kpm Hubertus Heil erlautert sein Konzept einer GrundrenteReparaturen am System sind noch keine Lösungen

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – An der Höhe der individuellen Altersbezüge offenbart sich die Werteskala einer Gesellschaft.

Wer gezwungen war, 35 Jahre zu überwiegend unterdurchschnittlichen Entgelten zu arbeiten und vom kargen Lohn noch Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherungsbeiträge sowie Einkommensteuer abführen musste, bezieht ein auch ein unterdurchschnittliches Altersruhegeld. In allzu vielen Fällen erreicht es noch nicht einmal das Niveau der Grundsicherung. Arbeitnehmer müssen deswegen davor geschützt werden, im Alter die soziale Leiter endgültig herunterzufallen und unausweichlich der Armut ausgesetzt zu sein. Denn auch wer schlecht verdient hat, trug zur wirtschaftlichen Stabilität des Landes bei. Und hat im Rahmen seiner Möglichkeiten beispielsweise ein Bildungssystem mitfinanziert, dessen Absolventen sich selten bis nie mit dem Mindestlohn zufrieden geben mussten oder müssen. Deswegen muten die Vorbehalte gegen eine Grundrente aus den Kreisen der politischen Nachwuchsorganisationen von CDU und FDP, die unter dem Schlagwort „Generationengerechtigkeit“ vorgetragen werden, an wie das von Missgunst getragene Gezeter von Frühvergreisten.

Wenn es berechtigte Einwände gegen die von Hubertus Heil geplante Grundrente gibt, so betreffen diese grundsätzliche Strukturfragen, die von der Großen Koalition und ihren Vorgängern kleingeredet wurden und nach wie vor werden.
Zum einen soll das allgemeine Rentenniveau jenseits des Jahres 2025 noch weiter abgesenkt werden – angeblich, um damit einem demografischen Faktor gerecht zu werden (immer weniger Erwerbstätige stehen einer stets größer werdenden Zahl an Rentnern gegenüber). Das von der schrumpfenden Arbeitnehmerschaft erwirtschaftete Bruttosozialprodukt hingegen, das allein Auskunft über die Leistungsfähigkeit geben könnte, wird noch nicht einmal im Ansatz erwähnt, obwohl es das ausschlaggebende Kriterium ist.

Denn tatsächlich setzt diese Politik lediglich die Empfehlungen der Versicherungswirtschaft und der Großbanken um, die von Lohnschreibern wie Prof. Bernd Raffelhüschen und Prof. Bert Rürup verfasst wurden. Es ging einzig und allein um die Implementierung der Privatversicherung in die bewährte und im Prinzip gesunde staatliche Daseinsvorsorge. Mit welchem Geld Durchschnittsverdiener die Prämien bezahlen sollen, bleibt das gehütete Geheimnis der Versicherungswirtschaft. Und diese hüllt sich auch in peinliches Schweigen, wenn Fragen nach der Absicherung privater Rentenfonds gestellt werden. Diese Unternehmen sind nach diversen Skandalen, nicht zuletzt in der Bankenkrise von 2008/9, so vertrauenswürdig wie die Hütchenspieler im Frankfurter Rotlichtmilieu.

Die Pläne der SPD und ihres Arbeitsministers lassen zudem die wachsende Zahl von Unternehmen außer Acht, die ihre Marktposition nur durch Hungerlöhne halten und ausbauen konnten und können. Und auch der Mindestlohn ist ein Hungerlohn, dessen Spätfolgen bei der Berechnung der Renten endgültig sichtbar werden.

Andrea Nahles, die SPD-Vorsitzende, scheint solche Bedenken geahnt zu haben, als sie in ihrem letzten Rundbrief an die Parteimitglieder schrieb: „Der Sozialstaat muss Partner der Menschen sein.“ Eigentlich hätte sie formulieren müssen, dass nur der Sozialstaat den Aufgaben einer Solidargemeinschaft gerecht werden kann. Und dass deswegen jeder moderne Staat nur als ein sozialer eine Existenzberechtigung besitzt.
Bezeichnenderweise geht sie in ihrer moralischen Aufrüstung auf die Grundrente nicht näher ein, sondern bringt das Bürgergeld zur Sprache, das Hartz IV ersetzen soll. Damit gibt sie zu, dass die Agenda-Politik in einem ihrer Kernbereiche gescheitert ist und der SPD die Hälfte ihrer Wähler gekostet hat. Doch selbst in der Stunde des Offenbarungseids ist die Parteiführung nicht ehrlich, nicht gegenüber sich selbst, nicht gegenüber ihren Anhängern und Wählern.

Es entspricht auch den Grundsätzen des Sozialstaats, dass die Sicherung und Erhöhung des allgemeinen Rentenniveaus bei Bedarf steuerfinanziert werden muss. Der Ausgleich für Niedriglöhne hingegen ist ausschließlich von den Verursachern, nämlich der Wirtschaft, zu tragen. Beispielsweise durch Umlagen der Industrie- und Handels- sowie der Handwerkskammern. Dies könnte sogar dazu beitragen, dass Sklavenlöhne mittelfristig verhindert werden.

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Arbeitsminister Hubertus Heil erläutert sein Konzept einer Grundrente
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