Kleines ABC der Neuen Rechten, ihrer Wortführer und ihrer Publizistik, 3/4
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Wochenzeitung »Junge Freiheit« will nach ihrem eigenen Selbstverständnis „die große kulturelle und geistige Tradition der deutschen Nation in Ehren“ halten und so „die politische Emanzipation Deutschlands und Europas und die Bewahrung der Identität und der Freiheit der Völker der Welt“ erreichen.
In der Sprache der Neurechten bedeutet das ein Schafsfell aus Pathos, unter dem sich ein Wolf verbirgt, dessen wesentliche Charaktereigenschaften Nationalismus, Geschichtsklitterung, Rassismus, Verharmlosung des NS-Staats und Totalitarismus heißen. Damit man diese überwunden geglaubten Erbsünden der deutschen Rechten unangefochten zur Sprache bringen kann, plädiert man für „Political Incorrectness“ und demonstriert diesen Ungeist durch entsprechende Aufkleber.
„Junge Freiheit“
Der heutige Chefredakteur Dieter Stein gründete die „Junge Freiheit“ im Mai 1986 in Freiburg im Breisgau ursprünglich als Organ für die Jugendorganisation der von Franz Handlos gegründeten Freiheitlichen Volkspartei (FVP).Die Wochenzeitung begreift sich mittlerweile als publizistisches Flaggschiff einer „jungkonservativen“, nach rechtsaußen gerichteten Bewegung. Sie ist die Keimzelle des „Instituts für Staatspolitik“. Aus ihr ging auch die „Edition Antaios“ des Publizisten Götz Kubitschek hervor, die mittlerweile als „Antaios Verlag“ auf dem Rittergut Schnellroda in Albersroda (Sachsen-Anhalt) weitergeführt wird. Politikwissenschaftler ordnen die Wochenzeitung einem Grenzbereich zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus zu.
In einem engen Zusammenhang mit der Ideologie der »Jungen Freiheit“ stehen auch die folgenden Begriffe und Personen:
Konservative Revolution
Der Begriff wurde von dem Schweizer Journalisten und SS-Mitglied Armin Mohler 1950 geprägt und meint eine vermeintlich intellektuelle Strömung während der Weimarer Republik, die entscheidend zur Niederlage der Demokratie und zum Aufkommen des Nationalsozialismus beitrug. Sie war antiliberal, antidemokratisch und nahm für sich in Anspruch, auch antiegalitär zu sein, was sie tatsächlich aber nicht war. Für den ehemaligen Senatspräsident Danzigs, Hermann Rauschning, war eine „Konservative Revolution“ die Gegenantwort auf die Französische und deren Menschenbild sowie deren Forderung nach einer demokratischen Gesellschaft. Thomas Mann war der Überzeugung, dass sich im Nationalsozialismus das reale Gesicht der Konservativen Revolution gezeigt habe. Indirekt bestätigten das die Schriftsteller Ernst Jünger und Ernst von Salomon, welche in dieser Bewegung die Abwendung des Staats vom „unheroischen“ Tagesgeschehen und vom politischem Kuhhandel erblickten.
Dem Staat kommt nach diesem Modell im Wesentlichen die Rolle als Ordnungsmacht zu, während die Idee vom sozialen Staat, der regulierend in das Spiel der Kräfte zu Gunsten einer allgemeinen Teilhabe und Gerechtigkeit eingreift, von nachrangiger Bedeutung sein müsse, sogar zu verwerfen sei. Arthur Moeller van den Bruck, der als der maßgebliche Ideologe der „Konservativen Revolution“ gilt, brachte die Ziele auf einen Nenner: „Konservativ ist, Dinge zu schaffen, die zu erhalten sich lohnt.“ Erhaltenswert war ganz offensichtlich der preußische Ständestaat samt seinem Militarismus und seinen Antisozialistengesetzen. Der sowohl antiliberale als auch antidemokratische Jurist Carl Schmitt liebäugelte ebenfalls mit dieser erzkonservativen Bewegung. Er, der zusammen mit Ernst Rudolf Huber („Die Freiheitsrechte des Individuums ... sind mit dem Prinzip des völkischen Rechts nicht vereinbar“) zu den „Kronjuristen“ des Dritten Reichs zählte, kommentierte Hitlers Reichstagsrede vom 13. Juli 1934 mit den Worten: „Der Führer schützt das Recht“, was so viel bedeutete wie „Der Führer bestimmt, was Rechtens ist.“
Die Neue Rechte greift erkennbar auf ideologische Kategorien dieser im Kern faschistischen Gruppe zurück. Eines ihrer Sprachrohre, die Wochenzeitung „Junge Freiheit“, warb bereits 1993 mit dem Slogan „Jedes Abo eine konservative Revolution“.
Kubitschek, Götz
Der rechte Publizist und Aktivist war bis 2008 Geschäftsführer der Wochenzeitung „Junge Freiheit“. Überdies war er federführend an der inhaltlich-konzeptionellen Fundierung der rechtsextremistischen „Identitären Bewegung (IB)“ in Deutschland beteiligt. 2015 trat er mehrfach bei den völkisch-nationalistischen Pegida-Demonstrationen in Dresden als Hauptredner auf. Ferner pflegt er einen engen Austausch mit Vertretern des rechten Randes der AfD, vor allem mit Björn Höcke. Im Jahre 1996 beteiligte sich Kubitschek mit der von ihm gegründeten Frankfurter „Arbeitsgemeinschaft Paulskirche“ an den Protesten gegen die Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung (HIS). Wenige Jahre danach, 2010, war er Beteiligter an einem von Neonazis dominierten „Gedenkmarsch für die Bombenopfer“ von Dresden.
Kubitschek gründete im Jahr 2000 zusammen mit dem Gymnasiallehrer Karlheinz Weißmann, einem Hauptvertreter der Neuen Rechten, das Institut für Staatspolitik (IfS), das die ideelle und finanzielle Förderung rechter Ideen und Personen zum Ziel hat und nach Meinung von Beobachtern seitdem mit dem neonazistischen Think-Tank „Deutsches Kolleg“ um die Nachfolge des „Politischen Kollegs für nationalpolitische Schul- und Bildungsarbeit“ der 1920er Jahre streite. Dem neurechten Zweck dient auch die Zeitschrift »Sezession«, ein zweimonatlich erscheinendes Magazin, das seit April 2003 vom IfS herausgegeben wird und dessen verantwortlicher Redakteur Kubitschek ist.
Kubitschek vertritt völkische Positionen und gilt als einer der maßgeblichen Akteure der Neuen Rechten in Deutschland. Während Kubitscheks Weggefährte Dieter Stein den Begriff „Neue Rechte“ als unbrauchbar und als Hindernis ablehnt, verwendet ihn Kubitschek als Eigenbezeichnung, mitunter als „Selbststilisierung“. Entgegen den Positionen Steins, der die „Junge Freiheit“ in Richtung eines eher realpolitischen Rechtskonservatismus entwickeln will, bleibt Kubitschek einer traditionell metapolitischen Ausrichtung treu. Dabei wird er u. a. durch die Publizisten Martin Lichtmesz und Manfred Kleine-Hartlage unterstützt.
Mohler, Armin (1920 – 2002)
Der Publizist desertierte 1942 aus der Schweizer Armee nach Deutschland und versuchte, sich der Waffen-SS anzuschließen. Seine geistigen Vorbilder waren Oswald Spengler („Der Untergang des Abendlands“) und Ernst Jünger („In Stahlgewittern“, „Der Arbeiter – Herrschaft und Gestalt“). 1949 promovierte er mit einer Dissertation über „Die Konservative Revolution in Deutschland 1918 – 1932“). Dadurch wurde Ernst Jünger auf ihn aufmerksam und beschäftigte ihn als Privatsekretär. 1953 kam es jedoch zu einem Zerwürfnis. Von 1960 bis 1964 schrieb Mohler für die evangelisch-konservative Wochenzeitung „Christ und Welt“, die von Giselher Wirsing herausgegeben wurde. Danach arbeitete er für die Tageszeitung „Die Welt“ und beteiligte sich an der Vorbereitung eines konservativen Magazins, was schließlich wegen unterschiedlicher Zielsetzungen der Mitwirkenden nicht zustande kam. Eine neue geistige Heimat fand er ab 1970 schließlich in der konservativen Zeitschrift „criticón“. Zudem veröffentlichte er in der Wochenzeitung „Jungen Freiheit“ und in der „National-Zeitung“ des Gerhard Frey.
Parteipolitisch unterstützte er Franz Josef Strauß und die CSU, später die „Republikaner“ und deren Vorsitzenden Franz Schönhuber. Er sprach sich gegen ein Verbot der Holocaust-Leugnung aus und gestand Adolf Hitler zu, „immerhin eine richtige Führung geschaffen“ zu haben: „Die Kader, die er heranzog, hatten Stil.“
Foto:
Aufkleber der Wochenzeitung „Junge Freiheit“, der sich häufig auf Hassbriefen aus der rechten Szene findet.
© Junge Freiheit
Info:
Es folgt Teil 4: »Querfront« bis »Zuerst«
Diese Serie ist ein Nachdruck des gleichnamigen Artikels aus
http://www.bruecke-unter-dem-main.de/themenwoche/