Kurt Nelhiebel
Bremen (Weltexpresso) - Wir erleben derzeit die Agonie einer Regierung, die sich überlebt hat und der niemand nachtrauern wird. Sie hat es fertig gebracht, sich auf offener Bühne selbst zu entleiben, statt rechtzeitig abzutreten und sich Neuwahlen zu stellen. Das gilt für die einen wie für die anderen, für die Unionsparteien und für die SPD.
Die Affäre Maaßen hat die tiefe Krise der Großen Koalition nicht verursacht, sondern allenfalls beschleunigt. Ursachen waren unter anderem: Die Unfähigkeit, überzeugende Antworten auf die aus der Globalisierung resultierenden Probleme zu geben, den Menschen die Angst vor der Zukunft zu nehmen, die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes als Folge der Digitalisierung, die Angst vor der Zerstörung der Umwelt durch den Profitwahn der Finanzhaie und der Konzerne. Was die Große Koalition in Berlin an sozialen Verbesserungen beschlossen hat, ist Flickschusterei.
Die Krux besteht darin, dass es den Unionsparteien und der SPD immer weniger gelingt, der Öffentlichkeit glaubhaft zu machen, sie könnten es, ohne Schaden an ihrer Glaubwürdigkeit zu nehmen, allen recht machen, den Arbeitgebern zum Beispiel und den Arbeitnehmern. Anders als in Goldonis Komödie „Diener zweier Herren“ geht das im richtigen Leben selten gut aus. Jüngstes Beispiel ist der Dieselskandal. Das Kunststück, die Wünsche der Autofahrer und die der Industrie zu vereinen, kann nicht gelingen.
Der Versuch von Angela Merkel, die CDU – vereinfacht gesagt - nach links zu öffnen, um Wähler der Sozialdemokraten auf ihre Seite zu ziehen, musste zwangsläufig zu einer Zerreißprobe führen. Umgekehrt konnte der Versuch der SPD, sich als bessere CDU zu verkleiden, ihre Anhänger auf Dauer nicht überzeugen. Begonnen hat die Abwanderung der Partei nach rechts 1959 mit dem Godesberger Programm. Am Ende stand die Agenda 2010. Damit steckte die SPD vollends in einer Sackgasse, aus der sie nur durch eine Kehrtwende wieder herausfindet. Ohne neues Personal an der Spitze wird das nicht gehen, wenn überhaupt.
Worauf es ankommt, hat ein Leserbriefschreiber in der Süddeutschen Zeitung mit wenigen Worten geschildert: „1.Die Versöhnung von Leben und Arbeit. 2. Die gerechte Verteilung des gemeinsam erwirtschafteten Wohlstands, sodass jeder und jede gut leben kann. 3. Ein Gemeinwesen, in dem sich keiner über den anderen erheben darf, weil der andere anders ausschaut, spricht, denkt oder glaubt. Und über die Jahre ist noch ein vierter Grund dazugekommen, dass wir unseren Wohlstand so erwirtschaften, dass unsere Lebengrundlagen und unser Planet nicht zerstörten werden.“ (Ausgabe vom 3./4.November 2018).
Das versteht jeder, aber es wird sich nicht in die Tat umsetzen lassen, ohne denen auf die Füße zu treten, die genug Geld besitzen, um davon nicht etwas abgeben zu können. Aber schon bei diesem Gedanken rutscht manchem das Herz in die Hose. Bloß nicht anecken. Da beschäftigt man sich doch lieber so lange es geht mit der Frage, wie man am besten die Kurve kriegt. Auf ihre eigene Kappe möchten die Sozialkdemokraten das Ende der Großen Koalition nicht nehmen. Lieber möchten sie die Verantwortung bei der CDU oder der CSU abladen, bei Frau Merkel und Herrn Seehofer. Was den betrifft, ginge das noch am ehesten. Was der sich im Fall des Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maßen, dem heimlichen Ratgeber der rechtspopulistischen AfD geleistet hat, geht auf keine Kuhhaut. Leider hat sich die SPD in dieser Angelegenheit auch nicht mit Ruhm bekleckert. Auf die Sprünge helfen könnte ihr vielleicht die Erkenntnis, dass der so genannte Verfassungsschutz auch Sozialdemokraten bespitzelt. Sonst hätte Maaßen nicht mit der Behauptung hausieren gehen können, in der SPD seien linksradikale Kräfte am Werk. So verleumderisch das klingt, so harmlos liest es sich vor dem Hintergrund der Hetzkampagne, der sich die SPD ausgesetzt sah, als mit Willy Brandt erstmals ein Sozialdemokrat im Bundeskanzleramt saß. Damals schrieb der vom CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß herausgegebene „Bayern-Kurier“ vom 6. September 1975:
„Unser Staat befindet sich in einer tiefen schweren Krise. Dilettanten, Scharlatane, Spruchbeutel und Gernegroße, denen nichts fremder ist als das Wort Redlichkeit, machen sich endgültig daran, das Erbe des Fleißes und des Einfallsreichtums, der Tapferkeit, der Geduld und des Freiheitswillens der Deutschen aufs Spiel zu setzen. Sie nennen sich Sozialisten, diese Leute, in deren Namen das geschieht. Man weiß nicht, was man an den Bankrotteuren mehr bewundern soll: Ihre Kaltblütigkeit im Chaos oder die Dreistigkeit, mit der sie den Millionen gegenüber treten.“
Eigentlich sollten die Sozialdemokraten gewarnt sein. Aber um ihr Geschichtsbewusstsein war es seit jeher schlecht bestellt. Die Forderung Gustav Heinemanns aus dem Jahr 1970, es sei an der Zeit, dass ein freiheitlich-demokratisches Deutschland unsere Geschichte bis in die Schulbücher hinein anders schreibt, ist verpufft. Jetzt hat die SPD auch noch ihre Historische Kommission aufgelöst, und das zur selben Zeit, da sich der Naziungeist auf Straßen und Plätzen in Deutschland breit macht und die AfD im Bundestag mit völkischen Parolen auftrumpft. Was für Trauerspiel.
Die Krux besteht darin, dass es den Unionsparteien und der SPD immer weniger gelingt, der Öffentlichkeit glaubhaft zu machen, sie könnten es, ohne Schaden an ihrer Glaubwürdigkeit zu nehmen, allen recht machen, den Arbeitgebern zum Beispiel und den Arbeitnehmern. Anders als in Goldonis Komödie „Diener zweier Herren“ geht das im richtigen Leben selten gut aus. Jüngstes Beispiel ist der Dieselskandal. Das Kunststück, die Wünsche der Autofahrer und die der Industrie zu vereinen, kann nicht gelingen.
Der Versuch von Angela Merkel, die CDU – vereinfacht gesagt - nach links zu öffnen, um Wähler der Sozialdemokraten auf ihre Seite zu ziehen, musste zwangsläufig zu einer Zerreißprobe führen. Umgekehrt konnte der Versuch der SPD, sich als bessere CDU zu verkleiden, ihre Anhänger auf Dauer nicht überzeugen. Begonnen hat die Abwanderung der Partei nach rechts 1959 mit dem Godesberger Programm. Am Ende stand die Agenda 2010. Damit steckte die SPD vollends in einer Sackgasse, aus der sie nur durch eine Kehrtwende wieder herausfindet. Ohne neues Personal an der Spitze wird das nicht gehen, wenn überhaupt.
Worauf es ankommt, hat ein Leserbriefschreiber in der Süddeutschen Zeitung mit wenigen Worten geschildert: „1.Die Versöhnung von Leben und Arbeit. 2. Die gerechte Verteilung des gemeinsam erwirtschafteten Wohlstands, sodass jeder und jede gut leben kann. 3. Ein Gemeinwesen, in dem sich keiner über den anderen erheben darf, weil der andere anders ausschaut, spricht, denkt oder glaubt. Und über die Jahre ist noch ein vierter Grund dazugekommen, dass wir unseren Wohlstand so erwirtschaften, dass unsere Lebengrundlagen und unser Planet nicht zerstörten werden.“ (Ausgabe vom 3./4.November 2018).
Das versteht jeder, aber es wird sich nicht in die Tat umsetzen lassen, ohne denen auf die Füße zu treten, die genug Geld besitzen, um davon nicht etwas abgeben zu können. Aber schon bei diesem Gedanken rutscht manchem das Herz in die Hose. Bloß nicht anecken. Da beschäftigt man sich doch lieber so lange es geht mit der Frage, wie man am besten die Kurve kriegt. Auf ihre eigene Kappe möchten die Sozialkdemokraten das Ende der Großen Koalition nicht nehmen. Lieber möchten sie die Verantwortung bei der CDU oder der CSU abladen, bei Frau Merkel und Herrn Seehofer. Was den betrifft, ginge das noch am ehesten. Was der sich im Fall des Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maßen, dem heimlichen Ratgeber der rechtspopulistischen AfD geleistet hat, geht auf keine Kuhhaut. Leider hat sich die SPD in dieser Angelegenheit auch nicht mit Ruhm bekleckert. Auf die Sprünge helfen könnte ihr vielleicht die Erkenntnis, dass der so genannte Verfassungsschutz auch Sozialdemokraten bespitzelt. Sonst hätte Maaßen nicht mit der Behauptung hausieren gehen können, in der SPD seien linksradikale Kräfte am Werk. So verleumderisch das klingt, so harmlos liest es sich vor dem Hintergrund der Hetzkampagne, der sich die SPD ausgesetzt sah, als mit Willy Brandt erstmals ein Sozialdemokrat im Bundeskanzleramt saß. Damals schrieb der vom CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß herausgegebene „Bayern-Kurier“ vom 6. September 1975:
„Unser Staat befindet sich in einer tiefen schweren Krise. Dilettanten, Scharlatane, Spruchbeutel und Gernegroße, denen nichts fremder ist als das Wort Redlichkeit, machen sich endgültig daran, das Erbe des Fleißes und des Einfallsreichtums, der Tapferkeit, der Geduld und des Freiheitswillens der Deutschen aufs Spiel zu setzen. Sie nennen sich Sozialisten, diese Leute, in deren Namen das geschieht. Man weiß nicht, was man an den Bankrotteuren mehr bewundern soll: Ihre Kaltblütigkeit im Chaos oder die Dreistigkeit, mit der sie den Millionen gegenüber treten.“
Eigentlich sollten die Sozialdemokraten gewarnt sein. Aber um ihr Geschichtsbewusstsein war es seit jeher schlecht bestellt. Die Forderung Gustav Heinemanns aus dem Jahr 1970, es sei an der Zeit, dass ein freiheitlich-demokratisches Deutschland unsere Geschichte bis in die Schulbücher hinein anders schreibt, ist verpufft. Jetzt hat die SPD auch noch ihre Historische Kommission aufgelöst, und das zur selben Zeit, da sich der Naziungeist auf Straßen und Plätzen in Deutschland breit macht und die AfD im Bundestag mit völkischen Parolen auftrumpft. Was für Trauerspiel.
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