Hanswerner Kruse
Schlüchtern (Weltexpresso) - Noch fehlen die großen Bilder der Falafel-Speisen am Imbisswagen, dennoch ist Abou Hajar überglücklich und strahlt: Endlich ist es soweit, ab Montag kann er am Parkplatz bei der Stadtschule seine verschiedenen Falafel-Gerichte verkaufen.
Vor einigen Tagen wurde der Wagen an seinen endgültigen Platz geschleppt und ans Stromnetz angeschlossen. Danach trat erneut das Amt für Veterinärwesen und Verbraucherschutz des Kreises auf den Plan. Überraschend gab es seine Zustimmung, dass Hajar nun ein halbes Jahr lang täglich verkaufen darf. Ursprünglich sollte wöchentlich nur ein Drei-Tage-Verkauf erlaubt werden, da noch kein Wasseranschluss vorhanden ist. Den wird der Syrer aber in den nächsten Monaten noch bekommen.
Es war ein erfolgreiches Debüt auf dem Volksfest „Kalte Markt“ im letzten November in Schlüchtern, als Abou Hajar in seinem Imbisswagen Falafel und andere syrische Leckereien anbot. Einige Tage später konnte man neben dem alten Amtsgerichtsgebäude die Erkundung arabischer Leckereien fortsetzen. Doch dann begannen die Probleme – oder genauer, nun gingen die Schwierigkeiten weiter, mit denen Hajar eineinhalb Jahre tapfer gerungen hatte.
Im Mai 2017 kaufte der aus Syrien geflüchtete Hajar (47) den Wagen für 500 Euro, restaurierte ihn liebevoll und hoffte, nun „endlich Steuern in Deutschland zahlen zu können.“ Doch für ihn begann eine nicht enden wollende Odyssee durch deutsche Amtsstuben, die er nicht erwartet hatte: Gesundheitsamt, Jobcenter, Bauamt und andere Behörden verlangten immer neue Nachweise oder lehnten Anträge ab. Als er im Frühjahr mit Unterstützung des Bürgermeisters fast alle Hürden nahm, kam der Corona-Lockdown. Danach gab es noch Probleme mit der Energieversorgung, die aber mittlerweile auch gelöst wurden.
Das ist Geschichte, denn es kann nun losgehen. Mit einem leckeren Probeessen für Freunde und Wegbegleiter feierte Hajar den Start in den neuen Lebensabschnitt.
Übrigens: Hanin, die den vor drei Jahren mit seiner Familie aus Syrien geflüchteten Hajar unterstützt, stammt aus dem gleichen Dorf. Sie lebt seit sechs Jahren in Deutschland, wurde von ihm als „Nichte adoptiert“. Mit ihren sehr guten Deutschkenntnissen ist sie Hajar eine große Hilfe. Der Weltexpresso wird sie demnächst vorstellen.
Foto:
(c) Hanswerner Kruse:
oben: Abou Hajar
unten: Hanin zeigt den Bescheid des Veterinäramtes
Info:
Zu "Jahre nach der Flucht" Teil 1 (Die Stadt istmeine Heimat geworden)