Die bedeutende Frauenrechtlerin wurde 93 Jahre alt
Andreas Mink
Paris (Weltexpresso) - Einen Tag nach ihrem 93. Geburtstag ist gestern Dienstag in Paris die bedeutende Juristin Gìsele Halimi «friedlich verstorben», wie einer ihrer drei Söhne der Nachrichtenagentur AFP mitteilte. Sie wurde 1927 als Zeiza Gisèle Elise Taïeb in eine tunesisch-jüdische Familie geboren. Ihr Vater beschrieb sie schon in jungen Jahren als Rebellin: Gisèle habe ihr Recht auf Lektüre als Zehnjährige mit einem Hungerstreik durchgesetzt. Sechs Jahre später entging sie einer arrangierten Ehe durch die Flucht nach Frankreich und setzte dort ihre schulische Ausbildung fort. 1949 kehrte Halimi nach Tunis zurück und begann eine Karriere als Anwältin, die sie in den Brennpunkt historischer Auseinandersetzungen brachte.
Die Juristin heiratete 1956 den französischen Beamten Paul Halimi und folgte ihm nach Frankreich. Halimi fand Zugang zu dem Kreis um Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir. Anfang der 1960er Jahre wurde sie durch ihr brillantes Plädoyer für Djamila Boupacha, eine junge Aktivistin der algerischen «Nationalen Befreiungsfront» FLN», bekannt. Se verlor den Prozess zwar, aber Boupacha wurde später im Rahmen des Abkommens über die Befreiung Algeriens begnadigt.
1972 zementierte Halimi ihren Ruf als Rechtsgelehrte durch die Verteidigung von Marie-Claire Chevalier, die als 16-Jährige abgetrieben hatte. Der Fall gilt als Wegmarke für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsunterbrechungen in Frankreich 1975. 1980 trug sie zu der Einstufung von Vergewaltigungen als Verbrechen bei. Halimi diente 1981-84 als unabhängige Sozialistin im französischen Parlament und war anschliessend Delegierte Frankreichs bei der UNESCO. Ihre Arbeit als Juristin hat sie neben zahlreichen Buchpublikationen bis in die letzte Zeit fortgesetzt (Link).
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Gisele Halimi
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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 29. Juli 2020