Julian Assange Reuters RTS2Y7Y4 800x450Der deutsche PEN informiert die Öffentlichkeit

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Darmstadt (Weltexpresso) Am 24. Januar wurde Julian Assange aus der Isolationshaft in der medizinischen Abteilung in einen anderen Bereich des Hochsicherheitsgefängnisses Belmarsh, in Section B (zweithöchste Sicherheitsstufe), verlegt. Der 48-jährige befindet sich jetzt in einem Flügel mit 40 weiteren Insassen im Alter von 50 Jahren und älter. Für 3 bis 4 Stunden am Tag sind die Zellentüren zum Korridor hin geöffnet. In diesem Zeitfenster müssen Telefongespräche, Körperhygiene, Spaziergang und alles andere stattfinden.

Der Zugang zu seinen Anwälten ist nach wie vor vollkommen ungenügend. Julian Assanges britische Verteidigerin Gareth Peirce verweist darauf, dass sie vom 19. Dezember bis zum 13. Januar insgesamt nur zwei Stunden Gesprächszeit mit ihrem Mandanten hatte. Julian Assange werde so daran gehindert, Beweismaterial einzusehen, das dem Gericht mit strenger Fristsetzung vorgelegt werden musste. Davor hatten die Verteidiger wöchentlich Zugang zu ihrem Mandanten, entweder persönlich oder über eine Videoschaltung ins Gefängnis.

Julian Assange leidet weiterhin unter großen Angst- und Panikattacken sowie kognitiven Beeinträchtigungen wie kurzfristigem Gedächtnisverlust, was laut Experten auf die Isolation und psychologische Folter zurückzuführen ist, auf die der UN- Sonderberichterstatter zum Thema Folter, Nils Melzer, mehrfach aufmerksam gemacht hat. Nils Melzer hatte Assange am 9. Mai 2009 im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh mit seinem Ärzteteam besucht. In einer dreistündigen medizinischen Untersuchung und einer einstündigen Unterredung hatte er festgestellt, dass Julian Assange alle Symptome zeigte, welche typisch sind für Personen, die über längere Zeit psychologischer Folter ausgesetzt waren. Die Symptome waren bereits physisch, neurologisch und kognitiv messbar und offensichtlich Folge seines erzwungenen Asyls von 2012 bis 2019 in einem äußerst kontrollierten Umfeld in der ecuadorianischen Botschaft in London. Die ständig drohende Auslieferung an die USA und die nachfolgend zu erwartenden, schweren Verletzungen von Assanges Menschenrechten sind laut Melzer das Grundbedrohungsszenario, welches sich von Anfang an und bis heute durch den gesamten Fall zieht.

Der UN-Sonderberichterstatter warnte nach seinem Besuch in Belmarsh ausdrücklich, dass Julian Assanges Gesundheit sowohl psychisch wie auch physisch sehr bald in eine Abwärtsspirale geraten werde, wenn der Druck auf ihn aufrechterhalten, seine Situation nicht verbessert und seiner willkürlichen Behandlung kein Ende gesetzt werde. Am 1. November 2019 hat Nils Melzer noch einmal Alarm geschlagen und seiner ernsthaften Sorge Ausdruck verliehen, dass die fortgesetzte Willkür und Misshandlung Julian Assange möglicherweise das Leben kosten könnte.

Nils Melzer und das Anwaltsteam von Julian Assange geben zu bedenken, dass die britische Regierung mit der Verlegung des prominenten politischen Gefangenen von der medizinischen Abteilung in einen anderen Bereich des Hochsicherheitsgefängnisses in der Öffentlichkeit lediglich die Sorge um dessen angegriffene Gesundheit zerstreuen will.


Das Auslieferungsverfahren

Die Auslieferungsanhörung für den Journalisten und Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange, beginnt in einer ersten Runde am 24. Februar 2020 am Woolwich Crown Court in London neben dem Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, in dem Julian Assange seit seiner Festnahme im April 2019 inhaftiert ist. In einer ersten Anhörungswoche geben Anklage und Verteidigung ihre Eröffnungsplädoyers ab. Erörtert wird auch die Frage, ob politische Straftaten nach dem bestehenden Auslieferungsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und den USA auslieferungsfähig sind. Beobachter erwarten, dass die Staatsanwaltschaft Einspruch gegen die Absicht der Verteidigung erheben wird, anonyme Zeugen zu vernehmen. Die Verteidigung beklagt einen Missbrauch des Prozesses, angesichts der erschwerten Zugangsbedingungen zu ihrem Mandanten. Aufgrund der Fülle des Materials ist es sehr wahrscheinlich, dass entgegen der bisherigen Prozessplanung im März eine zweite Anhörungswoche in Folge stattfindet.

Der zweite Teil der Anhörung soll am 18. Mai 2020 beginnen und ist auf bisher vier Wochen angesetzt. Eine Entscheidung über die von den USA geforderte Auslieferung von Julian Assange wird für Juni/Juli 2020 erwartet. Beobachter gehen davon aus, dass Julian Assange den Fall in der ersten Instanz verliert. Als sicher gilt, dass je nach Urteil, eine der beiden Seiten gegen das Urteil Berufung einlegen wird, so dass eine endgültige einklagbare Entscheidung der Gerichte auf Anfang 2021 verzögert wird.

Gegenwärtig sieht es so aus, dass Julian Assange eine Freilassung auf Kaution verweigert wird und er für die gesamte Dauer des Auslieferungsverfahrens im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh inhaftiert bleibt.


Vorwürfe der USA

Julian Assange ist in den USA in insgesamt 17 Punkten nach dem Spionagegesetz aus dem Jahr 1917 angeklagt. Die Vorwüfe beziehen sich auf WikiLeaks-Veröffentlichungen in den Jahren 2010/2011 über die Kriege in Afghanistan und im Irak. Zudem ist Julian Assange wegen Verschwörung zum Computereinbruch angeklagt. Diese Anschuldigung bezieht sich auf die Behauptung, dass Julian Assange versucht habe, der Geheimdienstanalytikerin der US-Armee Chelsea Manning (früher Bradley Manning) dabei zu helfen, ihre digitale Identität zu schützen, als sie auf klassifizierte Pentagon-Dateien über die US-amerikanische Kriegsführung zugegriffen hat. WikiLeaks veröffentlichte Tausende dieser Datensätze. Weltweit für Aufsehen sorgte das Video „Collateral Murder“, das einen Angriff eines US-Kampfhubschraubers auf eine Gruppe von Zivilisten in Bagdad dokumentiert (https://collateralmurder.wikileaks.org/). Unter den Zivilisten befanden sich auch zwei für die Nachrichtenagentur Reuters arbeitende irakische Kriegsberichterstatter, Saeed Chmagh und Namir Noor-Eldeen.

Im Fall einer Verurteilung in den USA drohen Julian Assange bis zu 175 Jahre Einzelhaft. Nicht auszuschließen ist die Ausweitung der Anklage. Spionage ist ein Kapitalverbrechen, das in den USA mit dem Tod bestraft werden kann.

Julian Assange ist heute ausschließlich zum Zwecke einer Fluchtverhinderung im Zusammenhang mit dem anhängigen Verfahren zur Auslieferung an die USA inhaftiert, wo er für die Enthüllung von Kriegsverbrechen wegen "Spionage" angeklagt und mit 175 Jahren Einzelhaft bedroht ist.

Es ist offensichtlich, dass Julian Assange unter den gegenwärtigen Haftbedingungen weder genesen, noch sich auf sein Auslieferungsverfahren vorbereiten kann, welches am 24. Februar 2020 beginnen soll. Beides stellen schwere Verstöße gegen menschenrechtliche und rechtsstaatliche Grundprinzipien dar, verunmöglichen ein faires Verfahren und setzen Julian Assange erheblichen Leiden und gesundheitlichen Risiken aus.

Wir erinnern die deutschen Medien daran, dass Assange einer der ihren und die Verteidigung der Pressefreiheit eine Grundfrage der Demokratie ist.
Ungeachtet der Vorwürfe, die Assange gemacht werden, rufen wir Großbritannien aus den genannten menschenrechtlichen und medizinischen Gründen dringend dazu auf, Julian Assange umgehend aus der Haft zu entlassen, damit er unter fachärztlicher Aufsicht genesen und seine Grundrechte ungehindert ausüben kann.

Wir rufen auch die Bundesregierung dazu auf, sich bei der britischen Regierung in diesem Sinne einzusetzen.

Foto:
Julian Assange beim Verlassen des Westminster Magistrates Court in London, Großbritannien am 13. Januar 2020.
© Reuters/Simon Dawson