Demo in Stuttgart. Viren bringen keine KrankheitGegen die fahrlässige Verblödung durch Corona-Zweifler

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat Verständnis für die jüngsten Proteste gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie geäußert.

Damit schreibt er eine unheilvolle Entwicklung fort, die bereits unter seinem Vorgänger Stanislaw Tillich einsetzte. Der hatte die Dresdener Pegida-Demonstrationen zwar nicht befürwortet, sie aber als Ausdruck vermeintlicher Meinungsfreiheit hingenommen. Ebenso die unübersehbare Zurschaustellung von Rassismus in allen Varianten, zu denen der Faschismus fähig ist. Die Quittung für diese falsch verstandene Toleranz zeichnete sich bereits bei der Landtagswahl 2014 ab. Die AfD erhielt 9,7 Prozent der abgegebenen Stimmen. 2019 wurde sie mit 27,5 Prozent sogar zweitstärkste Partei. Die offiziell signalisierte Gesprächsbereitschaft, die unter anderem von der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung gegen den Rat aller ernst zu nehmenden Experten propagiert wurde, führte letztlich zu einer Akzeptanz des Nichtakzeptierbaren.

Nach Kretschmers Verharmlosung ist zu befürchten, dass die Einheitsfront aus Dummbürgern, Wutbürgern, Verschwörungsideologen und Rechtsextremisten sich nunmehr im Besitz einer regierungsamtlichen Rechtfertigung wähnt. Und ihr jedweder Vernunft und demokratischen Tradition widersprechendes Treiben fortsetzt. Denn wer die ergangenen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit durch unkorrekte Verweise auf Grundrechte infragestellt, nimmt Krankheit und Tod Hunderttausender billigend inkauf. Ähnlich wie Donald Trump, der Bruder im Ungeist, der derzeit die USA in eine humanitäre Katastrophe steuert.

Angesichts der Tatsachenlage führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass Covid-19 zu lebensgefährlichen Erkrankungen mit Langzeitfolgen führen kann. Und es könnten sich noch weitere Gefahren herausstellen als die bereits bekannten. Die Virologen lernen wöchentlich hinzu. Die Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf hat festgestellt, dass "Sars-CoV-2“, so der offizielle Name, keine reine Lungenerkrankung ist. Bei dem neuartigen Coronavirus handele es sich um ein Multiorganvirus, dessen Erreger auch in Herz, Leber, Gehirn und Blut nachweisbar sei. Selbst eine Immunisierung von Genesenen ist bis heute nicht nachweisbar. Deswegen gibt es keine Alternative zu Sicherheitsabstand plus Hygiene plus Maskenpflicht plus Reduzierung von Kontakten.
Und es sind exakt die Grundrechte auf Gesundheit, Leben und Menschenwürde, welche die Regierung zu solchen Einschränkungen im öffentlichen und privaten Bereich verpflichten. Wer das in Zweifel zieht, ist bereits Opfer einer fahrlässig erlangten Verblödung geworden. Aber Unkenntnis und Vorurteile dürfen keine Maßstäbe sein, wenn es um das Wohl der Bevölkerung geht.

Selbstverständlich gehört es zu den demokratischen Rechten, gegen vermeintliche oder tatsächliche Missstände zu demonstrieren. Doch auch der Protest bedarf neben der Gesinnung auch der Verantwortung. Darüber haben die Demonstranten ohne Rückgriff auf Allgemeinplätze und Phrasen umfassend Auskunft zu geben.

Auch Ministerpräsident Kretschmer räumte ein, dass die Proteste zum Teil unterwandert würden von „Leuten, die alles nutzen, um Stimmung zu machen und auch falsche Informationen streuen“. Am Mittwoch dieser Woche wurden im südlich von Dresden gelegenen Pirna Polizisten von Demonstranten angegriffen. In dieses Bild von gewalttätigen Randalierern gehören auch die Angriffe auf Teams von ARD und ZDF in Berlin und Dortmund am Rande von so genannten „Hygiene“-Demos.

Ebenso leichtfertig wie die Verharmlosung von Michael Kretschmer ist die Beschönigung des Protestes durch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Er habe große Zweifel, ob es zweckmäßig sei, Demonstrationen aufzulösen, wo kein Sicherheitsabstand eingehalten und keine Atemschutzmasken getragen würden. Doch die Erfahrung zeigt, dass Nachsicht mit den Unnachsichtigen letztere bestärkt. Spahn sollte sich auch nicht für den Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürger entschuldigen. Denn diese erfolgen in einer Notsituation und decken sich mit den Grenzen, die unsere Verfassung setzt.

Hessens Innenminister Peter Beuth war eindeutiger bei seiner Warnung vor Extremismus bei den Corona-Demonstrationen: „Jeder Demonstrant sollte sich vergewissern, dass er nicht für ungewollte Zwecke missbraucht wird.“ Die aktuelle Situation erfordere Besonnenheit. Verkneifen konnte er sich wieder einmal nicht die Gleichsetzung von rechts- und linksextremistischen Akteuren, so als ob das die Gefährdungslage beschreiben würde. Tatsächlich ließ sich beispielsweise in Darmstadt und Frankfurt durch objektive Inaugenscheinnahme feststellen, dass es sich bei den Demonstranten um eine Mischung aus extrem schlichten Gemütern, Persönlichkeitsgestörten und rechtsextremen Ideologen handelte. Typisch linke Parolen waren weit und breit nicht zu erkennen. Und selbst von den üblichen Verdächtigen, die als Rowdys auf dem falschen Zug unterwegs sind, war diesmal keine Spur.

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Weisheit von Stuttgarter Demo: Viren bringen keine Krankheit
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