Redaktion tachles
Tel Aviv (Weltexpresso) - Am Samstag wurden in Israel 2517 neu mit Covid-19-Infizierte registriert, was die Gesamtzahl der seit Beginn der Pandemie Erkrankten auf 129‘349 Personen steigen lässt. Davon ist das Virus derzeit bei 26‘232 Menschen aktiv. Drei Erkrankte verstarben, womit die Todesfälle in Israel insgesamt 1010 betragen.
Das Knesset-Komitee für Verfassung, Gesetz und Rechtsprechung verlängerte in der Folge am Sonntagmorgen den nationalen Notstand um weitere 60 Tage bis zum 6. November. Währenddessen protestierte in Tiberias, einer roten Zone mit einer hohen Infektionsrate, eine Elterngruppierung gegen die Schliessung der städtischen Schulen. Sie forderten alle Eltern auf, ihre Kinder nicht in ihre Online-Klassen einzuloggen, die Social-Media-Seiten der Regierung mit Protesten zu fluten, ihre Kinder mit Protestschildern zu den Schulen und Tagesheimen zu bringen und sich auf dem Rabin-Platz zu einer Demonstration einzufinden. Dies sei, wie angekündigt wird, lediglich ein erster Schritt.
Ebenfalls am Sonntagvormittag wurde angesichts der Ausbrüche in arabischen und drusischen Gemeinden ein spezifisch darauf ausgerichteter Stab eingerichtet, der diese Woche seine Arbeit aufnehmen und die Infektionszahlen unter der arabischen Einwohnerschaft unter Kontrolle halten und vermindern soll.
Israels oberster Corona-Beauftragter Ronni Gamzu wird im Übrigen den Antrag stellen, dass über gewisse Ortschaften und Quartiere ein lockdown verhängt wird, die sich in der «dunkelroten» Zone der starken Verbreitung des Virus befinden. Zehn davon sollen einen totalen, 27 weitere einen teilweisen Lockdown für die ganze Woche verordnet erhalten, danach würde die Situation neu geprüft. Bei zwei betroffenen Siedlungen würden die Massnahmen militärisch angeordnet.
Das Gesundheitsministerium gab auf Verlangen der Vorsitzenden des Corona-Knessetkomitees Yifat Shasha-Biton bekannt, dass bislang bei den Demonstrationen gegen Netanyahu keine einzige Ansteckung festzustellen gewesen sei. Dies steht im Widerspruch zu Miki Zohars letztwöchiger, offenbar von Fakten unbelasteten Aussage, dass allein die Demonstrationen für den Anstieg der Fallzahlen verantwortlich seien.
Charedische Bürgermeister kündigten angesichts der drohenden Lockdowns am Sonntag die Zusammenarbeit mit der Regierung auf. Die Vorsteher von vier überwiegend ultraorthodoxen Gemeinden (Bnei Brak, Elad, Betar Illit und Emanuel) tadelten Netanyahu in einem gemeinsam unterzeichneten Brief dafür, sie nicht angehört, ihre Alternativvorschläge nicht geprüft und ihren Standpunkt nicht verstanden zu haben. Sie werfen ihm vor, darauf abzuzielen, die charedischen Gemeinden absichtlich während der Feiertage zu blockieren. Innenminister Arye Dery verlangte vom Premier während einer Besprechung überdies, dass anstelle der «dunkelroten» Gebiete, die fünf ultraorthodoxe Gemeinden einschliessen, das ganze Land vor den Feiertagen einem Lockdown unterzogen werde. Etwas später wurde bekannt, dass Netanyahu offenbar statt eines Lockdowns sanftere Restriktionen für die betroffenen Gebiete vorschlagen will, einschliesslich eines nächtlichen Ausgehverbots und der Schliessung der Schulen und Geschäfte. Dafür wurde er prompt von Vertreter anderer Parteien dafür gegeisselt, dass er vor den Ultraorthodoxen einknicke und auf die Festtage hin wohl eher einen generellen Lockdown als nur einen lokalen anstrebe. Avigdor Lieberman sagte dazu, Netanyahu fürchte sich nicht vor Gott, aber vor dessen Vertreter in der Knesset. Israel werde den Preis dafür, dass er die Allianz mit den Ultraorthodoxen brauche, um seine Immunität hinsichtlich der anstehenden Gerichtsprozesse zu wahren, mit der Gesundheit und den Leben seiner Bürger bezahlen.
Foto:
Eine Covid-19-Teststelle in Jerusalem
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 7. September 2020
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 7. September 2020