Tuva Novotny
Stockholm (Weltexpresso) - Eine Trennung nach 40 Ehejahren, sich selbst neu erfinden, in eine unbekannte Rolle schlüpfen und feststellen, dass es nie zu spät ist, um ein neues Leben zu beginnen!
Gut, diesen Schritt hätte man vor zwanzig Jahren, zehn, fünf oder fünfzig machen können – egal. Das zentrale Thema in BRITT-MARIE WAR HIER ist, dass sich jeder in dem Gefühl wiedererkennen kann, sich nicht wahrgenommen zu fühlen. Dass er sich wiedererkennen kann in der Angst, allein zu sein - aber auch darin, welch enorme Energie man entwickelt, wenn man es wagt, ein neues Kapitel in seinem Leben aufzuschlagen – sei es in Bezug auf Partnerschaft, Freunde oder Job.
Dieses Gefühl schwingt in dieser warmherzigen, alltäglichen und emotional unglaublich komplexen Geschichte immer mit. Britt-Marie zu folgen, wenn sie zum ersten Mal in ihrem Leben nach einem Job sucht, wie sie nervös versucht, sich den Vorurteilen, die ihre Umwelt ihr gegenüber hat, entgegenzustellen und wie sie schließlich die Herzen der Bewohner eines Dorfes gewinnt, indem sie die dortige Jugend rettet – das ist dramatisch gesehen eine ziemlich einfache Geschichte. Aber durch Britt-Maries tiefe emotionale Regungen und ihr existenzielles Aufgewühlt-Sein entwickelt sich ein dramaturgischer Bogen, der sich vom Anfang der Geschichte bis zu ihrem Ende erstreckt.
Als wir Britt-Marie zum ersten Mal begegnen, haben ihre Kindheit und ihre Vergangenheit einen enormen Einfluss darauf, wie sie sich als Erwachsene verhält. Schließlich sind wir alle von den Mustern, die wir in der Kindheit erlernt haben, geprägt.
Auf Britt-Maries Jugend folgten eine lieblose Ehe und ein eher unsoziales, teilnahmsloses Leben mit einem starken Bedürfnis nach zwischenmenschlichem Kontakt. Auf den ersten Blick mag Britt-Marie wenig charmant erscheinen – doch hinter ihrer rauen Fassade verbirgt sich eine großzügige, warmherzige und einsame Frau mit einem großen Herzen.
Ich persönlich vermeide es, über meinen Film als die Geschichte einer armen, unaufgeklärten Frau, der endlich ein Licht aufgeht und die sich daraufhin charakterlich verändert, zu sprechen. Lieber spreche ich von einer Geschichte, in der ein Mensch hinaussegelt in den Sonnenuntergang, hin zu neuen Abenteuern. Ich möchte, dass wir Britt-Marie mögen, so wie sie ist.
Ich will, dass sie lernt, sich selbst zu mögen durch die Menschen, die ihr auf ihrem Weg begegnen. Und ich möchte, dass eine Aussöhnung mit ihrer Vergangenheit eher in einer Selbstakzeptanz und in einem gesteigerten Selbstvertrauen liegen, als in der Anpassung an die Welt da draußen.
Entscheidende Wendepunkte dürfen dabei nicht ausgelassen werden: Die Entscheidung, ihr sicheres Leben hinter sich zu lassen, sich zu verändern, und den Kindern und der Gemeinde Borg zuliebe endlich für sich selbst und für andere Entscheidungen zu treffen.
In meinen Augen liegt darin Britt-Maries persönliche Reise begründet. Von der vollständigen existenziellen Abhängigkeit und den erlernten Mustern, an die sie sich klammert, hin zu der Erkenntnis, dass sie sehr wohl ohne einen Rahmen für ihr Leben, innerhalb dessen sie sich bisher bewegt hat, auskommt. Ganz allein auf sich gestellt, macht sie ihre Sache sehr gut. Mit dem lange ersehnten Selbstvertrauen, von dem wir alle träumen.
Ich erwähne diese Überlegungen zur Hauptfigur und dem dramaturgischen Bogen deshalb, um eines klarzustellen: Trotz des Reichtums der Vorgeschichte, den Charakteren und ihrem Background, sind wir im Prozess des Drehbuchschreibens immer darum bemüht, den Kern der Geschichte freizulegen. Das Herz einer Geschichte – Britt-Marie selbst – ist der Grund, warum wir diesen Film machen.
Fotos:
© Verleih
Info:
VOR DER KAMERA
PERNILLA AUGUST (Britt-Marie)
PETER HABER (Kent)
ANDERS MOSSLING (Polizist und Sven)
MALIN LEVANON (Bank)
HINTER DER KAMERA
TUVA NOVOTNY (Regie & Drehbuch)
FREDRIK BACKMAN
JONAS ALARIK (KAMERA)
NICKLAS WIKSTRÖM NICASTRO (Produktion)
Abdruck aus dem Presseheft
Dieses Gefühl schwingt in dieser warmherzigen, alltäglichen und emotional unglaublich komplexen Geschichte immer mit. Britt-Marie zu folgen, wenn sie zum ersten Mal in ihrem Leben nach einem Job sucht, wie sie nervös versucht, sich den Vorurteilen, die ihre Umwelt ihr gegenüber hat, entgegenzustellen und wie sie schließlich die Herzen der Bewohner eines Dorfes gewinnt, indem sie die dortige Jugend rettet – das ist dramatisch gesehen eine ziemlich einfache Geschichte. Aber durch Britt-Maries tiefe emotionale Regungen und ihr existenzielles Aufgewühlt-Sein entwickelt sich ein dramaturgischer Bogen, der sich vom Anfang der Geschichte bis zu ihrem Ende erstreckt.
Als wir Britt-Marie zum ersten Mal begegnen, haben ihre Kindheit und ihre Vergangenheit einen enormen Einfluss darauf, wie sie sich als Erwachsene verhält. Schließlich sind wir alle von den Mustern, die wir in der Kindheit erlernt haben, geprägt.
Auf Britt-Maries Jugend folgten eine lieblose Ehe und ein eher unsoziales, teilnahmsloses Leben mit einem starken Bedürfnis nach zwischenmenschlichem Kontakt. Auf den ersten Blick mag Britt-Marie wenig charmant erscheinen – doch hinter ihrer rauen Fassade verbirgt sich eine großzügige, warmherzige und einsame Frau mit einem großen Herzen.
Ich persönlich vermeide es, über meinen Film als die Geschichte einer armen, unaufgeklärten Frau, der endlich ein Licht aufgeht und die sich daraufhin charakterlich verändert, zu sprechen. Lieber spreche ich von einer Geschichte, in der ein Mensch hinaussegelt in den Sonnenuntergang, hin zu neuen Abenteuern. Ich möchte, dass wir Britt-Marie mögen, so wie sie ist.
Ich will, dass sie lernt, sich selbst zu mögen durch die Menschen, die ihr auf ihrem Weg begegnen. Und ich möchte, dass eine Aussöhnung mit ihrer Vergangenheit eher in einer Selbstakzeptanz und in einem gesteigerten Selbstvertrauen liegen, als in der Anpassung an die Welt da draußen.
Entscheidende Wendepunkte dürfen dabei nicht ausgelassen werden: Die Entscheidung, ihr sicheres Leben hinter sich zu lassen, sich zu verändern, und den Kindern und der Gemeinde Borg zuliebe endlich für sich selbst und für andere Entscheidungen zu treffen.
In meinen Augen liegt darin Britt-Maries persönliche Reise begründet. Von der vollständigen existenziellen Abhängigkeit und den erlernten Mustern, an die sie sich klammert, hin zu der Erkenntnis, dass sie sehr wohl ohne einen Rahmen für ihr Leben, innerhalb dessen sie sich bisher bewegt hat, auskommt. Ganz allein auf sich gestellt, macht sie ihre Sache sehr gut. Mit dem lange ersehnten Selbstvertrauen, von dem wir alle träumen.
Ich erwähne diese Überlegungen zur Hauptfigur und dem dramaturgischen Bogen deshalb, um eines klarzustellen: Trotz des Reichtums der Vorgeschichte, den Charakteren und ihrem Background, sind wir im Prozess des Drehbuchschreibens immer darum bemüht, den Kern der Geschichte freizulegen. Das Herz einer Geschichte – Britt-Marie selbst – ist der Grund, warum wir diesen Film machen.
Fotos:
© Verleih
Info:
VOR DER KAMERA
PERNILLA AUGUST (Britt-Marie)
PETER HABER (Kent)
ANDERS MOSSLING (Polizist und Sven)
MALIN LEVANON (Bank)
HINTER DER KAMERA
TUVA NOVOTNY (Regie & Drehbuch)
FREDRIK BACKMAN
JONAS ALARIK (KAMERA)
NICKLAS WIKSTRÖM NICASTRO (Produktion)
Abdruck aus dem Presseheft