kolumnistin Margarete Stokowski. Sie wäre sicherlich gerne dabei gewesen zur Feierstunde anlässlich des 50- jährigen Jubiläums der zweiten Frauenbewegung. „Damals vor 50 Jahren ergriffen Frauen über Nacht die Initiative, für sich selber aktiv zu werden – Frauenbewegung im wahrsten Sinne des Wortes“, wie Halina Bendkowski in ihrer Einführung unter dem Titel „Feministischer Geschichtsalarm“ sehr treffend formuliert. Leitmotiv: Gibt es ein Happy End für emanzipatorische Bewegung?
Gemeint ist der Beginn der zweiten Frauenbewegung, nämlich Helke Sanders Rede, die beim SDS-Delegiertentreffen in Frankfurt im September 1968 „das Geschwafel der SDS-Genossen nicht mehr ertragen konnte“. Ihr Tomatenwurf und die Ansage „aufzuhören mit dem Weitermachen wie bisher“ gereichte Helke Sander zu unerhörtem Erfolg. „Sie machte ernst mit einer Gesellschaftskritik, die von nun an als Feminismus Einzug in die Geschichte hielt.“ Eine stichwortartige Auflistung der damals verfolgten Ziele soll hierüber Aufschluss geben. Zu nennen sind: die Gründung von Kinderläden, Theoriearbeitskreise zwecks Änderung der Praxis gegen jegliche sexistische Unterordnung durch Religion, Staat, Gewalt, § 218 und gegen die Benachteiligung von Frauen und Mädchen. Doch leider heißt es weiter: Immer dann, wenn Frauen Rechte erreichten, käme ein Mann, dem es gelänge, die Durchsetzung dieser Rechte wieder zu erschweren. Eine kritische Geschichtsaufarbeitung täte not. Denn 100 Jahre Frauenwahlrecht habe nicht zur Geschichtsbildung beigetragen, solange es nicht in den Bildungskanon der Schulbücher übernommen werde. Ja, die Frauenbewegung werde nicht sonderlich ernst genommen. Als besonderes Schmankerl führt Bendkowski an, dass 1968 der Spiegel-Kolumnist Jan Fleischhauer beklagt, nur zwei Protagonistinnen der Frauenbewegung zu kennen: Gretchen Dutschke und Uschi Obermeier. Im Gegensatz zu Uschi Obermeier, die „als Sexsünde die deutsche Kommunenfantasie beflügelte“, ist Gretchen Dutschke zumindest ernst zu nehmen. Allerdings: Wenn Frauen aufhörten ihre Frau zu stehen, fielen sie wieder zurück.
Es folgt Helke Sanders Rückblick auf die Rede vor 50 Jahren, die relativ zufällig einige wichtige Stationen der
Fraueninitiativen beleuchtet, wie die Filmemacherin betont. Als erstes nennt sie dann auch die neu gegründete Film- und Fernsehakademie in Berlin durch die frau SDS-Leute kennengelernt habe, wodurch vermehrt politisches Interesse geweckt wurde. So trat Helke Sanders 1967 in den SDS ein - in der Hoffnung, Genaueres über die Konflikte in Vietnam sowie den US-Imperialismus zu erfahren. Beiläufig erwähnt sie, dass Frauen den SDS auch deswegen mochten, weil sie dort nicht nur zum Tippen und Kaffeekochen herangezogen wurden. Dennoch: Die Konflikte lagen tiefer, erzählt sie. Und erklärt: „Die Studentenbewegung war insgesamt als sehr heterogen zu bezeichnen. Im Sommer 67 folgten dann die ersten Aktionen, nämlich ein Aushang am schwarzen Brett zur Kinderbetreuung. Zudem erschien ein Flugblatt von Marianne Herzog. Es ging darum, Kindergärten zu finden, die fortschrittlichen Erziehungszielen gerecht werden konnten. Um dies letztlich in aller Konsequenz umsetzen zu können, sollten Kinderläden neu gegründet werden, in denen frau beschloss, die Ziele der Erziehung selber zu definieren. Der Aktionsrat zur Befreiung der Frauen konstituierte sich. Ein erstes Treffen war wie ein Urknall: Soziale Probleme wurden analysiert, um sofort einen Missstand zu beheben. Flugblätter wurden gedruckt mit dem Ziel, die Erziehung neu und kinderfreundlich zu gestalten. Motto: „Kindergärten statt Starfighter“.
Außerdem wurde ein Dokument über die Rechte der Frauen 1973 nach fast 200 Jahren wiederentdeckt, nämlich die Proklamation von Olympe Gouze, die 1791 die "Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin" verfasste - als Protest gegen die Menschenrechtserklärung der französischen Revolutionäre, die ausschließlich Männerrechte enthielt. Zu einer Zeit, in der Frauen weder wählen noch öffentliche Ämter bekleiden durften, galt sie als die offensivste Frauenrechtlerin. Helke Sanders sagt hierzu: „Wir waren fassungslos über unsere Erkenntnis, dass wir keine Ahnung über unsere eigene Geschichte hatten“. Dies habe sich glücklicherweise bis zum heutigen Tag geändert. Und die Erkenntnis?
„Wir sind schon bei der Emanzipation des Menschen!“
Tosender Applaus. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Fotos: © Eva Mittmann
„Brauchen wir den Feminismus noch? Oder ist die Revolution bereits geschafft?“
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- Kategorie: Zeitgeschehen