Corona im Heim für Geflüchtete? (Teil 1)
Hanswerner Kruse
Schlüchtern (Weltexpresso) - Außerhalb Hessens kam es durch Corona-Infektionen in einigen Einrichtungen für geflüchtete Menschen, zu dramatischen Ereignissen. Wie ist die Situation im Main-Kinzig-Kreis, besonders in Hof Reith, dem kreiseigenen Schlüchterner Heim?
Wir betrachten exemplarisch die Zustände in dieser Unterkunft.
„Keiner raus und keiner rein“, überschrieb Spiegel-Online seine Recherche zu Unruhen und rabiaten Auseinandersetzungen in einigen Unterkünften. Betroffene Heime in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Bayern wurden nach Infektionen von Bewohnern durch totale Quarantänen von der Außenwelt isoliert. Wohl wenig Verständnis füreinander und unzureichende Information der Betroffenen führten zu heftigem Streit.
Im Main-Kinzig-Kreis gibt es nach Angaben seiner Pressestelle (noch) keine Infektionen in den Unterkünften für Geflüchtete. Bereits zu Beginn der Pandemie seien die allgemeinen Empfehlungen zu Hygienemaßnahmen in verschiedenen Sprachen ausgegeben worden: Diese Informationen würden ständig erneuert und die Weitergabe vom jeweiligen Träger der Einrichtung organisiert.
In Hof Reith wurden die dort Untergebrachten bereits frühzeitig durch Aushänge mit Infos zu Hygiene, Verhalten bei Quarantäne usw. informiert, man bot ihnen auch Beratungen in verschiedenen Sprachen an. Seit dem 18. März gilt auf unbestimmte Zeit ein Besuchsverbot. Laut Mitteilung der Pressestelle funktioniert dessen Überprüfung, „über die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kreises (Hausmeister etc.).“ Ein allgemeines Ausgehverbot gibt es nicht, denn „die Bewohner müssen analog des Lebens in einem Mehrfamilienhaus weiterhin die Möglichkeit haben, sich frei zu bewegen (Einkäufe erledigen, Arztbesuche usw.).“
Durch relativ gute Vorsorge der Heimleitung, Disziplin der Geflüchteten und wohl auch ein Quäntchen Glück hat das Virus Hof Reith nicht erreicht - trotz der Durchlässigkeit nach außen und der Enge in der Einrichtung: Durch mir vorliegende Informationen sind sonntags keine kontrollierende Bedienstete in Hof Reith anwesend. Außerdem lässt sich der Heimalltag kaum mit einem „Mehrfamilienhaus“ vergleichen. Bereits der Rahmen-Hygieneplan des Kreises (von 2015) weist auf die besonderen Gefahren hin - etwa „ein höheres Übertragungsrisiko für Infektionskrankheiten“ in Gemeinschaftsunterkünften.
Dadurch, dass sich die Geflüchteten innerhalb des Heimes und auch draußen frei bewegen können, ist die Ansteckungsgefahr durch gemeinschaftliche Küchen und sanitäre Einrichtungen groß. Dennoch sieht der Kreis als Träger keinen akuten Handlungsbedarf: Zum derzeitigen Zeitpunkt gäbe es keine Notwendigkeit für Verlegungen in kleinere Wohneinheiten.
Vorsorge für den Ernstfall ist allerdings getroffen, denn in Hof Reith wurden Räume als besonders geeignet definiert, um Absonderung und Isolierung zu ermöglichen. Ebenso könnte der Betrieb als Unterkunft vorübergehend ausgesetzt werden. Dann wäre es möglich, nicht erkrankte Bewohnerinnen und Bewohner in andere Unterkünfte zu verlegen. „Sämtliche Maßnahmen der Prävention wurden mit dem Gesundheitsamt abgesprochen“, erklärt die Pressestelle.
Hintergrund:
Es gibt im Main-Kinzig-Kreis den Hof Reith als einzige kreiseigene Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete, sowie 33 weitere Heime in 17 Kommunen. Träger dieser übrigen Einrichtungen sind die Städte und Gemeinden des Kreises. Die Größe der Heime variiert, ab 10 Personen gelten sie als Gemeinschaftsunterkunft (so die amtliche Bezeichnung). Im Hof Reith am Schlüchterner Stadtrand wohnen derzeit 182 Personen aus 20 verschiedenen Ländern.
Fotos:
(c) Hanswerner Kruse