Eine Querfront von Corona-Leugnern machte Berlin zum Hotspot
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Die Richter der Berliner Verwaltungsgerichte haben sich in leichtfertiger Weise geirrt.
Ihre Entscheidung, die für den 29. August angemeldete Demonstration gegen die Corona-Schutzmaßnahmen trotz polizeilicher Verbotsverfügung zuzulassen, erwies sich bereits am Samstagmittag als grobe Fehleinschätzung. Denn es war nach den Vorgängen vom 1. August absehbar, dass sich diese Protestierer nicht an das Abstandsgebot halten bzw. dass sie dort, wo nötig oder angeordnet, keine Masken tragen würden. Sie haben dem Staat, der solche Verordnungen erlässt, längst den Krieg erklärt. Unterstützt durch die rassistische „Identitäre Bewegung“ (deren Chefideologe Martin Sellner vor Ort war) und den Chefredakteur des rechtsradikalen Hetzblatts „Compact“, Jürgen Elsässer, sowie durch Abgesandte der AfD haben sie sich zum Widerstand formiert. Zum Widerstand gegen die Demokratie. Wenn Vertreter der Rechtspflege das nicht voraussehen können oder wollen, stellen sie sich gegen die Rechtsordnung der Bundesrepublik.
Demonstrationen sind nicht per se demokratisch legitimierte Willensäußerungen. Wer der Meinung ist, einen Freibrief in Sachen Corona für sich reklamieren und Abstandsgebot und Maskenpflicht zu Lasten anderer ignorieren zu dürfen, stellt die unveräußerlichen Grundrechte unserer Verfassung infrage. Der möchte einen anderen Staat. Konrad Adenauer hat derartige Begehrlichkeiten in den 1950er Jahren, wenn auch in einem anderen Zusammenhang, auf den Punkt gebracht: „Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit.“
In der Konkretion des Corona-Jahrs 2020 bedeutet das: Keiner hat das Recht, in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit eines Menschen einzugreifen. Und er darf dies weder tatsächlich tun, noch darf er solches fordern. Letzteres auch nicht als vermeintliche Meinungsäußerung kaschieren. Denn eine Meinung, die Verbrechen verharmlost oder glorifiziert, ist keine Meinung, sondern eine Straftat.
Wie würden sich die Berliner Verwaltungsrichter verhalten, falls eine gesellschaftliche Gruppe die Abschaffung des Grundgesetz-Artikels 3, Absatz 2 (Gleichberechtigung von Männern und Frauen) propagierte? Oder falls die Päderasten-Liga, welche sich erkennbar in Facebook & Co breitmacht, die sexuelle Ausbeutung von Kindern gesetzlich legitimieren möchte? Eine Liste solcher Unsäglichkeiten ließe sich rasch zusammenstellen.
Die Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen sind im Kern nichts anderes als der Aufstand extrem ungebildeter Zeitgenossen sowie halbseidener und krimineller Milieus gegen die soziale Verantwortung des Staats (die sich aus dem Grundgesetz ergibt, das die Corona-Desperados angeblich schützen wollen). Statt die gesellschaftliche Solidarität zu unterstützen, machen sie Stimmung für einen Sozialdarwinismus, in dem nur gesunde und starke Herrenmenschen überleben. Typischerweise marschieren diese Gangs Schulter an Schulter mit der braun-blauen Reaktion.
Wer menschenverachtende Positionen einnimmt, entzieht sich selbst jedem Dialog. Und es führt auch zu nichts, Ignoranten immer wieder zum Gespräch einzuladen. Denn wer spricht schon mit Thersites? Wer diskutiert schon mit den ideologischen Nachfolgern Hitlers oder Himmlers? Wer toleriert das verantwortungslose Nichtwissen über medizinische und juristische Sachverhalte? Jedenfalls keiner, der als Staatsbürger ernst genommen werden möchte.
Der Rockmusiker Udo Lindenberg hat jüngst deutlich gemacht, dass er für solche Haltungen kein Verständnis aufbringt, obwohl er als Künstler von den Kontakteinschränkungen betroffen ist: "Wir brauchen die kollektive Mega-Power, also: Maske auf und mit panischer Konsequenz da durch! Wenn die hirntoten Risikopiloten durch die Aerosole zischen, wird es ganz viele noch erwischen", kritisierte er die Maskenverweigerer (zitiert nach tagesschau.de).
Der Kampf gegen die hirnlosen Risikopiloten ist das Gebot der Stunde.
Foto:
Szene aus der von der Polizei aufgelösten Demonstration am 29. August in Berlin
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