Jahresempfang IHK 2020 Feldmann Bouffier Caspar Voigtlander copyright Stadt Frankfurt Andreas VarnhornDie IHK Frankfurt beim Jahresempfang 2020, Teil 2: Kommentar

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Unsere Titelüberschrift bezieht sich nicht nur auf den Vorgang grundsätzlich, sondern ahmt DINNER FOR ONE durchaus auch nach als DINNER FOR 1800, die, darunter die wichtigsten Personen von Frankfurt – oder auch nicht – alle erst lange lange Reden anhören müssen und dann gesellig beisammen sein dürfen...

Jahresempfang IHK 2020 Feldmann Rede copyright Stadt Frankfurt Andreas VarnhornNein, von Abspeisen würden wir nie sprechen, denn die IHK gibt sich Mühe und die an diesem Abend Beschäftigten insbesondere. Denen gilt unser Dank. Aber daß The same procedure as every year... auch dafür gilt, daß wieder einmal alle vier Redner Männer waren, das müßte nicht sein. ‚Werklisch net‘ wie man in Frankfurt sagt. Ja, gut, drei von ihnen, der Gastgeber und Präsident der Industrie und Handelskammer Frankfurt am Main, Ulrich Caspar, der Ministerpräsident des Landes Hessen, Volker Bouffier und der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt, Peter Feldmann, sprechen hier kraft ihres Amtes. Aber dann sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, daß der vierte Platz, das Referat des Abends, von einer Rednerin eingenommen wird. Da hätte ich mir viele vorstellen können, auch viele, die prägnanter zum inhaltlichen Schwerpunkt des diesjährigen Empfangs WOHNEN IST DAS THEMA DER STUNDE FÜR DIE WIRTSCHAFT hätten sprechen können. Dazu noch mehr.

Erst einmal eine weiteres The same procedure as every year... die Länge der Reden!! Es stimmt nicht, daß Länge und Qualität im gleichen Verhältnis stünden. Und wenn Volker Bouffier noch staunend darüber spricht, daß man ihm nur zehn Minuten zugestanden habe, dann aber, ohne Rot zu werden oder sich zu entschuldigen, um hundert Prozent überzieht, ist das nichts, worauf er stolz sein sollte. So kam es einem nämlich vor.

Wenn dann um 21. 20 Uhr die Hallen geöffnet werden, wo Speis und Trank auf die Geladenen wartet, dann kommen immer die zuerst, die nicht auf die Reden geachtet hatten, die im zweiten Stock live und in den anderen Räumen per Videoschaltung abliefen, sondern die sich an der Tür versammeln, die dann ab 21.20 ins Gelobte Land führt, wo es dann für die besonders Eingeweihten im Laufschritt nach ganz hinten links geht, dem Raum Merkur, wo die Gourmets besondere Leckerbissen und besondere Weine etc. erwarten, entlang an den noch menschenleeren allgemeinen Büffets, die in sekunden- und minutenschnelle gleich vor lauter andrängenden Leuten kaum mehr zu sehen sind.

Spannender ist es dagegen meist im alten Börsensaal, der schon durch seine Aura oder auch einfach durch die runden hohen abgeschlossenen Inseln eine architektonische Besonderheit ist, die die Menschlein und die mindestens drei Büffets drumherum wie auf einer Bühne wirken läßt. Dieser Raum hat immer etwas von einer Inszenierung an sich und so verhalten sich auch manche Gäste, über die wir jetzt deshalb nicht schreiben wollen, weil auch diesen Großkopferten eine Privatheit bleiben sollte, auch wenn die in der Öffentlichkeit durchgeführt, so manchen zum Schmunzeln anregt. Schon wer mit wem spricht! Aber erst recht, welche Gesichter dazu geschnitten werden. Aber in der Tat. Die wirklich Prominenten sieht man hier in diesem Raum!

Dafür sind die Saftgetränke in der kleinen Lounge ganz unprominent, aber hervorragend. Nein, jetzt wollen wir alle essen und trinken lassen, sie haben es sich nach über zwei Stunden verdient!

Wären wir ein Lehrer, würden wie sagen, der Gastredner nicht. Denn Michael Voigtländer, Prof.Dr. und Leiter Kompetenzfeld Finanz.- und Immobilienmärkte des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e.c. , der zu PREISEINGRIFFE UND VERSTAATLICHUNG – ÜBERWUNDEN ODER NEUAUFLAGE? sprach, war nicht so sehr von der gegenwärtigen Situation beeindruckt, daß zu viele Menschen keine Wohnungen finden und zudem auch keine Wohnungen, die zu ihnen passen oder die sie bezahlen können, und gab wenig Hinweise, wie dies tatkräftig zu ändern sei, sondern verharrte in negativer Haltung dabei, was seiner Meinung nach nicht zielführend sei, eben so etwas wie MIETDECKEL, also Mietpreisstopps.

Denn auch wenn die jeweiligen Gesetzgeber solches Einfrieren von Mieten nicht verordnen täten, entstünden ja nicht zusätzliche Wohnungen. Die aber braucht man. Von einem Wirtschaftswissenschaftler erwartet man in einer solchen Situation schon Lösungsvorschläge. Die kamen auch, aber in welcher Richtung! Grob gesagt: DER MARKT WIRD‘S SCHON RICHTEN. Aber, nicht die ‚soziale Marktwirtschaft‘. Denn die gibt es für Michael Voigtländer nicht mehr, die nahm er zumindest auf sechs Seiten Redemanuskript nicht in den Mund.

„Das Ende der Mauer, die Wiedervereinigung Deutschlands war eine der großen Errungenschaften des letzten Jahrhunderts. Und sie symbolisiert auch das Ende eines Wettkampfes um das bessere ökonomische System.“ Ja, der Kapitalismus hat gesiegt. Darüber sind sich alle einig. Aber ist das nur positiv, daß ein Modell hinter dem Eisernen Vorhang nun nicht mehr verlangt, daß der Kapitalismus, wie ihn die alte Bundesrepublik mit ihrer sozialen Marktwirtschaft noch kannte, nicht mehr existiert und heute nur noch vom Brutalo- oder dem Turbo-Kapitalismus die Rede ist?

Fotos:
IHK Jahresempfang 2020:  
(l-r) OB Peter Feldmann, Volker Bouffier, Ulrich Caspar, Michael Voigtländer
OB Peter Feldmann bei Rede 
© Stadt Frankfurt, Andreas Varnhorst