Erste Stolpersteine werden in Schlüchtern verlegt, Teil 3
Hanswerner Kruse
Schlüchtern (Weltexpresso) - Die Verlegung der Stolpersteine vor dem Café Wohnzimmer in der Krämerstraße 16 war eine gut besuchte, dem Ereignis angemessene Feier. Symbolisch wurden die Namen der vertriebenen und ermordeten Familie Goldschmidt wieder an ihren früheren Lebensort zurückgebracht. Aus den fernen USA schrieb eine Enkelin auf Facebook, sie sei „so bewegt, geehrt und dankbar für das würdige Gedenken der Stadt Schlüchtern an ihre Familie.“ Die Ehrung ihrer Großeltern wurde live auf Facebook übertragen und ist dort immer noch als Video zu sehen.
In seiner Begrüßung gab Erster Stadtrat Reinold Baier einen kurzen Abriss über das Leid der Juden während der Nazizeit in der Stadt und die mittlerweile überwundene Auseinandersetzung um die Stolpersteine. Im Anschluss erläuterte Künstler Gunter Demnig das Konzept seiner Gedenktafeln. Der Hintergrund dieser Veranstaltung sei kein Grund zum Feiern - aber sein Team und er, insgesamt neun Leute, freuten sich über jeden neuen Stein der im Pflaster montiert werde. Er habe nie daran gedacht, wirklich so viele Steine zu verlegen (wir berichteten). Doch als einst die Kunstzeitung von „Größenwahn“ schrieb, sei das schon eine Herausforderung geworden.
Während der Künstler dann die Gedenkplatten verlegte, sprach die Vorsitzende des Geschichtsvereins Kerstin Baier-Hildebrand darüber, dass die Erinnerungskultur durch diese Stolpersteine eine neue Qualität bekäme: „Sie sind da, wo die Menschen leben und wo die Familie Goldschmidt, an die heute gedacht werden soll, gelebt hat. Sie sind auf diese Weise wieder mitten unter uns.“ Im Anschluss spielte ein Klarinetten-Duo Klezmermusik, einige Jugendliche legten weiße Rosen zu den Gedenktafeln, andere trugen ein Gedicht vor: „...Weine nicht, Mama, hör mein Versprechen / Niemand wird meine Seele zerbrechen...“ Schließlich stimmte ein Frankfurter Rabbiner einen hebräischen Gebetsgesang für die Goldschmidts an.
Die Feier war eine berührende Begegnung, auf der auch Tränen flossen, die unterschiedliche Menschen vor dem Café zusammenführte: Junge und alte Menschen, Kirchenleute, Politiker, eine jüdische Familie aus der Nachbarstadt, eine ehemalige Schlüchterin, die Videoaufnahmen für ein Online-Magazin machte.
Natürlich wurde auch die Frage gestellt, ob es weitere Stolpersteine in Schlüchtern geben werde. Dazu sagte Baier-Hildebrand unserer Zeitung, jeder könne einen Antrag für weitere Verlegungen stellen. Sie würde eine solche Initiative begrüßen, wies allerdings darauf hin, dassei angesichts der notwendigen Recherche eine sehr schwierige Aufgabe.
Die Besitzerinnen des Wohnzimmer-Cafés finden es gut, dass die Tafeln direkt vor den Stufen ihres Lokals verlegt wurden: „Viele Menschen kommen daran vorbei, sehen sie und erinnern sich. Neue Gäste werden stutzig und fragen nach.“ Im Café ist auch die Broschüre erhältlich, die vom Geschichtsverein herausgegeben wurde.
Video www.facebook.com/tourismus.schluechtern
Fotos:
(c) Hanswerner Kruse