kpm Hamburger RathausZum Hamburger Wahlergebnis

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das Reich des Mittelmaßes hat in Hamburg eine seiner Hauptstädte.

Da muss man schon mal, so wie in der oben zitierten Zeile eines bekannten Hamburger Lieds, die Zähne zusammenbeißen. Zusammenbeißen angesichts der Widersprüche, die in Hamburg voraussichtlich weiter schöngeredet werden. Beispielsweise die Elbvertiefung und in deren Folge eine steigende Hochwassergefahr. Oder der tägliche Verkehrsinfarkt auf den Straßen, der die Luft verpestet und die CO2-Bilanz kontinuierlich verschlechtert. Ein öffentlicher Nahverkehr, der auf Verschleiß fährt. Ebenso die Nähe der offensichtlich unschlagbaren alten und neuen Regierungspartei SPD zur Wirtschaft. Auch zum umstrittenen Bankhaus Warburg, das in einen Cum-Ex-Skandal verwickelt ist. Nicht zu vergessen ist auch der verlustreiche Verkauf der HSH-Nordbank.

Und Hamburg besteht nicht nur aus der Elbchaussee bzw. aus Blankenese. In dieser Stadt kämpfen auch Menschen ums tägliche Brot, müssen sich mit zwei, gar drei Jobs durchschlagen. Hamburgs sprichwörtliche Pfeffersäcke sind die eine Seite einer Medaille, die andere hingegen ist verblichen und riecht nach Armut. Mit anderen Worten: Die Metropole an der Elbe ist geteilt; zwei Drittel stehen gegen ein Drittel, möglicherweise ist der soziale Gegensatz sogar noch größer. Und vor diesem Hintergrund verströmt die politische Klasse das Geschmäckle einer Politik ohne Verantwortung, eines Regierens im Hier und Jetzt und ohne Blick nach morgen. Allein der Wahlkampf von SPD und Grünen vermittelte die Durchhalteparole: Wenn man auf die Nase fällt, steht man wieder auf. Heißt es doch im bereits erwähnten Lied: „Un he rasselt mit´n Dassel op´n Kantsteen / un he bitt sick ganz geheurig op de Tung, / as he opsteiht, seggt he: hett nich weeh doon, / ischa ´n Klacks för ´n Hamborger Jung.“

Und der grüne Regierungspartner wird daran auch zukünftig nichts ändern. Katharina Fegebank, die bisherige und wohl auch künftige Zweite Bürgermeisterin, überschlägt sich geradezu mit neoliberalen Phrasen, die in sprachlicher Wohlfühldosierung abgegeben werden. Ja klar, eine Bildungsoffensive, mehr Fahrradwege und mehr Tempo 30-Zonen dürfen nicht fehlen. Auf jeden Fall ist man gegen die Klimaveränderung. Doch typische Betriebe, denen die Ressourcenverschwendung und die Vernichtung der natürlichen Lebensgrundlagen anzulasten sind, liegen rund um den Hafen. Der bringt das Geld und gleichzeitig den Tod.

Das erinnert an Tarek Al-Wazir, den grünen Wirtschaftsminister Hessens. Einst verdankten die Frankfurter Grünen ihre Wahlerfolge ihrem strikten Kurs gegen Flughafenerweiterung und gegen eine Ausdehnung des Luftverkehrs. Jetzt haben sie sogar einem Giftlager am Flughafen zugestimmt, das aber offensichtlich gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt und aufgelöst werden muss.

Hamburgs Erster Bürgermeister bekräftigt, dass die Mitte gesiegt habe. Genauer ausgedrückt: das Mittelmaß, aber das sagt er verständlicherweise so nicht. Dabei haben die Sozialdemokraten sogar 6 Prozentpunkte Verlust hinnehmen müssen, liegen aber mit 39,2 Prozent deutlich an der Spitze. Die Grünen, die von einer Umkehr der Machtverhältnisse im Rathaus geträumt hatten, müssen sich mit 24.2 Prozent zufrieden geben, was aber nahezu einer Verdoppelung entspricht. Man fragt sich: Wer wählt eigentlich diese Partei?

Hart hat es die CDU getroffen. Denn Rot und Grün haben ihr das klassische Thema geklaut, nämlich die Unterstützung der Wirtschaft auf Steuerzahlers Kosten. Und die unsäglichen Vorgänge in Thüringen haben das Desaster perfekt gemacht. 11,2 Prozent kamen am Ende heraus, das sind nur gut zwei Prozent mehr als die Linken erreicht haben. Letztere hat sich bei einem leichten Zugewinn stabilisiert. Aber ich warte auf rote Signale aus jener Stadt, die einmal für solche Werktätige bekannt war, die für ihre Rechte so lautstark stritten, sodass man sie überall in Deutschland vernehmen konnte.

Die 4,9 Prozent für die FDP bedeuten das Abschiedslied in der Bürgerschaft – und das wird nicht unverdient erklingen. Dass 5,3 Prozent der Wählerstimmen die AfD gerettet haben, stimmt wütend, lässt aber auf einen endgültigen Niedergang hoffen.

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Das Hamburger Rathaus
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