P Karl BarthAm 10. Dezember jährte sich der Todestag von Karl Barth zum 50. Male

Constanze Weinberg

Berlin (Weltexpresso) - Karl Barth gehört zu den wenigen Menschen, deren Name nicht wegzudenken ist aus dem Widerstand gegen die Nazidiktatur und aus dem Widerstand gegen die deutsche Wiederbewaffnung nach dem Zweiten Weltkrieg. Kennern gilt er darüber hinaus als einer bedeutendsten und einflussreichsten evangelischen Theologen des 20. Jahrhunderts. Zusammen mit Martin Niemöller begründete er in Auflehnung gegen die Gleichschaltung des kirchlichen Lebens durch die Nazis die Bekennende Kirche. Überhäuft mit Ehrungen blieb der Kirchenmann aus der Schweiz dennoch für meisten Zeitgenossen ein Unbekannter, einer jener unvergesslichen Vergessenen.

Auf der zweiten Bekenntnissynode in Berlin-Dahlem griff er im Oktober 1934 das Schweigen der Christen gegenüber der Judenverfolgung und anderen Rechtsbrüchen des Staates scharf an und musste deswegen wieder Zuflucht in der Schweiz suchen. Als Gastdozent im schottischen Aberdeen begründete er im Frühjahr 1938 seine Haltung mit den Worten: „Es gibt unter Umständen eine nicht nur erlaubte, sondern göttlich geforderte Resistenz gegen die politische Macht, eine Resistenz, bei der es dann unter Umständen auch darum gehen kann, Gewalt gegen Gewalt zu setzen. Anders kann ja der Widerstand gegen die Tyrannei, die Verhinderung des Vergießens unschuldigen Blutes, vielleicht nicht durchgeführt werden.“

Sieben Jahre später ließen die Männer des 20. Juli dieser Erkenntnis die Tat folgen. Auf Drängen des hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer wurden sie 1952 vom Makel des Hochverrats befreit. Ein Unrechtsstaat wie das Dritte Reich sei überhaupt nicht hochverratsfähig, erklärte Bauer als Vertreter der Anklage im Prozess gegen den Naziobersten Otto Ernst Remer und setzte sich damit vor Gericht durch. Karl Barth hatte angesichts der Kriegsdrohungen Hitlers gegenüber der Tschechoslowakei bewaffnete Gewalt gegenüber dem Aggressor für gerechtfertigt erklärt. In einem Brief an den Dekan der Prager evangelisch-theologischen Fakultät, Josef Hromádka, schrieb er: „Jeder tschechische Soldat, der dann streitet und leidet, wird es auch für uns – und ich sage es heute ohne Vorbehalt, er wird es auch für die Kirche Jesu Christi tun, die in dem Dunstkreis der Hitler und Mussolini nur entweder der Lächerlichkeit oder der Ausrottung verfallen kann.“

Barths Brief erregte großes Aufsehen, nicht nur bei den Machthabern in Berlin, sondern auch bei den Pazifisten. Er habe 1938 um des Glaubens Willen zum bewaffneten Widerstand gegen die bewaffnete Drohung und Aggression Hitlers aufgerufen, rechtfertigte er sich später. „Ich bin kein Pazifist und würde heute in derselben Lage dasselbe wieder tun. Der damalige Feind der tschechischen und europäischen Freiheit bewies es in jenen Tagen durch die Tat und hat es nachher immer wieder bewiesen, dass seiner Gewalt nur durch Gewalt zu begegnen war.“

Als ungeachtet der Leichenberge des Zweiten Weltkriegs auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs ein neues Wettrüsten begann, erhob Karl Barth unerschrocken abermals seine Stimme und beteiligte sich aktiv am Kampf gegen die Widerbewaffnung der Deutschen und am Kampf gegen die atomare Aufrüstung in West und Ost. Seine Kritik richtete sich gegen die Nato, die er als treibende Kraft hinter dem Geschehen ausgemacht hatte, und gegen den Antikommunismus als alles beherrschende Staatsdoktrin. Am Karfreitag des Jahres 1957 rief er die Völker der Welt zum Aufstand gegen die Atombewaffnung beider Blöcke auf.

Eine Woche davor hatte sich eine Gruppe von 18 Atomforschern aus der Bundesrepublik, darunter die Nobelpreisträger Otto Hahn, Max Born und Werner Heisenberg, gegen die von Bundeskanzler Konrad Adenauer und Verteidigungsminister Franz Josef Strauß angestrebte atomare Bewaffnung der Bundeswehr ausgesprochen. Anlass war die Äußerung Adenauers, die taktischen Atomwaffen seien lediglich eine „Weiterentwicklung der Artillerie“, deshalb müsse auch die Bundeswehr mit diesen „beinahe normalen Waffen“ ausgerüstet werden. 1958 forderte Karl Barth die Kirchen zu einem weltweiten Glaubensbekenntnis gegen alle Massenvernichtungsmittel auf, die er für einen Angriff auf die Grundsubstanz des christlichen Glaubens hielt, zu dem die Kirche wie nach 1933 eindeutig und unüberhörbar Nein zu sagen habe.

Am 10. Dezember jährte sich der Todestag Karl Barths zum 50. Male. Die Deutsche Post widmete ihm 1986 eine Briefmarke. Im kollektiven deutschen Gedächtnis spielt er keine Rolle.

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