Eric Fischling
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Während erst einmal die Aufregung groß ist, um einen einstimmig zum Ortsvorsteher bestellten NPD- Mann, der in den Verfassungsschutzberichten als Gefährder aufgeführt ist, stehen die Hälfte der hessischen Mandatsträger unter einem unerhörten Druck: Mehr als jeder zweite hessische Landrat oder Bürgermeister (54 Prozent) ist in den vergangenen zwölf Monaten angefeindet, beschimpft oder beleidigt worden. Jeder zehnte ist sogar bedroht worden.
Das ist das Ergebnis einer Online-Umfrage, die der Hessische Rundfunk in allen hessischen Kommunen und Landkreisen vom 17. Juli bis zum 30. August durchgeführt hat.
Offenbar beschäftigt das Thema hessenweit Bürgermeister und Landräte. 322 von 444 Amtsträgern (73 Prozent) haben auf die hr-Umfrage geantwortet. 206 von ihnen haben von Anfeindungen berichtet. Rund jeder siebte Kommunalpolitiker hat schon einmal mit dem Gedanken gespielt, sein Amt aufzugeben. Die Mehrheit der Kommunalpolitikerinnen und -politiker (80 Prozent) stimmen der Aussage zu, dass das Klima rauer geworden sei.
Überraschend ist, dass nicht die Ausländer- und Asylpolitik Hauptgrund der Anfeindungen oder Bedrohungen ist, sondern die Verkehrspolitik. Bürger etwa, die sich über Straßensperrungen, Bußgeldbescheide, Umgehungsstraßen oder Straßenbaubeiträge ärgern. Danach folgt die Bauwirtschaft (Baugenehmigungen, Bauaufsichtsbeschwerden etc.). Erst an dritter Stelle stehen die Asylpolitik und im Anschluss Tier- und Naturschutzbelange.
Jede fünfte Verwaltung, in der es Vorfälle gab, hatte Probleme mit Rechtsextremen. Als im Sommer in Wächtersbach ein Eritreer aus rassistischen Gründen angeschossen wurde, begann die Hetze gegen den dortigen Bürgermeister. Andreas Weiher berichtet gegenüber dem Hessischen Rundfunk, er habe Drohungen erhalten mit den Worten, er stehe auf einer „Liste ‚mit anderen freundlichen Bürgermeistern‘. Und wir dann schon irgendwann damit rechnen müssen, dass was passiert, und wir uns nicht sicher sein dürften [...]“.
Mindestens drei Kommunalpolitiker mussten aufgrund der Anfeindungen. Personen- oder Polizeischutz in Anspruch nehmen. Auffallend ist, dass die Beschimpfungen, Anfeindungen und Bedrohungen auch häufig im direkten, persönlichen Kontakt geäußert wurden und nicht über Soziale Netzwerke, Email, Brief oder Telefon. Der Wehrheimer Bürgermeister Gregor Sommer hat diese Bedrohung am eigenen Leib erfahren. „Eines Tages kam ein Fahrzeug angefahren, und die betroffene Person stieg vor unserem Haus aus. Sie hatte eine Pistole in der Hand." Sommer und seine Familie hätten sich auf den Boden geworfen und Todesängste gehabt. Auch die Schwalbacher Bürgermeisterin, Christine Augsburger, wurde angefeindet. An Wänden fand sie unangenehme Schmierereien und Beleidigungen wie „Augsburger, du Hure“. Auch wurde ihr Dienstwagen schwer beschädigt. „Ich war ziemlich erschreckt (...). Die Windschutzscheibe war eingeschlagen, total zertrümmert, der Lack war zerkratzt, ein Außenspiegel war abgerissen.“
Rund jeder vierte Bürgermeister oder Landrat (24 Prozent) fühlt sich gegen Bedrohungen und Anfeindungen durch die Sicherheitsbehörden nicht ausreichend geschützt. 82 Prozent der Kommunalpolitikerinnen und -politiker fordern, dass der Gesetzgeber strenger gegen Hass und Hetze vorgehen sollte.
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Mehr zur Umfrage gab es gestern um 19.30 Uhr in der „Hessenschau“ und um 20.15 Uhr im hr-Fernsehmagazin „defacto“, außerdem berichtet der hr in seinem Hörfunk- und Onlineangebot. Weil wir oben die Vorlage von Viktor Schreiber nutzen, wollen wir auch sein Angebot bringen:
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