Frankfurts PiefkeKratie
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Regelmäßig stellt sich bei politischen Beobachtern der Eindruck ein, dass sowohl im Frankfurter Magistrat als auch in der Stadtverordnetenversammlung sogenannte Piefkes überproportional vertreten sind.
Aktuell wieder im Zusammenhang mit der AWO-Affäre. Wobei nicht klar ist, ob es sich tatsächlich um eine solche handelt; vor allem, ob sie juristisch relevant ist.
Die Ehefrau des Oberbürgermeisters bezieht von ihrem Arbeitgeber, der AWO, ein Gehalt, das für ihre Position ungewöhnlich hoch ist. Zusätzlich steht ihr ein Dienstwagen zur Verfügung. Da diese gemeinnützige Organisation ihre Kosten für soziale Einrichtungen (z.B. Kitas) von der öffentlichen Hand erstattet bekommt, ist eine Nachfrage berechtigt. Doch warum stellt man diese Frage dem Oberbürgermeister?
Definiert sich eine Ehefrau über ihren Ehemann und umgekehrt? Muss der jeweilige Ehepartner seinen Arbeitsvertrag dem anderen zur Genehmigung vorlegen? Möglicherweise allmonatlich auch die Gehaltsabrechnung, um so etwas wie Kostgeld einzufordern? Im schwarz-rot-grünen Spießermilieu Frankfurts scheint das die Regel zu sein.
Und der ins Zwielicht geratene Peter Feldmann lässt sich sogar darauf ein. Er reagiert, indem er nicht reagiert. Bekundet dadurch, dass er weder ein Intellektueller noch ein Visionär ist, sondern ein geistiger Verwandter seiner Herausforderer. Statt seinen politischen Freunden und Feinden den Marsch zu blasen sowie auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau zu verweisen. Und auf die Tatsache, dass die Sippenhaft nach Ende des NS-Regimes wieder abgeschafft wurde.
Aber auch darauf, dass Vertragsfreiheit besteht und selbst im öffentlichen Dienst sowie den ihm gleichgestellten Dienst bei Kirchen und Wohlfahrtsorganisationen nicht jede Aufgabe in ein starres Besoldungssystem passt. Falls man nicht in Mittelmäßigkeit verharren will, ist es unerlässlich, sich bei Bedarf fachliche Kompetenz zu den Konditionen des Marktes einzukaufen. Ob letzteres bei Frau Feldmann der Fall ist oder ob man ihr einen nicht gerechtfertigten Vorteil verschaffte, erschließt sich aus den bekannt gewordenen Fakten nicht. Die Kopie der Personaldatei, die mutmaßlich illegal beschafft wurde, reicht als klassischer Beweis nicht aus. Der Anstellungsvertrag könnte nähere Auskunft geben. Doch um darin Einsicht nehmen zu können, würde es eines hinreichenden Tatverdachts bedürfen. Dieser müsste sich im Rahmen der Korruptionsdelikte bewegen: von Vorteilsgewährung und Vorteilsnahme über Bestechlichkeit und Bestechung. Diese könnten dann als Betrug oder Untreue geahndet werden. Allerdings sind bereits viele Verfahren an der Komplexität dieses Rechtsgebiets gescheitert, das nicht jede Art von Gefälligkeit oder Vetternwirtschaft für justiziabel erachtet.
Dass zumindest im Einzelfall mit Ausnahmeregeln Missbrauch getrieben wird, halte ich hingegen für sehr wahrscheinlich. Denn die der SPD nahestehende AWO fällt durchaus dadurch auf, dass Leitungspositionen auf unterschiedlichen Ebenen mit verdienten Parteifunktionären besetzt werden, die „versorgt“ werden sollen, aber fachlich ungeeignet sind. Ob dies auf Peter Feldmann vor seiner Wahl zum Oberbürgermeister zutraf, lässt sich höchstwahrscheinlich nur klären, wenn das AWO-Personalkonstrukt vollständig offengelegt wird. Wobei organisatorische Unzulänglichkeit und fachliche Inkompetenz eher selten von strafrechtlichem Belang sind. Dennoch ist die AWO aufgerufen, für restlose Aufklärung zu sorgen. Andernfalls wird sie gegenüber ihren Mitgliedern und Förderern unglaubwürdig. Die für Januar angekündigte Transparenz-Offensive könnte ein Teil dieser Aufarbeitung sein. Entscheidend ist jedoch, ob die internen Seilschaften und Abhängigkeiten benannt und beseitigt werden.
Das Damoklesschwert AWO hängt derzeit unheilbringend über der Frankfurter SPD, die im Umgang mit solchen Vorwürfen nicht souverän agiert. Vielmehr vermittelt sie einen permanenten Geruch von Spießigkeit, der ihre gesamte politische Kompetenz infrage stellt.
Dilettantismus, Unfähigkeit und unangemessene Geheimniskrämerei assoziieren bei den Bürgern, dass sich Politiker am liebsten selbst bedienen, statt sich als ehrenamtliche Diener des Gemeinwesens zu betätigen. Was immer auch die Prüfung der Sachverhalte in der Causa AWO ergibt, halte ich eine andere Variante des Austauschs von Vorteilen für noch erheblich gefährlicher. Nämlich jene, in der Politiker Einkünfte aus Beraterverträgen mit Unternehmen oder Lobbyisten erzielen, die sogar die üppigen Abgeordnetendiäten übersteigen. Solche kaum noch zu kontrollierenden Abhängigkeiten schlagen sich in Gesetzen nieder, die das Gemeinwohl konterkarieren und die Demokratie bedrohen.
In Frankfurt – das zeigen die aktuellen Vorgänge - herrscht PiefkeKratie, also die volkstümlich-reaktionäre Variante von Demokratie. Damit das auch optisch klar wird, empfehle ich, rund um den Tannenbaum auf dem diesjährigen Weihnachtsmarkt Gartenzwerge aufzustellen, das klassische Symbol für eingefleischte Spießermentalität. Vielleicht führt das bei einigen Wählern zu neuen Erkenntnissen und mittelfristig zu neuen Mehrheiten.
Foto:
Drei Gartenzwerge symbolisieren die Spießerideologie der schwarz-rot-grünen Frankfurter Stadtregierung
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