
Heinz Markert
Hauptanliegen der AfD ist es, Diskurshoheit in der politischen Debattenkultur zu erlangen. Wie macht sie das? Ganz neuerlich hat sie sich auf die Vereinnahmung und Klitterung der Erinnerungskultur verlegt und reklamiert die Widerständler gegen Hitlers Mordmaschine für ihre unterschwellig verfolgten Absichten.
Vornehmlich aber betreibt sie das vertraute Geschäft der Panikmache: Wie das läuft erklärt der Politikwissenschaftler Claus Leggewie in der kürzlichen Ausgabe von Hauptsache Kultur des HR: „Die AfD destabilisiert die Lage, versetzt die Leute in Unruhe. Macht sie nervös, irritiert die Leute“. Damit sollen sie erntereif gemacht werden für den Eintritt ins rechte Lager. – Von Nervosität weiß Höcke nur zu gut. Er ist der Typ der manisch-depressiven Geisteshaltung, die dazu tendiert, sich in ekstatischen Statements und politisch ganz nach rechts weisenden Fingerzeigen zu ergehen, wie einstmals, als er an einem Abend bei Anne Will ein deutsch-nationales Fläggchen auspackte. Den manischen Zug offenbart ein irre augenaufgerissener Blick, der ununterbrochen der Apokalypse ins Antlitz blickt.
Die Traumatisierung von Hanau
Auf Hanau bezogen lasse sich feststellen, so der Magazinkommentar, dass man tatsächlich sterben könne, „weil man ins Feindbild von Rechtsextremisten passt“. Damit einher gehe Bedrohung, Einschüchterung, Angst, mitten in Deutschland. Und dreimal, so der befragte Publizist Michel Friedmann, wurde in den letzten 12 Monaten von der verbalen Gewalt zur tatsächlichen übergegangen. Mit der Ermordung des Regierungspräsidenten Walter Lübcke, mit dem Angriff auf eine Synagoge - auf das Judentum -, und zuletzt gegen eine Shisha-Bar, „wo sich ‚diese ganzen ‚Ausländer, Muslime, Migranten‘ bewegten, wie Friedmann den rechten Sprachduktus nachahmend wiedergibt. Mit diesen Untaten aber werde die „gesamte Pluralität der Gesellschaft“ angegriffen, währenddessen die AfD ihre Hände in Unschuld wasche.
Die einen sinnen auf die rechtsgerichtete Wende, die anderen auf den Umsturz
Wechsel zum Pegida-Aufmarsch, Ende Februar in Dresden. Höcke am Rednerpult in Aktion. Sprechchöre im Hintergrund skandieren: „Widerstand, Widerstand, Widerstand“. Höcke nennt das deutsche Regierungssystem Diktatur und droht damit, „keine halben Sachen zu machen, wenn die AfD erstmal an der Macht ist“. Und: „Deswegen werden wir diese Zivilgesellschaft“ - der er vorwirft, dass sie „aus Steuergeld mit Millionen finanziert wird“ – „leider trockenlegen müssen“. Er bedient sich damit der altbekannten eliminatorischen Sprechweise des Nationalsozialismus vor der Machtergreifung Hitlers, erklärt die Gesellschaft eines den universalen Rechten aller Menschen verpflichteten Augenmaßes zum Feind.
Die demokratische Gesellschaft wird auch von weit rechts eigestellten Bundeswehrangehörigen sowie von rechtslastigen Netzwerken aus KSK und SEK in den Blick der Auslöschung gefasst. Dort gilt die Vorbereitung auf den Tag X. Eine Sendung fragte schon: Was ist, wenn einer jener im Dunkeln Operierenden den Tag X ausruft? - Läuft der dann an?
Verschwörungstheorie auf Ideologemen gebaut

An dieser Stelle sei noch mal auf den Terminus: fortgesetzte – und gescheiterte - Spätadoleszenz verwiesen, der aber für das, was sich in diesen Milieus abspielt, viel zu harmlos ist. Das führende Milieu besteht aus Leuten, die keinen bürgerlichen Beruf ausüben, sondern sich mit der unablässigen Verbreitung wild zusammengestoppelten Propagandamaterials über Wasser halten und die Desorientierten und geistig Verwirrten mit abwegigen völkischen Parolen eindecken. Sie wollen die Geisteskrankheit des Neo-Nationalsozialismus auf die ganze Gesellschaft verbreiten.
Das Magazin zeigt einen ins Netz gestellten Ausschnitt des “irren und verdrehten“ Weltbilds des Hanauer Mörders, der dort von Tötungsriten schwadroniert und zu einem abgedrehten Zahlenmodell der regelmäßigen Tötung von Deutschen gelangt. Er rechnet mit einem getöteten Deutschen pro Tag, kommt damit auf 365 Getötete pro Jahr und in der Summe auf 14600 Getötete in 40 Jahren. Immer wieder fällt im Magazinbeitrag der Ausdruck „irre“ bei der Einschätzung der Vorgänge um die Taten und Weltbilder der Rechtsextremen und ihrer vielfältig skurrilen Abstufungen. Die Zivilgesellschaft als Feind!
Eine persönliche Störung sei für ein solcherart daneben konstruiertes Weltbild maßgeblich, folgert das Magazin, eines, das anscheinend “tief in die Gesellschaft eingedrungen ist“. So sei Gaulands Drohung: „Wir werden sie jagen!“ nicht nur gegen Angela Merkel gerichtet, sondern habe den Rang einer Kampfansage an die gesamte Gesellschaft und besonders gegen die heute und gestern eingewanderten Migranten. So arbeite auch die AfD ganz wie die noch extremer eingestellten Rechten auf einen autoritären Staat hin.
Extermination eingeplant

Die Publizistin Jagoda Marinic warnt: „Unsere eigene Geschichte lehrt uns, dass die Demokratie sich selbst abschaffen kann. Und dass wir den Auftrag haben – es ist grundgesetzlich auch verankert – dass die Demokratie sich wehren muss“. Und wir haben die Instrumente dafür: Verfassungsschutz, Beobachtungen, Verbote - „die müssen irgendwann geltend gemacht werden“.
Das Magazin stellt abschließend fest: „Die Demokratie in Deutschland ist bedroht. So wie in Ungarn, Polen, Italien, Frankreich oder Österreich“. Michel Friedman urteilt noch weiter reichend und sagt: „Es geht um die Frage, ob Demokratie oder nicht Demokratie“. Den AfDlern gehe es nicht hauptsächlich darum, Minderheiten zu bedrohen, „sondern sie bedrohen den Menschen in seiner Freiheit an sich und damit jede und jeden von uns“. – Und: „die AfD ist keine demokratische Partei, die an den Rändern der Demokratie agiert, sondern sie nutzt die Demokratie, um innerhalb der Demokratie diese zu sprengen“.
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‚Rechter Terror und Demokratie‘, Hauptsache Kultur, HR 28.02.2020